Data-Warehousing und System-Management via Web

Verteilte DV zwingt CA auf High-Tech-Kurs

06.09.1996

CW: CA wird immer wieder an der Fähigkeit gemessen, sich von seiner Mainframe-Vergangenheit zu lösen und ein Client-Server- Anbieter zu werden. Stört Sie das?

Kumar: Ja, denn es geht nicht darum, das eine durch das andere abzulösen.

CW: Sagen Sie das, weil Sie an den sicheren Mainframe-Einnahmen hängen?

Kumar: Nein. Vor drei Jahren haben wir so gut wie keinen Client- Server-Umsatz gemacht, heute sind es zwischen 35 und 40 Prozent. Großrechner-DV hat aber zu unrecht einen schlechten Ruf. Auch wenn sie nur noch etwa 60 Prozent unseres Geschäfts ausmacht, so sind die Einnahmen in diesem Bereich dennoch gestiegen. Daran sollten wir unseren Erfolg nicht messen.

CW: Woran dann?

Kumar: Vielleicht daran, daß wir anders als die meisten Anbieter sehr viele Plattformen unterstützen. Wir schreiben Software für verschiedenste DV-Infrastrukturen.

CW: CA ist als Nimmersatt bekannt, der davon lebt, Firmen mit veralteten Techniken aufzukaufen und deren Kundenstamm von sich abhängig zu machen. Seit einigen Jahren tauchen jedoch immer mehr State-of-the-art-Produkte in Ihrem Portfolio auf, wie die Tools und die Datenbank von Ingres. Mit dem System-Management-Paket "Unicenter TNG" und der objektorientierten Datenbank "Jasmin" haben Sie sogar hochmoderne Eigenentwicklungen vorzuweisen. Wandelt sich CA zum Technologie-Unternehmen?

Kumar: Wir haben uns weniger geändert als es scheint. Unseren "schlechten" Ruf bekamen wir, weil wir in einer Zeit Mainframe- Software kauften, als viele diese Technik für überholt hielten. Inzwischen hat sich die Welt geändert, und deshalb bieten wir auch andere Produkte wie die von ASK/Ingres an. Sie haben allerdings insofern recht, als wir heute viel mehr in Eigenentwicklung investieren als zu Zeiten, in denen es vor allem um Produktintegration ging. Unicenter stammt allein von uns. Außerdem unternehmen wir gewaltige Anstrengungen in Richtung Objektorientierung und Visualisierung.

CW: CA entwickelt sich zur High-Tech-Company ...

Kumar: Lassen Sie es mich so sagen: Wir waren nie so altmodisch, wie uns nachgesagt wurde - aber wir sind auch nicht so modern, wie es jetzt manchem erscheint. Aber es stimmt, wir haben zu keinem Zeitpunkt soviel in Eigenentwicklung gesteckt wie im Moment.

CW: Warum verlassen Sie den bewährten Erfolgspfad, von "überholter Technik" zu leben?

Kumar: Wir haben immer schon überlegt, was wir kaufen oder selbst entwickeln müssen. Was wir jetzt mit Jasmin und Unicenter TNG machen, gibt es nirgendwo zu kaufen.

CW: Lassen Sie uns über die visuelle Benutzerumgebung von Unicenter sprechen. Es heißt, Sie beabsichtigen, diese Technik auf Anwendungen wie Ihre Finanzsoftware "Masterpiece" und das Fertigungspaket "Manman/X" zu portieren.

Kumar: Das ist unsere Absicht.

CW: Integrieren Sie damit nicht ihre Anwendungen zu einem Paket ê la SAP R/3?

Kumar: Konkret planen wir die Schaffung visuell steuerbarer Arbeitsabläufe auf der Basis von TNG für das Internet.

CW: ... auch für Anwendungen, die nicht von CA stammen?

Kumar: So weit ist es noch nicht.

CW: Wollen Sie Baan und SAP Konkurrenz machen?

Kumar: Warum nicht?

CW: Wollten Sie sich nicht auf Ihre Kernkompetenz im Infrastrukturbereich beschränken?

Kumar: Ja, deswegen wird dieses Segment in einen der unabhängigen Geschäftsbereiche ausgelagert. Das heißt nicht, daß wir das Anwendungsgeschäft nicht ernst nehmen. Ganz im Gegenteil.

CW: Zur Software-Infrastruktur gehören auch Datenbanken. Besonders aktuell in diesem Bereich ist das Data-Warehousing-Geschäft. Von CA gibt es diesbezüglich keine Ankündigung. Warum?

Kumar: Ich glaube, daß sich dieser Markt in Kürze grundlegend ändern wird. Ich denke, daß hier in Zukunft Web-Techniken eine zentrale Rolle spielen werden. Deshalb konzentrieren wir uns auf diesen Ansatz.

CW: Wie soll das aussehen?

Kumar: Zu den Aufgaben eines Data-Warehouse gehört das Sammeln und Katalogisieren von Daten. Es gibt keinen Grund, dafür nicht eine der leistungsfähigen Suchmaschinen einzusetzen.

CW: Im Zentrum des Data-Warehousing steht doch eher das Durchforsten von Daten-Pools nach bislang unbekannten Informationen und deren Analyse. Kann eine Suchmaschine das leisten?

Kumar: Suchmaschinen übernehmen nicht das Data-Warehousing an sich. Dafür gibt es zum Beispiel Datenbanken- und Olap-Werkzeuge. Für das reine Finden von Informationen und für das Data Mining sind Suchmaschinen aber eine überzeugende Lösung.

CW: Gibt es schon konkrete Pläne?

Kumar: Wir forschen noch. Vor allem erproben wir einiges auf der Basis von DECs "Altavista". Um von Produkten zu sprechen, ist es aber noch zu früh.

CW: Sind diese Forschungen der Grund für Ihre Zurückhaltung bei Olap-Techniken und Data-Warehouse-Tools für Ingres oder Jasmin?

Kumar: Wir haben einige Werkzeuge, und unsere Datenbanksysteme beherrschen Replikation. Aber Data-Warehousing ist ein kompliziertes Verfahren, bei dem viele Unternehmen zusammenarbeiten müssen, die teilweise unterschiedliche Ansätze verfolgen.

CW: CA stattet derzeit alle wichtigen Anwendungen mit Internet- Features aus. Gehen Sie wie beim Data-Warehousing davon aus, daß bald unternehmenskritische Anwendungen im Web ablaufen - Transaktionsverarbeitung zum Beispiel?

Kumar: Zur Zeit eignet sich das Internet für Informations- und Softwareverteilung, Intranet-Anwendungen und Marketing. An Geschäftstransaktionen glaube ich nicht. Interessant ist aber das System-Management via Internet. Aus diesem Anlaß haben wir jetzt eine Partnerschaft mit Microsoft geschlossen (siehe Kasten auf Seite 13). Schließlich sind auch Systemmeldungen nichts anderes als verteilte Informationen, die sich über einen Browser darstellen lassen.

CW: Ist Bill Gates ein angenehmerer Partner als die IBM, mit der Sie früher ein ähnlich intensives Verhältnis hatten?

Kumar: Ja. Hundertmal besser. IBM war immer auch ein harter Konkurrent. Microsoft will mit seinem Betriebssystem in den Markt für unternehmensweite DV. Dafür braucht man unser Know-how im System-Management. Wir ergänzen uns.