Datatronic erwirbt 90 Prozent des 16-Bit-Mikro-Pioniers:

Victor setzt für 1985 auf Konsolidierung

15.02.1985

MÜNCHEN (ru) - Die Würfel sind für Victor Technologies Inc. gefallen. Der vor etwa einem Jahr in die Finanzkrise geschlitterte Mikrocomputer-Hersteller ist aus dem Schutz von Chapter 11 des US-Konkursrechts entlassen. Herr im Hause Victor ist nunmehr die schwedische Datatronic AB mit einer 90prozentigen Beteiligung.

Mit der offiziellen Übernahme der Victor-Mehrheit durch die Datatronic-Gruppe ist das Tauziehen um den 16-Bit-Mikrocomputer-Pionier beendet. Erster Interessent für die von ihrem damaligen Hauptaktionär, dem Mischkonzern Kidde, im Stich gelassene Victor war die britische Applied

Computer Techniques Ltd. (ACT). Doch die Kaufabsichten des "Apricot" -Bauers zerplatzten plötzlich wie eine Seifenblase.

Als nächster Retter in der Not empfahl sich dann die Beta Systems AG, an der wiederum die Kerkerbachbahn AG in Mannheim beteiligt war. Deren Vorstandsvorsitzender Tom C. Sieger stolperte über seine dubiosen Finanzmachenschaften im Zusammenhang mit der vermeintlichen Victor-Übernahme.

Als Beta schließlich die notwendige Bietergarantie für den Victor-Kauf nicht aufbringen konnte, endete auch dieser Versuch, dem Unternehmen aus Scotts Valley wieder festen Boden unter die Füße zu schieben, ergebnislos.

Victor scheint das monatelange Hickhack ohne größere Blessuren überstanden zu haben. Dafür spricht schon das Geschäft der Frankfurter Victor Technologies GmbH. Es entwickelte sich nach eigenen Angaben während des vergangenen Jahres kontinuierlich weiter.

So erklärte Victor-Geschäftsführer Jürgen Tepper, daß man den Umsatz im Jahr 1984 gegenüber dem Vorjahr um drei Millionen Mark auf 46 Millionen Mark ausweiten konnte. Die Zahl der installierten Systeme in Deutschland und Österreich stieg um 7900 auf 17 100 Ende vergangenen Jahres. Mit seinen zwölf Prozent Marktanteil in der Bundesrepublik hält Victor laut Diebold nach IBM den zweiten Platz bei den professionellen Mikros. Ein Erfolg, so formulierte es Tepper, der sich auf die Loyalität der Kunden bezieht.

Datatronic hat mit dem Victor-Deal nicht nur das Unternehmen schlechthin, sondern auch einen Namen und weltweit 100 000 Kunden erworben Die Schweden haben sich ihre 90prozentige Beteiligung 28 Millionen Dollar kosten lassen. Von dieser Summe eingezahlt in einen Fonds, sollen sämtliche Vergleichskosten sowie gesicherte und ungesicherte Schulden bezahlt werden. Von zu befriedigen sind nach dem Reorganisationsplan Forderungen unter 500 Dollar. Die ungesicherten Gläubiger müssen sich zwölf Millionen Dollar teilen. Sie erhalten etwa 14 bis 18 Cents pro Dollar.

Die Altaktionäre werden im Verhältnis 1 zu 16 abgefunden. Genauer: Für 16,28 alte Aktien erhalten sie eine neue Aktie, was einem gravierenden Kapitalschnitt entspricht. Der bisherige Großaktionär Kidde wird danach nur noch knapp vier Prozent an Victor halten. Der Handel der alten Victor-Papiere wurde kurzfristig während der Übernahme ausgesetzt. Der letzte Kurs lag bei unter einem Dollar. Derzeit bemüht sich das Unternehmen um die Wiederaufnahme des Handels seiner Aktien an der Over-the-Counter-Börse (OTC). Über den Zeitpunkt der Ausgabe neuer Aktien wurde allerdings noch nichts bekannt.

Für das laufende Jahr gibt sich Victor eher bescheiden. Es soll ein Jahr der Konsolidierung sein, wir wollen unsere Produkte wirklich erst dann ankündigen, wenn sie verfügbar sind", erklärte Heinz Werner Krause, künftig stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei Victor. Krause, bei Olympia als Sanierer in die Annalen eingegangen, bevor er sich bei Victor um einen Partner mühte, umreißt die 85er Strategie mit Stärkung der Rentabilität, Steigerung von Umsatz und Marktanteil sowie Erweiterung der derzeitigen Produktlinie durch weitere kompatible Geräte.

Bis zur kommenden Hannover Messe werde man sich zur Kompatibilität zum IBM PC AT äußern, so Tepper. Zudem sollen in den kommenden Monaten mehrere Jointventures in Übersee gegründet werden. Die Fertigung wird von Kalifornien weitestgehend nach Fernost verlagert.

Victor-Gründer "Chuck" Paddle mußte nach dem Finanzdesaster seinen Hut nehmen. Doch voneinander lassen wollen beide Seiten nun doch nicht. Paddle gründete quasi gegenüber von Viktor eine Entwicklungsgesellschaft mit 20 Leuten und arbeitet unter anderem für Datatronic.