Wandlung des Kosten-Verantwortlichen vom blutleeren Kontrolleur zum "Alter ego" des Org.- DV-Managers:IS-Controller wird Garant für offene Systeme

13.01.1989

Mit Jürgen Nielsen, Verlagsleiter und kaufmännischer Geschäftsführer des Hoffmann & Campe Verlags in Hamburg, sprach Wolf-Dietrich Lorenz.

*Controlling wie auch Informationsmanagement gelten als strategische Werkzeuge für den Unternehmenserfolg. Welche Wechselwirkungen zwischen Informationsmanagement und Controlling sind denkbar ?

Um es vorauszuschicken: Informationsmanagement ist ein Dienstleistungsbereich mit der Aufgabe, für die gesamte lnformationsversorgung im Hause zu sorgen. Das Controlling begleitet als neutrale Instanz die Arbeit des Informationssysteme-Managements, sozusagen als der Lotse mit Blick auf die Plausibilitäten der Planung.

Die Wechselwirkungen zwischen Controlling und Informationsmanagement können einerseits in Planung, Strategie und der Branchenbezogenheit eines Unternehmens, andererseits auch im Planungsprozeß selbst bestehen. Zukunftsgerichtet und planerisch operativ denken heißt für alle Geschäftsbereiche, sich an Unternehmensziele zu halten. Das trifft auch für den Informationssysteme-Bereich zu.

* Gibt der Lotse den Ton an, wenn es um die Konzeption einer computergestützten Informationsversorgung im Unternehmen geht?

Lotsen geben nie den Ton an. Informations-Controlling ist eine Stabsfunktion und nicht mit Befugnissen ausgestattet. Controlling vollzieht Checks über Planungen, ob sie in sich stimmig und logisch und auf die übergeordneten Ziele des Unternehmens ausgerichtet sind - eine Art Sicherheitsgarantie für das Management.

* Wenn keine Weisungsbefugnis besteht: Wodurch entstehen dann neuralgische

Punkte zwischen dem Controller und dem Org.-/DV-Manager

Lassen Sie sich gern in die Karten sehen? Informationssysteme-Managern geht es genauso. Planungen offenzulegen bereitet vielen Bereichsverantwortlichen noch große Schwierigkeiten. Dabei denkt der Controller nur jene Fragen vor, die die Geschäftsführung auch stellen würde. Er steht allerdings eine Stufe tiefer in der Hierarchie.

Zudem bestehen ohne Zweifel in fachlicher Hinsicht erhebliche Vorbehalte zwischen den beiden Dienstleistungsbereichen. Der Kaufmann befürchtet, daß für den Informationssysteme-Manager die technisch perfekte Lösung gegenüber dem wirtschaftlichen Denken überwiegt. Controller müssen genau das Umgekehrte im Auge haben.

* Künftig gilt es, erweiterten Nutzwert aus vorhandenen Informationen und Informationstechniken zu ziehen. Begreift der Controller diese neue unternehmerische Dimension?

Bei richtiger Interpretation der vielseitigen Nutzanwendungen durchaus - nur muß der Controller sie auch nachrechnen können. Das ist ja das Problem: Kosten, Wirtschaftlichkeit und Nutzen immer im Auge zu behalten.

* Verstellt kostenorientiertes Denken nicht den erlösorientierten Blick?

Da stimme ich Ihnen völlig zu. Die Erlösseite muß dabei ebenfalls im Auge behalten werden. Das Profit-Center-Denken soll im Vordergrund stehen. Der Org.-/DV-Bereich befindet sich jedoch bislang in einer Art Monopolfunktion. Insofern greifen bestimmte marktwirtschaftliche Instrumente nicht immer.

* Stehen dem Controller Methoden und Verfahren zur Verfügung, um für die EDV Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen anstellen zu können?

Ja. Der IS-Bereich verkauft seine Dienstleistungen mit einer ganzen Palette von Verrechnungsmöglichkeiten. Technische Lösungen müssen sich dabei wirtschaftlich vertreten lassen. Also kann und muß der Controller Gesprächspartner des Informationssysteme-Managers sein.

* Das Org.-/DV-Management trägt häufig schwer am Imageverlust bei Managernent und Fachabteilung. Ist dies beim Controller ähnlich?

Ja, doch hat Controlling in der Unternehmenshierarchie gemessen am Org.-/DV-Bereich meist einen höheren Stellenwert, betreut es doch häufig der oberste Finanzverantwortliche. Da der Produktionsfaktor Information zunehmend wichtiger wird, gelangt auch der Org.-/DV-Bereich in den nächsten fünf oder zehn Jahren in die Vòrstandsebene. Amerika sendet bereits Signale für diese Tendenz.

* Was kann dazu von seiten des IS-Managements geschehen?

Der EDV-Bereich wie auch die Geschäftsführung haben Information als wichtigen Produktionsfaktor neu zu bewerten. Er ist ein Gut, das bearbeitet und veredelt wird.

In diesem Rahmen ist auch der InformationssystemeController stark gefordert. Es gilt, DV-Insellösungen in den Unternehmungen durch vernetzte Informationssysteme zu ersetzen. Denn bisher trifft das Management Entschscheidungen mit einem stumpfen Werkzeug. IS-Controlling kann hier eine Schlüsselfunktion ausüben, wenn es ihm gelingt Weichen für die Integration zu stellen. Das bleibt für mich das A und O.

Wenn allerdings nicht von Anfang an sichergestellt wird, daß in Projektüberlegungen und in Phasenentwicklung auch die verschiedenen Fachbereiche mit einbezogen werden, ist das Scheitern vorprogrammiert. Der Controller sollte dem Team angehören, aber nicht die Projektleitung übernehmen, sondern den Fortgang der Projekte kritisch begleiten.

* Schnittstellen definieren können verlangt vom Kaufmann technisches Know-how. Die Controller-Ausbildung ist dafür nicht ausgelegt.

Wichtige Voraussetzung für den IS-Controller ist, sich mit den Trends der Hardware-Technologie vertraut gemacht zu haben. Auf der anderen Seite muß er auch von Bedeutung und Komplexität der Software Kenntnis haben. Es ist sicher ein Vorteil, wenn er sich mit dem Thema Informatik bereits im Studium befaßt hat.

* Wie steht es mit Spezialanforderungen, beispielsweise die Entscheidung über einen Einsatz von Standardsoftware oder Individualsoftware zu treffen?

Er muß sie beurteilen können. Vor- und Nachteile kennen ...

*... also auch das technische Detail?

Wenn ihm dieses Wissen fehlt, würde ich ihn nicht für qualifiziert genug halten, ein entsprechender Gesprächspartner des Informations-systeme-Bereichs zu sein. Zum Beispiel: Die Tendenz, sich an einen großen Hersteller zu binden, trifft besonders auf den Bereich der Informationssysteme zu. Diese Abhängigkeit versperrt oftmals den Blick für Veränderungen auf dem Markt. Hier kann der Controller ein entscheidendes Wort mitreden.

* Der Informationssysteme-Controller stellt auch strategische Überlegungen an, um dem Unternehmen zum Thema "Hersteller" sozusagen die Zukunft offenzuhalten?

So ist es. Die Entscheidung muß dann "von ganz oben" getroffen werden, läßt sich nicht delegieren und bindet von Anfang an den Informationssystemebereich mit ein. Bedenken Sie dabei etwa den Aspekt Europäischer Binnenmarkt". Unsere Märkte werden enger, viele Häuser müssen sich deshalb heute bereits auf den Wettbewerb, der von außen hereingetragen werden wird, einstellen. Ab 1992 können Sie doch das nationale Denken, gerade was die Informationsversorgung betrifft, vergessen! Gleichzeitig muß das Wissen über die je Land unterschiedliche Entwicklung der Technik, etwa zum Stichwort ISDN-Systeme, weiterhin vorhanden sein.

* Zumindest ab 1992 wird ein Controlling der Informationssysteme also lebensnotwendig?

Um vernünftige Instrumente zu implementieren, ist zunächst das Bewußtsein für Informationsmanagement zu schaffen. Leider vermitteln gerade Unternehmen der mittleren Größenordnung einen rückständigen Eindruck. Zu der Sorge, mit welchen Produkten, Werbestrategien und Vertriebskanälen man in die Märkte hineingehen will, sollte die Überlegung treten, mit welcher Informationstechnik dies geschehen wird.

* Anwendungsstaus lösen sich aber nicht so schnell auf!

Eben. Der Ausweg des EDV-Managers aus diesem Konflikt mit der Tagesarbeit ist deshalb eine sehr stark persönlich geprägte Aufgabe. Er muß den Kopf frei haben, um Konzepte entwickeln zu können. Er darf sich nicht mehr mit Kleinkram auseinandersetzen. Im Grunde genommen hat er die Führungsaufgabe zu übernehmen, um zukunftsgerichtet Informationssysteme zu etablieren.

Dabei kann ihm natürlich in mannigfacher Hinsicht der Controller helfen. Er wird, wenn er es richtig angeht, der "alter ego" des Informationssysteme-Managers sein. Allerdings können Sie ihn handverlesen suchen.

* Wer hat in Zukunft die besseren Karten: Informationssysteme-Controlling oder Org.-/DV-Management?

Vereint gewinnen beide das Spiel. Sie können das informations-technische Rad nicht mehr zurückdrehen. Für den Informationsbedarf der Unternehmen gibt es durchaus Höhen und Tiefen. Es besteht nicht immer eine lineare Abhängigkeit zur Entwicklung eines Unternehmens. Wenn Rechner-Überkapazitäten bestehen, kommt der Informationssysteme-Manager in Kostendruck.

Die wirtschaftliche Betrachtung des Informationssysteme-IS-Controllers bietet zur Frage, ob die DV-Leistungen dem jeweiligen Informationsbedarf entsprechen, Hilfe. Es geht darum, rechtzeitig Über- oder Unterkapazitäten zu erkennen sowie über leistungsgerechte Preisstellung und Deckungsbeiträge zu sprechen. Warum nicht beispielsweise Rechnervolumen extern anbieten und vom Anwender zum Rechenzentrums-Dienstleister wachsen?

Nicht der blutleere Kontrolleur ist dafür gefragt, wie er es oftmals noch ist, der Mann, der nur Zahlen abhakt. Seine konstruktive Arbeit fängt an, wenn er aus Daten heraus Vorschläge entwickelt, den Org.-/DV-Leiter entlastet und ihm Wege aufzeigt, wie festgelegte Pläne doch noch - oder wieder - zu erreichen sind.

Teamwork bei Informations-Controlling

In den Chefetagen deutscher Unternehmen ist es zum Thema geworden:

Der Unternehmenserfolg hängt künftig besonders vom Teamwork des Informationsmanagements und Controllings ab. Erfahrungen aus der Praxis und gemeinsame Strategien stellt das "lDG-CSE-Forum 1989: Informations-Controlling

- Synergien zwischen Informationsmanagement und Controlling" am 23. und 24. Februar 1989 in München vor.

Informationen: IDG-CSE, IDG Communications

Verlag AG, Conferences, Seminars,Education (ehemals CW CSE-Seminare), Rheinstraße 28, 8000 München 40, Telefon 0 89/ 3 60 86 - 1 66 oder - 1 69, Frau Susan Gotwalt.