"Viele Mitarbeiter sind unzufrieden"

05.06.2008
Durch zahlreiche Zukäufe ist der IT-Dienstleister Logica in den letzten Jahren rasant gewachsen. An den deutschen Standorten wächst die Kritik an dieser Strategie.

Ende Februar 2008 wurde der britisch-niederländische IT-Dienstleister Logica CMG in Logica umbenannt. Der neue Name soll die Integration der zahlreichen Zukäufe unter einer Dachmarke symbolisieren. Die entsprechende Vereinheitlichung von Strukturen, Prozessen und Geschäftsmodellen hat CEO Andy Green zu einer seiner wichtigsten Aufgaben erklärt.

Eine weitere Säule der neuen Strategie ist die Forcierung des Outsourcing-Geschäfts, auf das in zwei Jahren 35 Prozent des Gesamtumsatzes von Logica entfallen sollen. Auch die Offshore- und Nearshore-Kapazitäten sollen stark ausgebaut werden. Derzeit beschäftigt Logica 3150 Leute in Niedriglohnländern (2500 in Indien, je 200 auf den Philippinen und in Malaysia sowie 250 in Marokko). Bis Ende nächsten Jahres sollen es doppelt so viele sein.

Wachstumsmotor Outsourcing

"Deutschland ist in Sachen Offshore ein Nachzügler. Aber gerade deshalb ist das Wachstumspotenzial auch besonders groß", frohlockt Torsten Straß, CEO von Logica in Deutschland. Als Erfolgsgarant gilt dabei die Local-Hub-Strategie seines Unternehmens: Von 26 lokalen Standorten betreuen Logica-Mitarbeiter die Anwender vor Ort, während die Backend-Leistungen offshore erbracht werden. Auf diese Weise will der IT-Dienstleister Kommunikationsprobleme durch sprachliche und kulturelle Unterschiede vermeiden. "Wir haben dadurch einen enormen Vorteil - vor allem gegenüber den indischen Wettbewerbern", so Straß. Hinzu komme die Flexibilität des Onsite-Offsite-Modells: "Die Kunden lagern nicht gleich alles aus, sondern fahren ihren Offshore-Anteil langsam hoch und können auf diese Weise ein fundiertes Risiko-Management betreiben."

Doch offenbar hat das Unternehmen dieses Modell noch nicht richtig in die Praxis überführt. Insbesondere die interne Organisation weise Mängel auf, kritisiert ein ehemaliger Mitarbeiter gegenüber der computerwoche. So habe es die Geschäftsleitung versäumt, die Offshore-Strategie mit den Zielen der lokalen Team-Manager in Einklang zu bringen. Aufgaben würden in Billiglohnländer verlagert, und wenn etwas schiefgehe, müssten es die Europäer ausbaden - oft ohne dafür das nötige Budget zu haben. "Die Manager vor Ort haben den Ärger, wenn in Indien etwas nicht funktioniert. Warum also sollten sie das Offshore-Thema bei ihren Kunden pushen?", so ein anderer Ex-Logica-Mann.

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  • wie stark Logica in den letzten Jahren gewachsen ist;

  • dass das Geschäft speziell in Deutschland gut läuft;

  • warum das Unternehmen die Fluktuation trotzdem nicht in den Griff bekommt.

Deutschland-Geschäft floriert

Die internen Widerstände sind auch deshalb groß, weil die Senkung der Personalkosten nach wie vor auf der Agenda steht. Vor allem im größten Markt Großbritannien ist, so Deutschland-Chef Straß, mit weiteren Stellenstreichungen zu rechnen. Hierzulande sei die Restrukturierung dagegen weitgehend abgeschlossen. Während die Briten im vergangenen Jahr Einbußen erlitten, war für Logica Deutschland 2007 das erfolgreichste Jahr in der Firmengeschichte. Nach jahrelangen Verlusten schaffte das Unternehmen den Turnaround, der Umsatz kletterte um neun Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 262 Millionen Euro. Damit liegt Logica Deutschland im Lünendonk-Ranking für Systemintegration und Beratung auf Platz sechs. Im ersten Quartal 2008 betrug das Wachstum sogar elf Prozent. "Wir haben 2007 rund 500 neue Leute eingestellt, die meisten davon im Schlussquartal. Das hat sich positiv auf die ersten Monate des neuen Jahres ausgewirkt", erläutert Straß. Allerdings gehe er nicht davon aus, dieses Wachstumsniveau im Gesamtjahr halten zu können.

Wachstum durch Zukäufe

Der IT-Dienstleister Logica entstand im Dezember 2002 aus der Fusion der britischen Logica und der niederländischen CMG. Ende 2005 übernahm das Unternehmen die französische Unilog-Gruppe, die zuvor das in Deutschland aktive Beratungshaus Avinci gekauft hatte, und erweiterte damit auch hierzulande sein Geschäft. Mit der Übernahme des schwedischen Konkurrenten WM-Data vor zwei Jahren stieg Logica CMG zum siebtgrößten IT-Serviceanbieter Europas auf. In drei Jahren will es das Unternehmen in die globalen Top Ten schaffen. Derzeit liegt Logica weltweit auf Platz 19.

Hohe Fluktuation

Für 2008 plant Straß ähnlich viele Neueinstellungen wie im letzten Jahr. Dabei dürfte allerdings nicht nur der Wachstumskurs, sondern auch die hohe Fluktuation eine Rolle spielen. Vor einem Jahr hatten zahlreiche Berater den Standort Düsseldorf verlassen, um ein eigenes Unternehmen zu gründen und Logica Konkurrenz zu machen. Insgesamt sollen 2007 rund 600 Mitarbeiter dem IT-Dienstleister den Rücken gekehrt haben - eine Zahl, die das Management allerdings nicht bestätigt hat. Anfang dieses Jahres kündigten dann auf einen Schlag 70 Mitarbeiter der Niederlassung in Ludwigshafen. Das sind mehr als 90 Prozent der Belegschaft vor Ort. Und auch in Frankfurt gibt es anonymen Quellen zufolge erste Auflösungstendenzen.

Hintergrund dieser Entwicklung sind vor allem die zahlreichen Zukäufe, aus denen das Unternehmen in den letzten Jahren zusammengewürfelt wurde. Die Übernahme von Avinci durch den französischen IT-Dienstleister Unilog vor drei Jahren verlief zwar im Großen und Ganzen erfolgreich. Ehemalige Avinci-Mitarbeiter behaupten jedoch, dass der Qualitätsanspruch bereits damals gesunken sei. Mit dem Kauf von Unilog durch Logica habe sich die Stimmung dann richtig verschlechtert.

Kritiker werfen dem Management in Großbritannien konkrete Fehler vor: Es habe der deutschen Niederlassung nicht genug Zeit gelassen, sich auf die übernahmebedingten Veränderungen einzustellen, und habe zu schnell und zu heftig steuernd eingegriffen, ohne regionale Gegebenheiten zu berücksichtigen. Dabei seien die Wachstumsziele nach oben geschraubt und gleichzeitig die Budgets gekürzt worden. Inzwischen konzentriere sich die Geschäftsleitung nur noch darauf, möglichst viele große Aufträge an Land zu ziehen. Auf Kreativität und Innovation komme es nicht mehr an. Die Qualität sowie die über viele Jahre hinweg gewachsene Kultur einer Zusammenarbeit über alle Hierarchiestufen hinweg seien dabei auf der Strecke geblieben.

Straß hält solche Vorwürfe für völlig abwegig: "Das Thema Kreativität steht bei uns in vielen Bereichen im Mittelpunkt." Darauf lege er als Avinci-Mitbegründer besonderen Wert. "Natürlich haben die Wachstumspolitik und die Integration der verschiedenen Zukäufe Spuren hinterlassen", räumt der Deutschland-Chef ein. "Aber die Zufriedenheit der Mitarbeiter ist 2007 gegenüber dem Vorjahr gestiegen, das belegen Umfragen." Bei Logica sei das unternehmerische Denken stark ausgeprägt, und so komme es immer wieder vor, dass sich Mitarbeiter selbständig machten. "Doch wir nehmen die Vorfälle in Ludwigshafen sehr ernst und haben alle Berater nach ihren Kündigungsgründen befragt. Und immerhin konnten wir ein paar überreden, zu bleiben." Grundsätzlich bemüht sich Logica jetzt, die Mitarbeiter stärker an sich zu binden - etwa durch flexible Arbeitszeiten, Sabbaticals und einen Familienservice. "Wir zeigen unseren Leuten regelmäßig Perspektiven auf - auch auf internationaler Ebene - und bieten ihnen die nötigen Freiräume, um sich in Arbeitsgruppen austauschen zu können", beschreibt Straß. "Solche Maßnahmen haben bei uns einen hohen Stellenwert. Schließlich ist es nach wie vor schwer, qualifizierte Fachkräfte zu finden."

Energie und Qualität

Neben dem Ausbau des Outsourcing-Geschäfts will sich Logica verstärkt auf weitere Wachstumsbereiche konzentrieren. Dazu zählen etwa Energiesparkonzepte, der elektronische Zahlungsverkehr sowie Qualitäts-Management im Kundenauftrag. Vor allem im Telecom-Sektor sind solche Services gefragt, erläutert Straß. Angesichts des Wettbewerbsdrucks seien die Anbieter gezwungen, ihre Produkte schnell auf den Markt zu bringen. Managed-Testing-Dienste unterstützten sie dabei, dies ohne Qualitätseinbußen zu erreichen. Zudem biete dieser Bereich viele Automatisierungsmöglichkeiten, mit denen sich die Effektivität steigern lasse. "Und das können wir wieder an unsere Kunden weitergeben."