Koordination und professionelles Know-how beim Anwender als Voraussetzung:

Verantwortung beim Enduser bringt Probleme

09.09.1983

Nachdem in den vergangenen Jahren meist Org./DV-Leute über die alleinige Macht des Einsatzes von Datenverarbeitungssystemen verfügten und häufig genug am Anwender vorbei entwickelten, zeichnet sich derzeit ein neuer Trend ab: Die Verantwortung wird an den Arbeitsplatz zurückgeführt. Daß hier jedoch auf neuem Nährboden Probleme der Zusammenarbeit auftreten, scheint geradezu zwangsläufig. Das vom Berliner Universitätsprofessor Dr. Hermann Krallmann kürzlich herausgegebene und von Ulrich Busch verfaßte Buch über die "Konzeption betrieblicher Informations- und Kommunikationssysteme (IKS)"*, enthält zahlreiche Aussagen zu diesem Thema, die hier auszugsweise wiedergegeben werden.

Es ist keine Seltenheit, daß von ORG/DV-bereichsfremdem Personal (Stäben und/oder Endbenutzern) große, für das Unternehmen lebensnotwendige Entwicklungsvorhaben unter Verwendung von komplexen DV-Systemen initiiert und streckenweise realisiert werden. Leider wird aber häufig in derartigen Fällen übersehen, daß zur Bewältigung solch komplexen Aufgabenstellungen ein professionelles Know-how in Form des geeigneten Approaches sowie der erforderlichen Projektmanagement-Methoden, -Werkzeuge (-Tools) und -Techniken unumgänglich ist. Auch der Einsatz von hochqualifizierten Consultants erzeugt in den Realisierungsphasen Wirkungsgradverluste, wenn nicht ein gemeinsames Konzept mit dem Bereich ORG/DV vorliegt.

Darüber hinaus zeigen die in den Unternehmen laufenden diversen Entwicklungsprojekte deutlich, daß in nahezu allen Fällen die Art und die Komplexität der Projektvorhaben die höchsten Anforderungen an die Qualifikation des Managements stellen. Da aber das Linien-Management mit Problemen des Tagesgeschäftes beauftragt ist, werden die Projekte häufig mit Personal besetzt, auf das man notgedrungenermaßen verzichten kann, weil die Mitarbeiter etwa wegen zu kurzer Betriebszugehörigkeit noch nicht voll eingearbeitet sind, oder weil sie den Anforderungen des Tagesgeschäftes aus führungstechnischer oder fachlicher Sicht nicht gewachsen sind.

Dabei beinhalten gerade Entwicklungsprojekte den höchsten Freiheitsgrad von Entscheidungen. Das wiederum bedeutet zugleich, daß der Großteil aller Projekte strategischen oder taktischen Charakter haben, deren Zielsetzungen und Ausprägungen ausschließlich der oberen Managementebene der Unternehmensführung vorbehalten bleiben sollte.

Entwicklungen koordinieren

Trotz dieser Tatbestände hat sich noch nicht in jedem Unternehmen die Erkenntnis durchgesetzt, daß nur bei enger Zusammenarbeit von Management, Fachabteilungen und dem Bereich Organisation und Datenverarbeitung die für das Gesamtunternehmen langfristig gültige Problemlösung gewährleistet kann.

Unabhängig von der Existenz und der Intensität solcher Zusammenarbeit bleibt im allgemeinen die Frage offen, wie eigentlich die Vielzahl der in irgendeiner Form miteinander in Beziehung stehenden Entwicklungsprojekte sachlich und unternehmensziel-beitragskonform gemanagt und koordiniert wird.

Der heutige Automationsstand im Büro und Verwaltungsbereich ist im Vergleich zu den Automationserfolgen innerhalb der Fertigungsbereiche verschwindend niedrig (Club of Rome, 1982).

Die Automationsmittel beschränken sich weitgehendst auf die Datenverarbeitung, die Text- und Kopiersysteme. Vereinzelt sind Telefoncomputer und Electronic-Mail-Systeme im Einsatz. Bei der Analyse des Herstellermarktes werden sehr schnell die Grenzen integrierter Einsatzmöglichkeiten sichtbar. Die vorgestellten Inhouse-Netzwerke, die eine Integration der Daten-, Text-, Bild- und Audio-Verarbeitung herstellen sollen, werden derzeit von keinem der EDV- oder Office-Equipment-Hersteller durch Software unterstützt.

Für Unternehmen, die an integrierten IKS-Konzepten arbeiten, bestimmen die EDV- beziehungsweise Office-Equipment-Lieferanten das Schrittempo der Automation. Verzichtet ein Unternehmen aus diesem Grund aber darauf, alle Computersysteme im Online-Verbund mit dem jeweiligen Office-Equipment zusammenzuschalten, dann läuft es Gefahr des unkoordinierten Wildwuchses mit dem Negativeffekt der Generierung und/oder Aufrechterhaltung redundanter Aufgaben- und Datenbestandsbereiche. Dadurch kann letztlich die Wirtschaftlichkeit einer Einzelmaßnahme erheblich eingeschränkt werden. Trotzdem kann im Einzelfall eine Organisationsverbesserung durch den Einsatz eines Stand-alone-Systems eventuell mit Batch-Übertragungsroutinen zu vor- und/oder nachgelagerten Teilsystemen (Computern) bei angemessenem Amortisierungszeitraum erreicht werden.

*Die Publikation ist erschienen im Erich Schmidt Verlag, Berlin, ISBN 3 50-002300-3.