Erfolgskontrolle bei Internet-Aktivitäten

Web-Analyse durchleuchtet die Online-Kundschaft

23.07.1999
CW-Bericht, Frank Niemann Informationen über die Besucher einer Website können Goldes wert sein. Daher gibt es Tools zur Analyse von Internet-Auftritten wie Sand am Meer. Doch nur wenige werten auch Transaktionsdaten aus und erlauben so die Erfolgskontrolle von Web-Shops.

Geschafft. Endlich steht die Website im Netz. Nun warten alle im Unternehmen auf Besucher aus dem Internet. Doch wie erfahren die für den Online-Auftritt Verantwortlichen, wer die Site betritt, was die Surfer anschauen und vor allem: was sie kaufen?

Da sich mittlerweile viele Internet-aktive Firmen diese Fragen stellen, überschütteten Softwarehersteller den Markt mit Werkzeugen für die Analyse von Websites. Einige diese Produkte werten lediglich die Protokolldateien (Log-Files) der Web-Server aus und veranschaulichen über Statistiken das Verhalten der Surfer bei ihrer Visite. Einfach ausgedrückt: Log-Files zeichnen auf, welche Seiten ein Anwender anklickt. Zu dieser Produktkategorie zählen beispielsweise "Webtrends Log Analyzer" vom gleichnamigen Hersteller und "Websuccess", eine Entwicklung der Unternehmensberatung Heid Landmann & Partner aus Eschborn. Für einen Großteil der Firmen reichen diese Produkte aus. Die Betreiber großer Websites wenden sich eher Erzeugnissen wie beispielsweise "Aria" von Andromedia sowie "Netanalysis" vom US-Hersteller Netgenesis zu. Sie bilden die Oberklasse im Web-Analyse-Markt. Ein Praxisbeispiel eines Anwenders aus Deutschland, der die Web-Analyse in großem Stil beschreibt, befindet sich auf Seite 41 in diesem Heft.

Eher auf die Analyse kleinerer Sites hat sich Michael Bitzinger von der Firma Computer & Internet Solutions aus Hof spezialisiert. Bitzinger programmiert im Auftrag von Werbefirmen für Web-Seiten, kleinere Sites gestaltet er komplett in Eigenregie. Einige Websites seiner Kunden analysiert der Software-Experte mit dem Tool "Websuccess" und stellt ihnen die Berichte danach zur Verfügung. "Häufig wollen die Firmen einfach nur wissen, wie viele Surfer ihre Homepage täglich besuchen", erläutert der Web-Experte. Dagegen interessieren sich die Betreiber größerer Sites zudem dafür, über welche Suchmaschinen die Internet-Nutzer auf ihren Online-Auftritt aufmerksam wurden. Wie viele andere Analysewerkzeuge findet auch Websuccess heraus, welchen Begriff der Surfer zuvor auf der Search Engine eingegeben hat: den Firmennamen, eine Produktbezeichnung oder vielleicht sogar den Namen eines Mitbewerbers. Insbesondere im letzteren Fall sollte der Site-Besitzer die Einträge seiner Internet-Adresse in diversen Suchmaschinen schleunigst auf Vordermann bringen.

Web-Analysewerkzeuge geben zudem Auskunft über die Reichweite von Online-Werbung. So decken die Berichte auf, welche Banner die meisten Surfer anziehen.

Außerdem liefern Statistiken ein Bild von dem, was Kunden an der Homepage interessiert, wie lange sie auf welchen Seiten verweilen und an welchem Punkt sie ihre Visite abbrechen.

Doch nicht nur Marketing- und Vertriebsleute erhalten wertvolle Informationen aus der Web-Analyse. Die Recherche in den Log-Files der Web-Server erlaubt zudem Rückschlüsse auf die Güte des Web-Designs. Wenn die Kunden sich munter durch die Web-Seiten klicken, aber ein Großteil an einer bestimmten Seite Reißaus nimmt, liegt die Ursache möglicherweise in der Gestaltung dieses Bereichs. Zudem decken die Werkzeuge Mängel bei der Strukturierung von Internet-Auftritten auf, da sie feststellen können, welchen Pfad die Surfer wählen. Hält sich die Mehrheit der Besucher nicht an das vom Site-Betreiber vorgesehene Navigationsschema, stimmt womöglich etwas an der Benutzerführung nicht - auch hier sollte der Web-Master schnellstens eingreifen.

Das Aufschlüsseln des Navigationspfads zählt auch zu den Standardauswertungen beim Internet-Service-Provider Einwahl.de aus Elze. Der Diensteanbieter offeriert Firmen sowohl einen Netzzugang als auch Web-Hosting-Services. Im Leistungsumfang ist zudem eine tagesaktuelle Analyse der Log-Files enthalten. Rund 3000 Sites wertet der Provider mit Hilfe des Webtrends Log Analyzer aus. Einwahl.de hatte sich zuvor eine Reihe Tools angeschaut, darunter auch kostenlose Software. Manche Produkte schieden schon deshalb aus, weil sie ab einer bestimmten Anzahl Log-Files unerhört viele Systemressorcen beanspruchten, so daß der Web-Server mit nichts anderem mehr beschäftigt war als mit dem Erstellen von Statistiken. "Am Ende erhielt der Hersteller Webtrends den Zuschlag, obwohl dessen Produkt nicht gerade billig ist", bemerkt Thomas Höhne, Vertriebsleiter beim Provider.

Doch auch Webtrends ist nicht frei von Makel. Zwar leistet das Tool nach Ansicht Höhnes gute Dienste, solange die Log-Dateien lokal vorliegen, doch beim Zugriff auf remote Web-Server wird der Analysator inakzeptabel langsam. Deshalb erstellt Einwahl.de Web-Analysen nur auf den Rechnern in der hauseigenen Server-Farm. Dort liegen die Sites der Web-Hosting-Kundschaft.

Mögen Webtrends und andere Werkzeuge auch wichtige Informationen über das Internet-Publikum liefern, für Webshops greift der Ansatz zu kurz, meint Michael Heine, Leiter E-Commerce Services bei der Berliner Multimedia-Agentur Pixelpark. Die Protokolldateien der Web-Server liefern zwar einen Überblick darüber, welche Pages die Surfer anfordern, doch lassen nur wenige Rückschlüsse auf das Kaufverhalten der Besucher zu. Hierzu muß das Analyseprogramm Shopping-Anwendungen sowie Datenbanken anzapfen. "Um zum Beispiel festzustellen, welches Banner oder welches Suchwort aus einer Suchmaschine den meisten Umsatz generiert, bedarf es neben der Analyse von Log-Files zusätzlich der Auswertung von Transaktionsdaten, die aber kommen aus einem anderen System." Pixelpark erweitert deshalb den Funktionsumfang der Software Netanalysis des US-Anbieters Netgenesis so, daß die Analysedatenbank in Zukunft Log-Files gemeinsam mit Daten aus Shopping-Appliktionen auswertet. Die erste Integration dieser Art entwickeln die Berliner für das E-Commerce-Produkt von Intershop. Gerade Großunternehmen werden diese Form integrierter Erfolgskontrolle in Zukunft benötigen.

Leider basieren nicht alle E-Commerce-Sites auf der Intershop-Lösung oder ähnlichen Standardprodukten. Wesentlich schwieriger gestaltet sich die Analyse bei individuell anpaßbaren Lösungen oder dynamisch generierten Websites. Dies treffe nach Meinung des E-Commerce-Experten Heine beispielsweise auf virtuelle Shops zu, die mit IBMs "Netcommerce" errichtet wurden beziehungsweise auf Websites, deren Inhalte die Content-Management-Software "Storyserver" von Vignette erzeugt. Stehen Heine und sein Team vor der Aufgabe, Log-Files gemeinsam mit Daten aus solchen Umgebungen zu analysieren, führt der Weg nur über ein Integrationsprojekt.

Doch möglicherweise erleichtern zukünftig Standard-Schnittstellen die Verknüpfung von Web-Software und Analysesystemen. Ansätze dafür gibt es nach Ansicht des Pixelpark-Mannes Heine bereits. So hätten sich die Anbieter Netgenesis, IBM sowie Netgravitiy, ein amerikanischer Spezialist für Online-Werbungs- und Marketingung-Lösungen, auf die Schnittstelle "Netinstruments" von Netgenesis geeinigt, um so Daten zwischen den Produkten der Hersteller einfacher austauschen zu können.

Was die Anbieter solcher Lösungen gern verschweigen: Auf diese Weise erfahren die Betreiber einiges über das Käuferverhalten und betreten somit eine datenschutzrechtliche Grauzone. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, da laut Kent Godfrey, CEO des Internet-Marketing-Spezialisten Andromedia, Firmen dazu übergehen, ihre online gesammelten Informationen mit Marketing-Daten aus Data-Warehouses, beispielsweise der Kreditkartengesellschaften, abzugleichen.

Web-Controlling

Unter der Dienstleistung "Web-Controlling" versteht die Schumann Unternehmensberatung aus Köln-Marsdorf die "Kontrolle der kompletten E-Commerce-Wertschöpfungskette", vom Einstieg des Surfers in eine Shopping-Site bis zum Eingang einer Bestellung im Warenwirtschaftssystem. Gemeinsam mit Micro Strategy und Riehl & Pispers Interaktive Medien AG ging die Unternehmensberatung eine Kooperation ein.

Die von den drei Firmen entwickelte Lösung wertet die Daten aus Log-Dateien aus, greift aber zudem über das Data-Warehouse-Werkzeug von Micro Strategy auf Unternehmensdaten zu und füttert damit Datenbanken. Entsprechende Auswertungen der Datenbestände sollen den Site-Betreibern die Erfolgskontrolle ihrer Online-Aktivitäten erleichtern. Allerdings gibt es Web-Controlling nicht auf Knopfdruck: Das von der Allianz erdachte Konzept muß für jeden Kunden individuell angepaßt werden.

Online-Marketing

Da Firmen mittlerweile Unsummen in das Online-Marketing stecken, verwundert es nicht, daß sie auch wissen wollen, wieviel Mehrgeschäft ihnen Bannerwerbung beziehungsweise Vertriebskooperationen mit anderen Websites bringen. Der Auswertung solcher Daten hat sich der US-Anbieter Andromedia (www.andromedia.com) verschrieben. Dessen Lösung "Aria" zielt ausschließlich auf Großkunden ab, so entschieden sich Firmen wie Daimler-Chrysler, Audi sowie der Bekleidungshersteller Levi Strauss für das Produkt. Aria greift auf unterschiedliche Anwendungen und Datenbanken im Unternehmen zu und erstellt daraufhin Berichte in Echtzeit. Aussagekräftige Reports sollen unrentable Werbung vermeiden helfen. Auf diese Weise erfährt der Betreiber sofort, ob seine Online-Kampagnen, etwa Sonderangebote oder Werbeschaltungen, beim Internet-Publikum ankommen, und kann gegensteuern, wenn der erwartete Erfolg aufbleibt.