Hohe Schulden, Banken stellten Ultimatum

Verkauf der deutschen Tochter soll MAI Systems Corp. retten

12.06.1992

MÜNCHEN - Die MAI Deutschland GmbH steht zum Verkauf. Dies bestätigte jetzt das Management der neuerdings in Neu-Isenburg beheimateten Dependance des von Schulden gebeutelten amerikanischen Minicomputerherstellers. Die Verhandlungen seien in vollem Gange, bis Ende Juni erwarte man eine Einigung (siehe auch CW Nr. 22 vom 29. Mai 1992, Seite 1).

Wer der neue Eigentümer der MAI Deutschland GmbH sein wird, wollte Marketing-Leiter Walter Schäfer indes noch nicht preisgeben, um die "kurz vor dem Abschluß stehenden Gespräche nicht zu gefährden". Aus unternehmensnahen Kreisen war zu hören, daß es sich bei dem potentiellen Interessenten um eine englische Gruppe handeln soll, die den Kaufpreis von zirka 180 Millionen Mark aus einem Rentenfonds finanzieren will.

Wenig Spielraum für Bennett LeBow

Ob Bennett S. LeBow, Chairman des seit einem Jahr als MAI Systems Corp. firmierenden Minicomputerherstellers aus Tustin, aber tatsächlich die erwünschte Summe einstreichen kann, ist noch unklar. So soll die Citibank, die zuvor als potentieller Übernahmekandidat galt, mit dem Argument abgesprungen sein, daß - obwohl MAI Deutschland profitabel ist - die künftige Gewinnerwartung den Kaufpreis nicht rechtfertige. Viel Spielraum aber dürfte LeBow nicht haben: Rund 130 Millionen Dollar Verbindlichkeiten drücken die Kalifornier, und die Banken sind nach immer wieder neuen Umschuldungen nun mit ihrer Geduld am Ende, pochen auf die Rückzahlung bis Mitte/Ende Juni.

Die Schuldenlast ist zum Teil ein Überbleibsel von MAIs feindlichem Ansinnen Ende 1988, den CAD/CAM-Spezialisten Prime Computer Inc. zu schlucken. Der Versuch scheiterte nach neun Monaten heftigen Gerangels und bescherte den Kaliforniern im Geschäfts jahr 1988/89 herbe Verluste. Schäfer indes sieht noch andere Gründe für die Schwierigkeiten der Muttergesellschaft: "Zum einen kamen noch weitere Beteiligungen hinzu, zum anderen ist die Marketingstrategie in den USA noch immer zu sehr Hardware-orientiert. Bei der gleichzeitigen Wandlung der Marktgegebenheiten im Minicomputersektor und dem starken Hardware-Preisverfall mußten finanzielle Engpässe auftreten."

Während sich MAI Deutschland mittlerweile seit fünf Jahren mit Komplettlösungen - Hardware, Vertikalsoftware, Service - auf spezielle Zielmärkte konzentriere, so Schäfer weiter, sei die Muttergesellschaft erst langsam dabei, sich von einem reinen Hardwarelieferanten zum Anbieter von Systemlösungen zu entwickeln. Noch aber ist das Software-Angebot der MAI Systems Corp. in den USA nicht sehr reichhaltig. Bedient werden zur Zeit der Handels- und der Finanzsektor.

Die Zielmärkte der MAI Deutschland GmbH hingegen, die schon in den 70er Jahren zahlreiche Software-Kooperationen einging und viele dieser Partner im Laufe des Jahres 1987 aufkaufte, reichen vom Gesundheitswesen, der Textil- und Lebensmittelindustrie über Druckereien sowie Verlagshäuser bis hin zum Kfz- und Getränkehandel. Im vergangenen Geschäftsjahr (endete am 30. September 1991) konnte Geschäftsführer Gerd Steffen mit einem Umsatz von 172 Millionen Mark erstmalig die amerikanischen Einnahmen übertrumpfen. Zudem strich die deutsche Tochter einen Gewinn von rund 20 Millionen Mark ein - was die Kalifornier aufgrund des bestehenden Gewinnabführungsvertrages erfreute -, während die US-Gesellschaft rote Zahlen schrieb. Insgesamt war die MAI-Gruppe im abgelaufenen Geschäftsjahr bei einem Gesamtumsatz von rund 350 Millionen Dollar laut Schäfer "gerade hauchdünn profitabel".

Dem neuen Eigentümer sehen die Ex-Frankfurter, die vor knapp drei Wochen ihr neues Verwaltungsgebäude in Neu-Isenburg bezogen haben, gelassen entgegen. Abgesehen von der Hardware-Belieferung, für die es in den Verkaufsverhandlungen eine Lösung zu finden gilt, ist man gegenüber der US-Muttergesellschaft relativ unabhängig. Diese Selbständigkeit scheint auch unter dem potentiellen neuen Besitzer gewährleistet zu sein. Schäfer: "Die Zeichen stehen gut."