Schluß mit der Magnetfeld-Hysterie: Unbemerkt kann man Magnetspeicher-Inhalte kaum vernichten

Von Daten drohen im Alltagsleben kaum Gefahren

16.04.1976

MÜNCHEN - Wer kennt sie nicht, die immer wieder gern kolportierten Grusicals von bösen Datenfeinden, die unbemerkt per Hufeisenmagnet kostbare Datenbanken ausradierten? Unter all dies Geraune hat nun die amerikanische Normenbehörde (National Bureau of Standards) nach eingehenden Tests der Widerstandsfähigkeit magnetisch codierter Daten einen Schlußstrich gezogen: Ihr Befund: Abgesehen vom korrekten Löschen im Bandgerät muß man den Datenträger schon selber - und mithin sichtbar - vernichten, will man Information löschen. Heimlicher Datenmord ist kaum denkbar, und auch im täglichen Leben sind magnetgebundene Daten sicherer, als oft befürchtet wurde.

Sidney B. Geller, Experte des Normenbüros für Medien, beschreibt in "Datmation" (März 1976), welchen Tests er Magnetbänder und magnetisch codierte Plastikkärtchen im einzelnen unterzog. Die Resultate lassen sich auf alle mit Ferritoxid arbeitenden Magnetspeicher wie Magnetkassetten und -platten übertragen.

Magnetfelder stören kaum

Zwar sind Magnetfelder theoretisch durchaus geeignet, unbemerkt Information zu zerstören, doch in der Praxis ist diese Gefahr recht gering. Ein starker Permanent-Hufeisenmagnet mit rund 18 Kilopond Anziehungskraft mußte schon in direkten Kontakt mit

der äußersten Bandschicht einer Magnetspule gebracht werden, um dort die Signalstärke um 80 Prozent zu reduzieren. Nur einige Lagen tiefer aber, abgewickelt entsprach das einer Bandlänge von 107 Metern, unterschritt der Signalverlust bereits den kritischen Wert von 50 Prozent, ab dem die codierte Information erfahrungsgemäß noch wiedergegeben werden kann.

Hielt man den Magneten 2,5 cm entfernt an die Spule, trat überhaupt kein Datenverlust, also keine Signalminderung größer als 50 Prozent mehr ein. Noch sicherer ist das Band natürlich in einer Kassette aus Eisenblech oder einem anderen ferromagnetischen Material, das das Magnetfeld quasi "kurzschließt" und das Band abschirmt. Nur vor einem ist zu warnen: Magneten in direktem Kontakt mit der Flanke einer Spule können weite Teile der Information ausradieren. Dabei kommt es im übrigen nur auf die Stärke des Magneten, nie aber auf seine Einwirkungsdauer an.

Gefährlicher als Permanentmagneten sind die weitaus stärkeren Elektromagneten. Doch auch wenn ein "Datenmörder" einen superstarken Schrotthebe-Magneten etwa in einem Lieferwagen versteckt bis zu 40 cm an Magnetbänder heranbringen könnte, bestünde für die Information, wie ein Versuch zeigte, noch keine Gefahr. Und Trafos, Elektromotoren und ähnliche Starkstromgeräte stellen für Magnetbänder dann kein Risiko dar, wenn sie entweder voll stahlgekapselt sind oder ihr Gehäuse mindestens fünf bis acht Zentimeter Distanz zwischen Band und fremde Magnetpole legt.

Keine Sorge am Flughafen

Geller erprobte bei seinen Magnetfeldstudien auch eine grenze Reihe der typischen Waffen-Detektoren auf Flugplätzen. Die maximale Feldstärke stationärer Geräte reichte nirgends aus Daten zu zerstören, und der Trend bei diesen Detektoren geht künftig eher zu noch schwächeren Magnetfeldern. Völlig ungefährlich waren erst die kleinen Hand-Detektoren.

Extreme Hitze und Kälte

Hitze wie Kälte schaden weniger der einmagnetisierten Information als dem Kassetten- und Bandmaterial selber. Die Hitzegrenze liegt bei etwa 90 Grad Celsius. Die theoretische Hitzegrenze für die magnetische Stabilität liegt bei Eisenoxidmaterial mit 675 Grad weit darüber und auch bei Chromdioxidbändern immer noch bei 135 Grad.

Einen Tag lang Temperaturen um die minus 50 Grad ausgesetzt, wurden Magnetbänder erst wieder "lesbar", nachdem man sie sorgsam getrocknet und langsam ab- und wieder aufgespult hatte. Lagen solche Bänder lange im Eis, sollte man diese Prozedur bei langsam steigenden Temperaturen über Tage hinweg mehrfach wiederholen.

* Egon Schmidt ist freier Wissenschaftsjournalist.