Mobile World Congress

Tablets als Konferenz-Plattform

Videoconferencing goes mobile

23.02.2011
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Video gilt allgemein als eine der Killerapplikationen in Sachen Bandbreitennachfrage. Während die Verbraucher eher Videos konsumieren, soll im Business-Umfeld der mobilen Videokonferenz die Zukunft gehören.

Videokonferenzen auf dem mobile Device? Dank Tablets und breitbandigen Mobilfunknetzen soll diese Vision bald Realität werden. Und die Chancen stehen gar nicht schlecht, dass es nun im zweiten Anlauf klappen könnte. So soll das kommende Playbook von Blackberry-Hersteller RIM mit einer entsprechenden Funktion aufwarten, Polycom setzt auf ein Tablet von Samsung und Videokonferenzanbieter Vidyo hat eigenen Angaben zufolge bereits OEM-Abkommen mit Alcatel-Lucent, Verizon und Intel.

Der erste Versuch, Videocalls als Killerapplikation für die damals neuen UMTS-Netze zu etablieren, entpuppte sich als vulminanter Fehlschlag. So gut wie niemand war bereit, die hohen Gebühren für einen Videoanruf zu bezahlen, um dann seinen Gesprächspartner im Briefmarkenformat zu sehen.

Mittlerweile scheinen, so war auf dem diesjährigen Mobile Wolrd Congress zu hören, die Voraussetzungen zu stimmen. „Mit den Tablets stehen nun Endgeräte zur Verfügung, die über die entsprechende Leistung sowie große Bildschirme verfügen“, so Alex Eleftheriadis, Chief Scientist bei Vidyo, „und mit den 3G-Netzen sowie dem LTE-Ausbau steht die erforderliche Bandbreite zur Verfügung.“ Euphorisch schwärmt Eleftheriadis bereits davon, dass Mobile Videoconferencing bis zum Jahr 2015 ein „1,25 Milliarden Dollar Business wird.“

Neben den technischen Bedingungen sollte laut Sudhakar Ramakrishna, Chief Development Officer bei Polycom, ein anderer Aspekt nicht unterschätzt werden: „Mit den TelePresence-Systemen ist der Einsatz von Videoconferencing in den Unternehmen mittlerweile en vogue und die mobile Variante ist eine Möglichkeit Außendienstler oder Geschäftsreisende auch unterwegs mit einzubeziehen.“
Dabei hat die mobile Variante, wie eine Demonstration auf dem Polycom-Stand zeigte, durchaus das Zeug zu mehr als einem Lückenbüßer. Auf einem Samsung Galaxy Tablet ließen sich Videokonferenz in HD mit 720p übertragen. Qualitativ liegen hier zwischen den professionellen Systemen und eher Consumer-orientierten Plattformen wie Skpye Welten.

So war es denn fast nicht überraschend war, dass während der Konferenzschaltung selbst eine Powerpoint-Demonstration in guter Qualität zu betrachten war. Apropos Teilnehmer: Hier dürfte wohl der größte Unterschied zu den eingangs angesprochenen Videocalls liegen. Die mobilen Videokonferenzsysteme des Jahres 2011 sind dank darunterliegender IP-Technik Multipoint fähig. So konnten etwa mit dem Galaxy in der Konferenzschaltung mehrere Teilnehmer gleichzeitig zugeschaltet werden.

Bei aller Begeisterung sollten early Adaptors nicht vergessen, dass es sich hierbei noch um eine junge Technik handelt. Zum einen wird noch über Standards diskutiert zum anderen verfolgen die Anbieter unterschiedliche Strategien.

Während etwa Polycom-Chefentwickler Ramakrishna dem Anwender „ein Maximum an Qualität bieten“ will, verfolgt Chief Scientist Eleftheriadis den Ansatz, per mobiler Videokonferenz „eine natürliche Kommunikation, universell mit einem bezahlbaren Aufwand“ zu ermöglichen. Diese unterschiedliche Grundeinstellung spiegelt sich auch in der Praxis wider: Weil Polycom für sein Videosystem tief auf der Hardwareebene auf die Geräteressourcen zugreift, können sie es bislang nur für das Galaxy offerieren. Weitere Systeme sind in Planung.

Vidyo konnte seine Plattform dagegen in Barcelona bereits auf Android Tablets, iPads, Iphones und dem Google Nexus S zeigen. Zudem begnügt sich das Vidyo-System bereits mit Bandbreiten um die 200 Kbit/s, während Polycom um die 512 Kbit/s benötigt.

Den Unterschied erklärt Chief-Scientist Eleftheriadis, der als Chief Editor gleichzeitig an der Verabschiedung der IEEE-Standards mitarbeitet, damit, dass sie bereits die H.264-Erweiterung SVC (Scalable Video Codec) nutzen. Hierbei wird ein Videostream in mehrere Layer unterteilt. Schwankt oder sinkt die Bandbreite, so werden Layer weggelassen. Darunter leidet zwar die Auflösung, aber eine flüssige Übertragung von Bewegungen ist gewährleistet. Polycom will laut Ramakrishna das Verfahren im Laufe des Jahres unterstützen. Glaubt man Eleftheriadis, dann wollen alle wichtigen Player, von Cisco einmal abgesehen, künftig SVC implementieren.

Eine andere, teilweise noch offene Baustelle ist das Thema Interoperabilität. Hier arbeiten die Hersteller derzeit noch an Gateways und Bridges. Allerdings besteht für die Anwender die Hoffnung, dass sie sich mit diesem Thema künftig nicht weiter befassen müssen. Sowohl bei Vidyo als auch bei Polycom ist man überzeugt, dass die Mobilfunker Interoperabilitäts-Services in der Cloud offerieren werden. (hi)