Bloor Research analysierte den Einsatz Server-basierender Architekturen

Wann Thin Clients die richtige Wahl sind

09.01.2004
MÜNCHEN (qua) - Weniger Kosten, mehr Flexibilität und Sicherheit - den Vorteilen der Thin-Client-Architektur stehen wenige Nachteile gegenüber. So die Ergebnisse einer Analyse, für die das Marktforschungsunternehmen Bloor Research sechs Organisationen, darunter die Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen (NRW), nach ihren Erfahrungen befragte.

Was soll schon dabei herauskommen, wenn ein Anbieter eine Studie über die Anwendung seiner Produkte in Auftrag gibt? Diese Frage muss sich die Bloor-Untersuchung gefallen lassen, denn sie wurde vom Thin-Client-Spezialisten Wyse Technology initiiert. Doch die Tiefenanalyse der sechs Anwendungsbeispiele förderte neben längst bekannten Wahrheiten auch eine Reihe interessanter Details zu Tage.

Administratoren ohne Herausforderung

Außer der Finanzverwaltung NRW widmete sich Bloor Research dem Thin-Client-Einsatz bei folgenden Anwendern: der britischen Gesundheitsbehörde "National Blood Service" (NBS), dem französischen Logistikspezialisten Sernam, der Fitnesskette Golds Gym und dem Lemon Grove School District im US-Bundesstaat Kalifornien sowie dem Hurstville City Council in Australien.

Wie nicht anders zu erwarten, lobten die Anwender übereinstimmend die Vorteile hinsichtlich der Total Cost of Ownership (TCO): Die laufenden Kosten für Installation und Verwaltung der IT-Infrastruktur seien in einer Thin-Client-Umgebung deutlich günstiger als in einer Client-Server-Architektur, zumindest aber lasse sich mit vergleichsweise geringem personellen Aufwand eine größere Anzahl von Desktops betreuen, so der Tenor.

Das bestätigt Bernhard Hadaschik, IT-Verantwortlicher im Rechenzentrum der Finanzverwaltung NRW: "Da alle Applikationen zentral auf den dezentralen Server-Farmen verwaltet werden, müssen wir nicht für jedes Finanzamt Administratoren abstellen, die vor Ort eingreifen können. Einige Systembetreuer beklagen sich bereits, dass es für sie kaum noch etwas Anspruchvolles zu tun gäbe."

Die Finanzverwaltung hat ihre gesamte Desktop-Landschaft auf den Terminal-Server-Betrieb umgestellt; eingebunden sind derzeit etwa 14000 Thin Clients und 3000 Alt-PCs. In der Folge zog sie alle Servicemitarbeiter an einem Ort zusammen, damit diese ihr Know-how austauschen, gemeinsam an Problemlösungen arbeiten und urlaubs- oder krankheitsbedingte Ausfälle leichter kompensieren können. Nach Einschätzung von Bloor Research müsste die Behörde innerhalb einer dezentralen PC-Architektur mindestens die drei-, wenn nicht vierfache Personalstärke vorhalten.

Parallelbetrieb erhöht die Kosten

Im Rahmen einer typischen Thin-Client-Installation lassen sich die IT-Kosten um 20 bis 30 Prozent verringern, so die Einschätzung der Marktforscher. In Einzelfällen seien sogar Einsparungen um mehr als 70 Prozent möglich. Wie der Autor der Studie, Chefanalyst Tony Lock, herausfand, können die Kosten aber auch steigen, vor allem dann, wenn die Terminal-Server längere Zeit gemeinsam mit Client-Server-Systemen im Einsatz seien. Der NBS beispielsweise lasse keinen Parallelbetrieb von PCs und Thin Clients zu - mit der Begründung, dass sonst die Vorteile des neuen Konzepts durch den hohen Supportaufwand für die PCs zunichte gemacht würden.

Darüber hinaus äußerten sich alle Befragten positiv hinsichtlich der gestiegenen Datensicherheit. Ohne Disketten- oder andere Speicherlaufwerke können die Thin Clients per se nicht für das Herunterladen sensibler Daten missbraucht werden. Zudem ermöglicht die Server-basierende Architektur es den Unternehmen, zum einen die Zugriffe auf ihre Informationen zu überwachen und zu dokumentieren, zum anderen Verfahren zu implementieren, mit denen sich Backups erstellen und Datensicherungsprozesse in Gang setzen lassen. Auf diese Weise ließen sich auch die den Datenschutz betreffenden gesetzlichen Vorgaben wesentlich einfacher erfüllen.

Wann es besonders lohnt

Aus den Anwendungsbeispielen leitete Bloor Research einige "Faktoren" ab, die den Thin-Client-Einsatz besonders erfolgversprechend aussehen lassen. So falle das Einsparungspotenzial umso höher aus, je geringer die "Mitarbeiterdichte" eines Unternehmens sei, also je mehr Filialen und Standorte das Unternehmen habe und je mehr Distanz dazwischen liege.

Eine andere Eigenart der Thin-Client-Architekturen zahle sich vor allem bei einer Fusionen oder Übernahme aus: Server-basierende Umgebungen sind naturgemäß flexibler als Client-Server-Systeme, weil sie sich zentral verwalten und ändern lassen. Damit sind, so die Studie, auch heterogene IT-Umgebungen leichter zusammenführbar. Zudem sei es mit Thin Clients einfacher, von einer IT-Infrastruktur auf eine andere zu wechseln.

Aus ähnlichen Gründen empfehlen sich Thin-Client-Installationen dann, wenn die Daten und Applikationen auf den Desktops häufig wechseln. Neue Desktops lassen sich in eine solche Infrastruktur problemlos einbinden. Und schließlich ist auch ein Mengenwachstum auf diese Weise leichter realisierbar. Kurz und knapp: Veränderungen des geschäftlichen Umfelds können in Server-basierenden Umgebungen mit vergleichsweise wenig Aufwand abgebildet werden.

Risikosenkend wirkt sich die Terminal-Server-Technologie aus, wenn ein Desktop-Ausfall mit hohen Kosten verbunden ist, beispielsweise an einem Check-in-Schalter oder Point of Sale (POS). Aber auch in anderen Einsatzbereichen lässt sich auf diese Weise die "Geschäftskontinuität" verbessern - zum Beispiel dadurch, dass die Mitarbeiter im Katastrophenfall von zu Hause arbeiten können. Geradezu ideal eignet sich eine solche Umgebung für Anwender, die sich dieselbe Hardware teilen oder für User, die von unterschiedlichen Stellen im Unternehmen auf Daten zugreifen müssen.

Darüber hinaus ging Bloor Research der Frage nach, wie die Anwender den Umstieg auf Thin Clients möglichst schmerzlos bewerkstelligen können. Eine Binsenweisheit, aber deshalb nicht weniger korrekt: Die Führungsebene muss das Vorhaben unterstützen. Beim National Blood Service beispielsweise gehörte das Management zu den ersten Thin-Client-Nutzern nach Abschluss der Pilotphase.

Außerdem muss die Unternehmenspolitik den Einsatz der abgespeckten Desktops unterstützten. PCs sollten nur noch aus triftigen Gründen genehmigt werden, schlägt der Autor der Studie vor. In diesem Zusammenhang sei es auch sinnvoll, wenn die IT-Kosten jeweils der Desktop-Technik entsprechend auf die Abteilungen umgelegt würden. Die Akzeptanz bei den Endanwendern lasse sich auch dadurch erhöhen, dass Thin-Client-Usern die Arbeit von zu Hause gestattet werde.

Möglichst schnell Vorzeigbares

Die Erfolgsaussichten des Terminal-Server-Projekts steigen, wenn die IT-Leitung selbst eine "Mainframe-Mentalität" unter Beweis stellt. Darunter versteht Bloor Research vor allem ein konsequentes Projekt- und Change-Management. Um möglichst schnell Ergebnisse vorzeigen zu können, empfehlen die Analysten, zunächst die kostenträchtigsten Arbeitsplätze und Anwendungen umzustellen, zum Beispiel weit entfernte Filialen und Applikationen, die auf einem PC sehr langsam laufen oder eine immense Netzbandbreite erfordern.

Neben all diesen Vorteilen hat Bloor Research ein paar kleine Nachteile der neuen Desktop-Topologie entdeckt. Zwar werde vieles, was zuvor der User-Support leisten musste, in einer Server-basierenden Umgebung überflüssig, oder die Anwender könnten es selbst erledigen. Doch seien IT-Spezialisten, die sich mit der neuen Architektur auskennen, spärlich gesät und deshalb relativ teuer. In einigen Fällen reiche auch die Netzverfügbarkeit nicht aus, so dass ein Aufbohren unabdingbar sei; auf der anderen Seite werde die Netzauslastung homogener und besser vorhersehbar.