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Viele Herausforderungen für Elon Musk bei Twitter

31.10.2022
Von Redaktion Computerwoche
Dass Tesla-Chef Elon Musk nach seiner abenteuerlichen Twitter-Übernahme Personal abbauen würde, schien ausgemacht. Medienberichten zufolge hat er bereits angefangen.
Wer darf auf Twitter publishen? Elon Musk will einen Beirat einsetzen, der entscheiden soll, wo freie Meinungsäußerung endet und Hassrede beginnt.
Wer darf auf Twitter publishen? Elon Musk will einen Beirat einsetzen, der entscheiden soll, wo freie Meinungsäußerung endet und Hassrede beginnt.
Foto: Sergei Elagin - shutterstock.com

Wie die New York Times (NYT) berichtet, hat Elon Musk nach seiner am vergangenen Donnerstag (27. Oktober 2022) abgeschlossenen, 44 Milliarden Dollar teuren Übernahme von Twitter damit begonnen, Beschäftigte zu entlassen. Das Medium bezieht sich auf "Personen, die mit der Angelegenheit vertraut sind".

Musk habe Personalabbau im gesamten Unternehmen angeordnet, wobei einige Teams stärker als andere beschnitten werden sollen, sagten drei Personen gegenüber der NYT, die aus Angst vor Konsequenzen nicht genannt werden wollten. Wie weit die Personaldecke ausgedünnt werden soll, ist noch unklar. Twitter beschäftigt rund 7.500 Mitarbeiter. Die NYT zitiert Ross Gerber, Geschäftsführer von Gerber Kawasaki Wealth and Investment Management. Ihm sei von Jared Birchall, dem Leiter von Musks Family Office, mitgeteilt worden, dass "etwa 50 Prozent der Mitarbeiter gehen müssen".

Twitter-Spitze abberufen

Zuvor hatte Musk bereits - als erste Amtshandlung - den Twitter-CEO Parag Agrawal gefeuert, ebenso Finanzchef Ned Segal und die Leiterin der Abteilung für Rechtsangelegenheiten und Politik, Vijaya Gadde. Den Managern warf er vor, die Twitter-Investoren und ihn selbst mit falschen Zahlen über Fake-Konten auf der Plattform in die Irre geführt zu haben.

Tatsächlich hat sich der Verfechter "freier Rede" aber auch über die vielen Kontensperrungen geärgert, die auf das Ex-Führungstrio zurückgehen. Außerdem hatte ihm der Vorstand mit der altbewehrten Verhinderungsstrategie einer Poison Pill beim Versuch der Übernahme Steine in den Weg gelegt. Diese Giftpille sah vor, dass andere Aktionäre zusätzliche Anteile mit einem kräftigen Rabatt erwerben können, sobald eine Person oder Gruppe ohne Zustimmung des Vorstands 15 Prozent oder mehr der ausstehenden Twitter-Stammaktien kaufen will.

Es gilt als wahrscheinlich, dass sich Musk als nächstes mit den Ex-Vorständen über die fälligen Abfindungen streiten wird. Eigentlich sollten die Führungskräfte gemäß der Fusionsvereinbarung eine Entschädigung von 20 bis 60 Millionen Dollar erhalten, wenn sie entlassen würden. Musk hat den Rauswurf nun aber nach eigener Darstellung aus einem "besonderen Anlass" vollzogen, weshalb Beobachter glauben, der Tesla-Chef dem Trio Verfehlungen nachweisen wolle, um die Abfindungszahlungen zu umgehen.

Gratwanderung für Elon Musk

"Modern Mindset"Reuters berichtet, soll Musk kurz nach Bekanntgabe der Übernahme bereits mit Bitten und Forderungen von Inhabern gesperrter Accounts, aber auch von Politikern überschwemmt worden sein. In einem offenen Brief an Werbekunden schrieb Musk am Donnerstag, er müsse sein Versprechen einhalten, die Meinungsfreiheit wiederherzustellen, dabei aber verhindern, dass die Plattform zu einer "Höllenlandschaft" mutiere.

Wie gefährlich dieser Spagat für ihn werden könnte, zeigte eine erste Reaktion von General Motors: Das Unternehmen kündigte an, vorerst keine Werbung mehr auf Twitter zu schalten und abzuwarten, wie sich das Netzwerk weiterentwickeln werde. Man wolle sich aber wie bisher via Twitter um die Kunden kümmern und Kontakt halten. GM dürfte dabei auch im Blick haben, dass Twitter nun von den selben Händen gesteuert wird wie der Erzrivale Tesla.

Er will an seinem eigenen Social Network Truth Social festhalten. Dennoch begrüßt der ehemalige US-Präsident Donald Trump, dass Twitter nun in "vernünftigen Händen" sei.
Er will an seinem eigenen Social Network Truth Social festhalten. Dennoch begrüßt der ehemalige US-Präsident Donald Trump, dass Twitter nun in "vernünftigen Händen" sei.
Foto: Rokas Tenys - shutterstock.com

Zu den Freunden von Musk, der sich selbst als "Freie-Rede-Absolutisten" bezeichnet hat, gehört der ehemalige US-Präsident Donald Trump. Er war wegen des Vorwurfs der Anstiftung zur Gewalt nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 dauerhaft von Twitter verbannt worden. Trump, der daraufhin seine eigenes Social Network Truth Social gegründet hat, kündigte bislang nicht an, wieder auf Twitter zu posten, begrüßte aber die Übernahme. "Ich bin sehr froh, dass Twitter jetzt in vernünftigen Händen ist und nicht mehr von linksradikalen Spinnern und Verrückten betrieben wird, die unser Land wirklich hassen." Auf Truth Social will Trump in jedem Fall weiter veröffentlichen.

Dmitri Medwedew wünscht Musk viel Glück

Ein weiterer Sympathisant von Elon Musk sitzt in Moskau: Dmitri Medwedew, ehemaliger russischer Präsident und derzeit stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates, twitterte seine Glückwünsche: "Viel Glück @elonmusk bei der Überwindung politischer Voreingenommenheit und ideologischer Diktatur auf Twitter. Und lassen Sie die Sache mit Starlink in der Ukraine sein." Auch Margarita Simonyan, Chefredakteurin des staatlich kontrollierten russischen Senders RT, forderte Musk auf, die Konten von RT und Sputnik wieder zu öffnen.

Musk hat derweil am Freitag deutlich gemacht, dass er nicht gedenke, alle Schleusen sofort wider zu öffnen und sämtliche gesperrten Accounts wieder zuzulassen. Stattdessen kündigte er an, dass er eine Art Beirat gründen wolle, der sich mit inhaltlichen Fragen befassen soll. Daran tut er wohl auch gut, denn je mehr Querdenker, Verschwörungstheoretiker oder Antidemokraten er auf seiner Plattform duldet, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass nicht nur Werbepartner, sondern auch prominente Nutzer und Influencer abwandern.

User wie die Produzentin Shonda Rhimes (Grey's Anatomy), der Produzent Ken Olin (This is Us) und der Showrunner Brian Koppelman (Billions) twitterten bereits, dass sie die Plattform verlassen würden, da sie nun von Elon Musk geleitet werde. Andere äußerten sich besorgt, dass sich nun wieder Hassreden mehrten, nachdem Musk die Kontrolle übernommen habe. Basketball-Star LeBron James zitierte einen Bericht des Network Contagion Research Institute, demzufolge die Verwendung rassistischer Beleidigungen auf Twitter schon in den ersten zwölf Stunden nach Abschluss der Übernahme um fast 500 Prozent zugenommen haben soll. (hv)