Traditionelle Steuereinheiten sind hinfällig

Vernetzung mit Token Ring spart bei Playmobil Kosten

08.11.1991

Das Unternehmen Geobra Brandstätter in Zirndorf ist der Öffentlichkeit besser unter dem Namen Playmobil bekannt. 1974 auf dem Markt erschienen, eroberten die bekannten Spielfiguren die Kinderherzen im Sturm, und Geobra wurde zum umsatzstärksten Spielwarenhersteller Deutschlands. Neben dem Umsatz wuchsen aber auch die Anforderungen an DV und Vernetzung. Das neue Netzkonzept schildert Jürgen Baudenbacher*.

Durch die gemischte Struktur der sieben Firmen umfassenden Brandstätter-Gruppe wurde ein offenes DV- und Netzwerkkonzept unausweichlich. So waren zum Beispiel bereits existierende 3270-, PC- und AS/400-Welten miteinander zu verbinden. Durch den Bau eines neuen Firmengebäudes 1990 konnte mit idealen Voraussetzungen an diese Problematik herangegangen werden.

Ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten einer Token-Ring-Verkabelung war die Entwicklung der Tochterfirma HOB Electronic GmbH. Während der Bauphase entstand in deren Entwicklungslabors nämlich ein Token-Ring-fähiges 3270-Terminal. Dieses Terminal erlaubt neben dem direkten Anschluß an die Ring-Topologie auch den Anschluß eines seriellen Standarddruckers.

Flexibilität und Bedienungskomfort

Dadurch war die Voraussetzung geschaffen, im Geobra-Neubau ein Token-Ring-Netz zu legen. Für dieses Netz wählten die Verantwortlichen ein IBM Typ-1-Kabel, das, um die Ausfallsicherheit zu erhöhen, in doppelter Ausfertigung gezogen wurde. 23 Ringverteilerstationen mit insgesamt 58 Verteilern Ó acht Token-Ring-Anschlüssen versorgen bei Geobra derzeit rund 350 Endgeräte. Das Ende der Entwicklung ist noch nicht abzusehen, da noch die Vernetzung der CAD-Systeme und der DEC-Rechner ansteht.

Außerdem kommen immer mehr Bildschirm-Arbeitsplätze im Hause zum Einsatz.

Physikalisch gesehen ist der Ring natürlich kein einzelner Ring. Durch Bridges ist er in drei Subringe geteilt, wodurch die Überwachung und Fehlersuche erheblich erleichtert wird. Der längste Ring im Hause erstreckt sich über eine Länge von rund 1,5 Kilometer. Dies erfordert natürlich eine ständige Auffrischung des Signals durch Verstärker, wovon derzeit vier Paare eingesetzt werden.

Durch die Tatsache, daß nahezu alle Arbeitsplätze von Anfang an mit einem Token-Ring-Anschluß versehen wurden, genügt es nun, ein Token-Ring-fähiges Terminal am Arbeitsplatz aufzustellen und eine Adresse dafür zu vergeben - eine erhebliche Erleichterung im Vergleich zu früher, wo meist ein Koax-Kabel vom Rechenzentrum zum Arbeitsplatz zu ziehen war.

Das ist aber nur die Anwenderseite. Im Rechenzentrum selbst ließ sich durch das Ringkonzept auch ein Kabelwust vermeiden, da nur ein Ringkabel den Rechner erreicht und nicht mehr viele Steuereinheiten erforderlich sind. So werden bei Geobra für die Ringsteuerung nur noch eine IBM 3174 und eine IBM 3720 - beide mit Ring-Gateway - genutzt.

Im Vergleich zur normalen Koax-Verkabelung, wo eine Steuereinheit 32 Anschlüsse versorgt, konnten insgesamt zwölf Steuereinheiten gespart werden. Wenn man auch noch die Verkabelung mit einbezieht, kann die Einsparungen noch deutlicher ausfallen. Natürlich ist ein Meter Koax-Kabel günstiger als ein Meter Typ-1-Kabel. Das Koax-Kabel muß jedoch von der Steuereinheit bis zum Arbeitsplatz gezogen werden, Token Ring aber nur von einem Verteiler bis zum Arbeitsplatz. Bei einer geschickten Plazierung der Verteiler läßt sich diese Entfernung gering halten.

Hauptanwender im Geobra-Ring sind ein Rechner IBM 9121-190 und ein IBM 9370. Diese beiden Computer versorgen rund 300 HOB-Token-Ring-Bildschirme. PCs wurden bei Geobra von Anfang an nicht als Einzelplatz gesehen, sondern, mit Token-Ring-Karten bestückt, in die Netztopologie eingebunden. Durch HOB-3270-Emulationen- und Token-Ring-Treiber können die PC-Stationen direkt über den Ring auf die IBM 9121 die IBM 9370, oder die IBM AS/400 oder aber auch auf diverse PC-Server zugreifen. Der gleichzeitigen Nutzung der Systemressourcen zum Beispiel von einem Novell-Fileserver und dem IBM-Großrechnersystem steht dadurch nichts mehr im Wege.

Des weiteren kommt die Topologie nun auch in der Produktionsstätte von Playmobil in Dietenhofen, 50 Kilometer von Zirndorf entfernt, zum Einsatz. Auch hier nehmen die Anforderungen an ein flexibles DV-Konzept ständig zu. So wachsen durch den Token Ring frühere Einzelplatzlösungen zu einer Einheit zusammen. Aufgrund der großen Ausmaße und vielen Störfaktoren wurde hier eine Verkabelung mit Lichtwellenleitern geplant. Eine Remote-Überwachungssoftware ermöglicht die Fehlersuche im Ring von Dietenhofen aus. Mittels Out-of-Band-Management können in Dietenhofen ganze Verteiler oder auch nur einzelne Arbeitsplätze vom Token Ring getrennt werden. Dadurch lassen sich in Fehlersituationen

ohne große Umsteckarbeiten einzelne Ringsegmente vom Netz entfernen, um Fehler leichter einzugrenzen.

Dieses Konzept wird ständig fortentwickelt. So profitieren die Tochterunternehmen in ganz Europa ebenfalls davon. Die Neuentwicklung eines Token-Ring-Gateway-Bildschirms von HOB kommt deshalb nicht von ungefähr, denn damit konnten Geobra und HOB kleinere Geschäftsstellen relativ günstig mit einem Token-Ring-Umfeld ausstatten. Ein Vorteil liegt darin, daß in den Niederlassungen zunächst nur der Gateway-Bildschirm notwendig ist, doch bei höheren Anforderungen sich die Struktur leicht erweitern läßt. Es werden dann nur noch ein Ringleitungsverteiler und die Anschlußkabel benötigt, um mit weiteren acht Bildschirmen arbeiten zu können. Dieses Konzept wurde bereits mit großem Erfolg in den Niederlassungen in den Niederlanden, Großbritannien und Italien verfolgt. So konnte in Italien über den Token Ring eine vorhandene IBM /36 mit dem Host in Deutschland verknüpft werden. In Großbritannien ließ sich eine bestehende Novell-Vernetzung in das Token-Ring-Umfeld integrieren.

Fazit: Die Vorteile der Lösung sind

- Flexibilität und Bedienungskomfort,

- erhebliche Kostenersparnis, da eine Vielzahl von Token-Ring-Terminals direkt an einen Ring angeschlossen werden und mit dem Host kommunizieren können,

- Einsparung der bei der "traditionellen" Verkabelung benötigten Steuereinheiten, denn es sind nur die Gateway-Steuereinheiten erforderlich,

- Investitionsschutz, da vorhandenes Equipment unter Berücksichtigung bereits installierter Kabelstrukturen eingebunden werden kann.