Wann Offshore-Outsourcing lohnt

15.11.2004
Das Auslagern von Prozessen ins Ausland rechnet sich nur, wenn sich dadurch Einsparungen von mindestens 20 Prozent gegenüber dem Eigenbetrieb realisieren lassen.

Offshore-Outsourcing gilt als sinnvolles Instrument zur Kostensenkung. Allerdings wird oft unterschätzt, dass dabei auch hohe Kosten entstehen können, warnt Soreon Research, ein in der Schweiz ansässiges Marktforschungshaus, das sich auf IT-Analysen für den deutschsprachigen Raum konzentriert. Offshore-Aktivitäten erforderten weit mehr Planung und Risikoabschätzung als lokale Projekte - Vorarbeit, die Zeit und Geld koste. Da selbst ein schnell gescheitertes und dann sofort abgebrochenes Offshore-Projekt hohe Verluste verursachen könne, ist vor allem die Besetzung der Position des zuständigen Projekt-Managers enorm wichtig und auch teuer. Für die Anbieterauswahl fallen ebenfalls deutlich höhere Kosten an als im eigenen Land, so die Experten.

Hinzu kommen fortlaufende Zusatzausgaben - etwa für das eigene Projekt-Management, die Kontrolle des Outsourcing-Partners sowie für Geschäftsreisen und Telefonate zwischen Offshore- und Heimatland. Vor allem der Wissenstransfer stellt laut Soreon einen großen Kostenblock dar: Da die Offshore-Mitarbeiter in der Regel drei bis zwölf Monate beim Kunden vor Ort verbringen, um dessen Geschäfts- und IT-Prozesse kennen zu lernen, ergeben hohe Zusatzausgaben - etwa für Reisen und Unterbringung.

Zu bedenken geben die Experten zudem, dass selbst bei gründlicher Vorbereitung der Offshore-Aktivitäten projekt- und länderspezifische Restrisiken verbleiben. Vor allem bei der Auslagerung von Kernaufgaben - etwa der Softwareentwicklung - laufe der Kunde Gefahr, wichtige Kompetenzen an den Provider zu verlieren und dadurch in eine zunehmende Abhängigkeit von diesem zu geraten. Auch Imageverluste und Sicherheitsrisiken, die in vielen Offshore-Ländern unsichere Rechtslage, insbesondere die häufig fehlenden Möglichkeiten, gegen Vertragsbruch vorzugehen, könnten die durch das Auslagern ins Ausland erhofften Einsparungen schmälern und Projekte scheitern lassen.

Beratungsaufwand wächst

Im Hinblick auf die zusätzlich entstehenden Kosten und die trotz hohen Vorbereitungsaufwands verbleibenden Risiken muss Offshore-Outsourcing erhebliche Einsparungen erbringen, um rentabel zu sein. Laut Soreon rechnet sich ein Offshore-Projekt nur, wenn der Kunde mindestens 20 Prozent der Kosten einspart, die ihm durch den Eigenbetrieb entstehen würden. Bei welchen Unternehmensfunktionen diese Rentabilität zu erreichen ist, haben die Experten in einer auf den deutschen Markt zugeschnittenen Kosten-Nutzen-Analyse von Offshore-Outsourcing und Inhouse untersucht.

Gute Einsparmöglichkeiten bietet das Outsourcing von hochstandardisierten Prozessen im Personalbereich wie etwa die Gehalts- und Reisekostenabrechnung. In Niedriglohnländern sind unabhängig von der Unternehmensgröße Einsparpotenziale von 30 bis 40 Prozent möglich. Allerdings nach frühestens zwei Jahren, wenn sich die zu Beginn anfallenden Beratungs- und Migrationskosten, die bis zu 50 Prozent der gesamten Outsourcing-Ausgaben ausmachen können, weitgehend amortisiert haben.

Bei Transaktionsprozessen im Bereich Finanzen und Buchhaltung ist das Einsparpotenzial etwas geringer (durchschnittlich 20 Prozent), da hier der Standardisierungsgrad niedriger ist. Beispiele sind Schadensabwicklung sowie die Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung.

Variable Kosten

Auch das Auslagern der Software-Implementierung und -Integration bringt nennenswerte Einsparpotenziale. Neben den geringeren Lohnkosten fällt hier vor allem die Variabilisierung der Fixkosten ins Gewicht. Der Bedarf an Mitarbeitern in derartigen Projekten schwankt sehr stark, IT-Dienstleister können die jeweiligen Bedarfsspitzen mit preisgünstigen und qualifizierten Experten decken. Schon bei kleinen Projektvolumina kann das Auslagern solcher Vorhaben zu Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich führen. So stellten die Soreon-Experten bei ihrem auf drei Monate ausgelegten Modellprojekt eine Einsparquote von über 50 Prozent fest.

Bei den übrigen untersuchten Unternehmensfunktionen wirkt sich auch die Firmengröße auf das Einsparpotenzial aus. So können Unternehmen mit 750 bis 5000 Mitarbeitern bis zu 30 Prozent einsparen, wenn sie ihre Softwareentwicklung auslagern. Konzernen mit bis zu 30000 Angestellten bieten sich immerhin noch Kostenvorteile von durchschnittlich 20 Pro-zent. Neben den niedrigeren Lohnkosten im Offshore-Land wirken sich hier vor allem die Variabilisierung der Fixkosten sowie die bessere Auslastung positiv aufs Budget aus (Tagessätze werden nur gezahlt, wenn die Ressourcen tatsächlich gebraucht werden).

Offshore-Gehälter steigen

Ein weiterer Bereich, dessen Auslagerung ins Ausland für mittlere bis große Unternehmen Vorteile bringt, ist das IT-Infrastruktur-Management. Die Marktforscher von Soreon beziffern die durch Skaleneffekte und niedrigere Lohnkosten erzielten Einsparungen hier auf durchschnittlich 26 Prozent, bei Firmen mit bis zu 30 000 Mitarbeitern auf 20 Prozent. Das Testen neuer Applikationen durch einen Anbieter im Ausland lohnt sich vor allem für Firmen mit 750 bis 5000 Mitarbeitern. Sie können laut Studie auf bis zu 30 Prozent Einsparungen hoffen.

Das Offshore-Outsourcing von Helpdesks und Call-Centern rechnet sich dagegen in erster Linie für Großunternehmen ab 30 000 Mitarbeitern: Wird die Telefonzentrale für mehr als fünf Jahre in Offshore-Ländern betrieben, lassen sich die Kosten um 30 bis 40 Prozent reduzieren. Dieser Kostenvorteil schwindet allerdings, weil die Gehälter in den Billiglohnländern kontinuierlich steigen. Zudem werden die Einsparungen durch die hohen Kommunikationskosten geschmälert.

Zusammenfassend folgert Soreon, dass Offshore-Outsourcing bei einem mittelfristig ausgelegten Projekt mittleren Umfangs für Unternehmen mit 5000 bis 30000 Mitarbeitern die größten Vorteile bietet. Firmen dieser Größe können durch das Auslagern aller analysierten Prozesse Einsparungen erzielen. Fünf der untersuchten Prozesse schaffen dabei die 20-Prozent-Hürde, das heißt das Auslagern rechnet sich auch bei hohen Kosten und Risiken noch.

Eigene Skaleneffekte möglich

Auch Firmen mit 750 bis 5000 Angestellten profitieren vom Offshore-Outsourcing. Theoretisch können sie durch das Auslagern von sechs der untersuchten Unternehmensfunktionen mindestens 20 Prozent der Kosten einsparen. Im Call-Center- und Helpdesk-Bereich ergeben sich hier dagegen keine finanziellen Vorteile. Die Risiken halten sich in beiden Kategorien und bei allen Prozessen - mit Ausnahme der Softwareentwicklung - im Rahmen.

Für Unternehmen mit mehr als 30 000 Mitarbeitern rechnet sich Offshore-Outsourcing dagegen weniger, da sie im eigenen Hause genug Leute haben, um Skaleneffekte zu nutzen. Wie die Untersuchung zeigt, bieten nur vier Funktionen ein Einsparpotenzial von mehr als 20 Prozent. Und nur in zwei Bereichen - Transaktionsprozesse und Helpdesk - wird das Outsourcing-Risiko als noch vertretbar eingestuft.