Frankreich akzeptiert Wettbewerb bei Datex-P-Diensten im Prinzip

VANS: Für die Südschiene der EG bleibt nur eine kurze Schonfrist

12.01.1990

MÜNCHEN - Die konzertierte Aktion großer deutscher und anderer europäischer Telekommunikations-Anwenderverbände gegen eine EG-weite Einschränkung des Wettbewerbs bei netznahen Mehrwertdiensten (VANS) hat Wirkung gezeigt. Wie der Bundesverband der Deutschen Industrie, BDI mitteilt, wurde beim EG-Ministerrat ein Kompromiß bei den Telecom-Diensten und beim offenen Netzzugang (ONP) erzielt.

Unter anderen hatte sich, wie die COMPUTERWOCHE bereits berichtete, auch der VDMA besorgt gezeigt, und zwar speziell, was den Wettbewerb bei Datenkommunikationsdiensten und hier vor allem bei den auf Datex-P basierenden Mehrwertdiensten anbelangt. Befürchtungen waren aufgekommen, weil unter Führung der Franzosen auch die sogenannte Südschiene der Europäischen Gemeinschaft (Spanien, Portugal, Italien etc.) dafür plädiert hatte, in nationalen Genehmigungsverfahren Leistungsmerkmale und wirtschaftliche Bedingungen sprich Gebühren oder Preise, festzulegen, zu denen netznahe Mehrwertdienste in den jeweiligen Ländern von Piraten angeboten werden dürften. De facto hätten solche Verfahren den im "Grünbuch" festgehaltenen Absichten der EG zur Liberalisierung des europäischen Telekommunikations-Marktes widersprochen indem sie die nationalen Datenkommunikationsangebote der Postverwaltungen gegen privaten Wettbewerb über eine Lizenzierung abgeschottet hätte.

Die geballte Macht der Wirtschaftsverbände (siehe untenstehenden Kasten) stellte sich sowohl auf die Seite der liberaleren "Nordschiene" (Bundesrepublik, Großbritannien, Nieder- lande) als auch der großen Mehrwertdiensteanbieter wie etwa AT&T oder auch IBM, die offiziell das Konzept des Open Network Provision (ONP) unterstützen. AT&T beispielsweise geht es darum "sowohl privaten Diensteanbietern als auch den Postverwaltungen gleiche Marktchancen zu gewährleisten".

Andererseits erscheint es ihnen aber "unverständlich", daß ONP-Auflagen auch für leitungs- und paketvermittelnde Datendienste eingeführt werden, wenn diese im Wettbewerb stehen sollen. Eine Sonderregelung, wie sie die "Südschiene" in Anspruch nehmen wollte, sei überflüssig. Dem im Ministerrat von den fraglichen Postverwaltungen vorgebrachten Argument möglicher marktbeherrschender Angebote von Datendiensten könne mit einer gezielten Ausstattung des deutschen und des EG-Wettbewerbs- und Kartellrechts, wie es Artikel 87 des EWG-Vertrages vorsehe, begegnet werden.

Der kürzlich in Brüssel erzielte Kompromiß sieht dennoch ein - wenn auch befristetes - Sonderrecht vor. Ausnahmsweise kann in Frankreich etc. Iizenziert werden; diese Verfahren unterliegen aber der Aufsicht der EG-Kommission. Dort können sie ein Vierteljahr lang von allen Mitgliedsländern kritisiert werden, und nur wenn es keine Einsprüche gibt, treten die Lizenzbedingungen in Kraft. Erfahrungsgemäß bedeutet diese Vorgehensweise aber eine sehr hohe Hürde.

Dennoch ergibt sich wegen des erzielten Kompromisses eine Schonfrist bis Ende 1992 für die Franzosen (etc.), deren Datex-P-Dienst Transpac außerhalb der französischen Landesgrenzen als nicht sonderlich qualitätvoll eingestuft wird. Insider spielen den kurzfristigen Marktvorteil der Südschiene herunter; zum einen könnten die anderen VANS-Anbieter, wie beispielsweise die Vascom, derzeit noch nicht überall zugleich sein, zum anderen müßten die Franzosen - wenn denn überhaupt - ihre Lizenzierungsbremse sehr moderat ziehen, sonst trete die EG ihnen mit einem Machtwort entgegen.

Die Telecom-politischen Bundesgenossen der Franzosen spielen nach übereinstimmender Einschätzung der bundesdeutschen Datex-P-Marktspezialisten im fraglichen Markt noch keine gravierende Rolle. Um so höher schätzen sowohl ein IBM- als auch Sprecher des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation die Chancen der liberaleren Länder ein: Es könnte bei Datex-P-basierten Mehrwertdiensten einen Sog in Richtung Bundesrepublik geben, wovon sowohl die Deutsche Bundespost Telekom, die Großanwender und die Anbieter profitieren könnten. +