Die DeTeCSM will sich als IT-Dienstleister profilieren

Vom Staatsbetrieb zum "Telematik"-Haus

13.10.2000
BIELEFELD (kk) - Die Telekom-Tochter DeTeCSM wird nach der vom Kartellamt genehmigten Übernahme des Debis Systemhauses in Zukunft als "T-Systems" agieren.

Schon architektonisch bilden die Rechenzentren der Deutschen Telekom Computer Service Management GmbH (DeTeCSM) einen Leckerbissen: Fünf der sechs Service- und Computerzentren (SCZ) in Kiel, Krefeld, Bamberg, Göppingen und Bielefeld sind äußerlich baugleich, wenn man davon absieht, dass das Bielefelder Gebäude spiegelverkehrt angeordnet ist. Die vom Münchner Architekturbüro Mann & Partner geplanten Hightech-Bauten wurden 1995 ihrer Bestimmung übergeben. Spektakulär war damals der Rollout: Das ebenfalls in München ansässige Ingenieurbüro IBB stellte die fünf SCZs im Zweimonatsrhythmus fertig.

Alle Bauten teilen sich in zwei Bereiche auf: den Verwaltungstrakt und das eigentliche Rechenzentrum. Letzteres ist besonders gesichert, Zutritt erhält man nur einzeln und mit spezieller ID-Karte, die wiederum nur bestimmte Segmente des Hauses freigibt. Dazu kommen im Boden verankerte Rammpfosten, die bei Bedarf hochschnellen und den Weg blockieren. Sie sollen den Einbruch per Fahrzeug von der Laderampe aus verhindern. Wie wirkungsvoll solche Stempen sind, hat kürzlich Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping in New York schmerzlich zu spüren bekommen. Gegen Stromausfall ist die Anlage unter anderem mit einem Diesel-Schiffsaggregat gesichert. Alle Rechenzentren der DeTeCSM erfüllen die Sicherheitsanforderungen nach ISO 9001.

Bis vor einem Jahr war die DeTeCSM hauptsächlich mit der Abwicklung der Telekom-Informationstechnik beschäftigt. 1999 setzte das Unternehmen knapp 1,2 Milliarden Mark um und erwirtschaftete 131 Millionen Mark Gewinn. Mittlerweile hat sich die Telekom-Tochter als unabhängiger IT-Dienstleister etabliert und setzt dabei vor allem auf die traditionellen Stärken im Bereich Tele- und Datenkommunikation. Mit der Mehrheitsbeteiligung am Debis Systemhaus erhält die Telekom-Tochter jetzt Zugang zu den nationalen und internationalen Kunden der Stuttgarter. Damit könnte DeTeCSM auch das Behörden-Image los werden, denn immer noch erzielt das Unternehmen rund 90 Prozent seines Umsatzes mit dem Mutterkonzern.

Angeboten werden neben dem klassischen Outsourcing auch der Betrieb von Benutzerservices - etwa der Helpdesk, der für die Lufthansa Systems eingerichtet wurde -, Call-Center oder Internet-Dienstleistungen. So erhielt die Victoria Versicherung eine Intranet-Extranet-Lösung, die das Systemhaus auch betreibt und wartet.

Einer der ersten Kunden war die Bundesanstalt für Arbeit (BfA), für die der Rollout und die Konfiguration von 83000 PCs, 1200 Servern und 21000 Druckern übernommen wurde. Stolz sind die Verantwortlichen der DeTeCSM, dass die Aktion immer an den Wochenenden ohne Störung des Tagesgeschäfts über die Bühne ging. 181 Arbeitsämter erhielten die neuen Systeme. Dazu konfigurierten die DeTeCSM-Mitarbeiter über einen Zeitraum von zwölf Monaten hinweg wöchentlich 3000 PCs und 35 NT-Server. Für das Aufspielen neuer Programme oder Updates richtete die Telekom-Tochter eine "Softwaretankstelle" ein, die gleichzeitig 300 PCs bedient.

Der Standort Bielefeld betreut unter anderem rund 600 RS/6000-Rechner und 24 RS/6000-SP2-Cluster. 19 dieser SP2-Rechnerverbünde stehen im "SCZ Mitte", wie der Bielefelder Knoten intern genannt wird. Hochverfügbarkeit wird gewährleistet durch den redundanten Aufbau der Cluster in zwei verschiedenen Brandabschnitten sowie durch die Ausstattung mit IBMs Software "HACMP" (High Available Cluster Management Program) und Standby-Knoten, die bei Bedarf den Betrieb übernehmen.

Frank Tiekötter, Systembetreuer für das AIX-System-Management, erklärt die Entscheidung zugunsten der SP2-Lösung damit, dass die Verwaltung der Rechnerverbünde sehr einfach zu handhaben ist: "Das Einspielen etwa von Patches erfolgt zentral über die Control-Workstation". Als Speichermedium nutzen die Bielefelder vor allem "SSA"-Platten (SSA = Serial Storage Architecture), ebenfalls von IBM. Auch dabei achtet man auf Sicherheit und spiegelt die Daten in der zweiten Brandschutzzone.

Anfang 1999 entschied sich die Telekom, eine einheitliche "prozessorientierte" System-Management-Umgebung (EPMF) für die Verwaltung ihre 135000 PCs und 2800 Unix-Systeme aufzubauen. Damit sollte der Wildwuchs der Management-Lösungen beschnitten und eine einheitliche Umgebung geschaffen werden. Das Rennen machte Tivoli Enterprise mit diversen Anwendungen wie Inventory oder Softwaredistribution. Dazu wurde an jedem Standort eine RS/6000-SP-Maschine angeschafft. In Bielefeld sind dafür fünf Cluster reserviert, denn dort erfolgt die zentrale Steuerung für das Gesamtsystem. In diesen Tagen übergibt IBM die hundertste RS/6000 SP in Darmstadt, dem Hauptsitz der DeTeCSM.

Eine andere wichtige Anwendung im SCZ Mitte ist die Abwicklung der Telefonauskunft der Telekom. Das System läuft auf vier Clustern mit insgesamt 56 IBM-Rechnern, die ebenfalls katastrophensicher in zwei Brandabschnitten untergebracht sind. Für den reibungslosen Betrieb soll das Kontrollzentrum (Operating) sorgen, das alle Systeme rund um die Uhr überwacht. Die Mitarbeiter dort erhalten die Statusanzeigen entweder auf ihren Monitor gespielt und können dann sofort eingreifen, oder sie verfolgen sie auf der zentralen Anzeigetafel. Uwe Pönninghaus, Gruppenleiter im Operating, weist auf einen weiteren Vorteil der SP-Cluster: "Durch die damit erfolgte Konsolidierung konnten wir seit 1995 erheblich an Überwachungspersonal einsparen." Damit erklärt sich, wieso die Kommandozentrale nur zur Hälfte besetzt ist. Die überflüssig gewordenen Plätze nutzen die Bielefelder jetzt für interne Schulungen.

Ein weiteres Mammutprojekt, das sich über zwei Jahre erstreckte, wurde kürzlich abgeschlossen: "Saphir". Dahinter verbirgt sich die Einführung von SAP R/3 HR im Personal-Management der Deutschen Telekom. "Ziel war es, die 220 dezentralen alten Systeme ("Daspo") durch eine einheitliche Lösung zu ersetzen", erklärt Frank Rubbenstroth das Projekt. Die Software soll in Zukunft nicht nur die Personalverwaltung der rund 175000 Telekom-Mitarbeiter übernehmen, sondern auch die Aufbauorganisation, die Stellen- und Zeitwirtschaft sowie die Reisekostenabwicklung. Dem Management wird zusätzlich ein "Entscheider-Informationssystem" (EIS) mit Zugriff auf eine multidimensionale Datenbank in die Hand gegeben. Schließlich enthält Saphir Schnittstellen zur Finanzbuchhaltung, Bezügerechnung und anderen Bereichen. Für den Benutzer bedeutet Saphir, dass er mittels Smartcards und persönlicher Identifikationsnummer (PIN) Zugang zu seinem PC-Arbeitsplatz erhält. Das schließt auch die R/3-Anwender ein, die weder Benutzer-ID noch ein Passwort für die Anmeldung im SAP-System benötigen. Die nach SAP-Angaben größte Installation einer R/3-HR-Anwendung läuft auf IBM-Mainframes mit DB2-Datenbank und RS/6000 SP als Applikations-Server.

Für die Zukunft gibt sich die DeTeCSM gerüstet: Nicht zuletzt die Übernahme des Debis Systemhauses beflügelt die Entwicklung zum globalen IT-Dienstleister. Der von Telekom-Chef Ron Sommer identifizierte Wachstumsmarkt "Telematik", soll mit maßgeschneiderten Dienstleistungen für Netzbetrieb und Informationstechnik bedient werden. Kooperationen, etwa mit Unisys für den internationalen Service von Desktop-Systemen, sollen das Produktspektrum erweitern. Zudem, so die Verantwortlichen, könne man für Produkt- und Servicekampagnen die Vertriebswege der Konzernmutter nutzen.

Debis-DealDas Bundeskartellamt hat Ende September die Mehrheitsbeteiligung (50,1 Prozent) der Deutschen Telekom AG am Debis Systemhaus ohne Einschränkungen genehmigt. Damit entsteht Europas zweitgrößtes Systemhaus mit etwa 40000 Mitarbeitern und einem Gesamtumsatz von rund 20 Milliarden Mark. Das Dienstleistungsunternehmen, das demnächst als "T-Systems" firmieren soll, wird vom ehemaligen Debis-Chef Karl-Heinz Achinger geleitet.