EG-Richtlinie stellt veraltete Software ins Abseits:

User sind verstärkt zum Umdenken gezwungen

25.07.1986

Die Auswirkungen der 4. EG-Richtlinie auf die Abschreibungsermittlung bereiten den bundesdeutschen Anwendern noch Probleme Praktikerkreisen besteht derzeit keine Klarheit, ob und in welchem Umfang bisher eingesetzte Programme angepaßt werden können oder ob die Anschaffung neuer Software nicht sinnvoller wäre. Reinhard Wamser* faßt die wesentlichen Anforderungen zusammen.

Grundlage der erweiterten Anforderungen an die Anlagenbuchhaltung ist das Gesetz zur Durchführung der 4. EG-Richtlinie, wie es am 19. Dezember 1985 vom Bundestag verabschiedet wurde. Nicht zum Ansatz dagegen kommt der davon abweichende Entwurf von 1983, der bisher meist - auch von Softwarehäusern - als Grundlage angesehen wurde.

In den meisten vorhandenen Anwender-Programmen sind alle Werte, die der Anlagespiegel laut 4. EG-Richtlinie ausweisen muß, in verschiedenen Listen enthalten. Hier muß der Anlagespiegel auch im äußeren Erscheinungsbild den verabschiedeten und veröffentlichten Entwürfen und Beispielen angepaßt werden.

Die Ausweispflicht von kumulierten Zahlen, zum Beispiel den Abschreibungen und den "historischen" Anschaffungswerten sowie Zahlen des Geschäftsjahres, beispielsweise bei Abgängen, erzwingt eine Überarbeitung der Rechenroutinen und oftmals eine Ergänzung der Dateien um zusätzliche Felder.

Sonderabschreibungen werden integriert

Weitere Änderungen in der Errechnung der ausgewiesenen Werte werden durch die anteilige Verminderung der kumulierten Abschreibungen bei Abgängen bedingt. Dieses Verfahren wurde bislang nur bei indirekter Abschreibung über Wertberichtigungskonten vorgeschrieben.

Ebenfalls vorgeschrieben ist die automatische Führung von geringwertigen Wirtschaftsgütern (laut 4. EG-Richtlinie besteht hier, wie auch bei Sonderposten mit Rücklagenanteil, ein Wahlrecht) einschließlich der Darstellung im Anlagespiegel als Zu- und Abgang im Jahr der Anschaffung. Der Ausweis als Abgang betrifft nur den Anlagespiegel, nicht die Buchung in der Finanzbuchhaltung oder die Fortführung der Anlage in der Aufstellung zur Vermögensteuer.

Neu ist vollständige Integration der steuerlichen Sonderabschreibung ("Sonderposten mit Rücklageanteil"), die automatisch während der Abschreibungsdauer anteilig vermindert wird und die normale Abschreibung nicht beeinflußt. Der tatsächliche Ansatz dieser Sonderabschreibung erfolgt nur in der Finanzbuchhaltung.

Die Frage "Anpassung oder Neuanschaffung" kann nicht pauschal mit "ja" oder "nein" beantwortet werden. Entscheidend sind Punkte wie:

- Ist es langfristig sinnvoll, ein Anwendungsgebiet, das permanent gesetzlichen Änderungen unter liegen wird, in eigener Regie weiterzuentwickeln?

- Steht bei Eigenentwicklung der Autor des Programms zeitlich zur Verfügung?

- Stehen die Kosten der Eigenentwicklung heute noch in einer Relation zum Erwerb eines Standardprogramms?

- Bestehen neben den durch die 4. EG-Richtlinie erforderlichen Erweiterungen noch zusätzliche Wünsche des Anwenders an eine komfortable Software?

Gerade bei dem letzten Punkt werden viele Anwender ihre Ansprüche an eine zeitgemäße Software anmelden.

Dialogbetrieb ist eine unbedingte Voraussetzung

Neben den traditionellen Möglichkeiten einer Anlagenbuchhaltung wie verschiedene kalkulatorische Kostenarten, AfA-Vorschau bis zu zehn Jahren, automatischer Wechsel degressiv/linear und Führung von geplanten Anlagen gibt es eine Reihe interessanter Anforderungen an eine Standardsoftware, welche die Effizienz der Anlagenbuchhaltung steigern und den Nutzen auch als Planungs- und Steuerungsinstrument verbessern.

So sollte zum Beispiel auch pro Anlagegut speziell zur Ermittlung der kalkulatorischen Kosten ein zusätzlicher Wiederbeschaffungswert geführt werden, der völlig unabhängig vom normalen, über Indexzahlen ermittelten Wert ist. Wahlweise müssen die kalkulatorischen Kosten auch vom Anschaffungswert oder normalen WB-Wert ermittelbar sein. Berücksichtigt sein sollten - auch wenn dies im Augenblick noch keine konkrete Anforderung ist - alle Möglichkeiten der indirekten Abschreibung (über Wertberichtigungskonten) sowie handelsrechtliche Abschreibungsmethoden, die sowohl in ihrer Höhe und Laufzeit als auch in der Abschreibungsart völlig verschieden von der normalen steuerlichen Abschreibung sein können.

Eine zusätzliche Beeinflussung der Abschreibung über Nutzungsfaktoren (zum Beispiel bei Mehrschichtnutzung) wird von vielen Betrieben mehr und mehr gefordert. Dies betrifft ebenso die Aufhebung der starren Bindung an monatliche oder jährliche AfA-Ermittlung; es sollte zum Beispiel auch eine viertel- oder halbjährliche Errechnung von steuerlichen, handelsrechtlichen und kalkulatorischen Werten möglich sein. Dies trifft auch für die Sonderabschreibungen zu, die über einen bestimmten Zeitraum ebenso möglich sein müßten wie Zuschreibungen.

Voraussetzung, jedoch heute immer noch nicht überall Praxis, ist der Dialogbetrieb der Programme; hiermit verbunden sind "Match-Codes", die das Auffinden des gesuchten Satzes erleichtern. Die Schnittstelle der Anlagenbuchhaltung zu den verzahnten Anwendungskomplexen Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung als Bestandteil einer integrierten Rechnungswesen-Software muß mit den Softwareanbietern im Detail geklärt werden.

Standard-SW verdrängt Eigenentwicklungen

Fest steht, daß die 4. EG-Richtlinie für einige Programme aus wirtschaftlicher Sicht das "Aus" bedeuten können. Für viele Anwender werden diese Überlegungen jedoch dazu führen, veraltete, zum Teil selbst entwickelte Programme durch Standardsoftware zu ersetzen.

*Reinhard Wamser ist Projekleiter bei der Lunzer + Partner GmbH, Maintal.