SCOUT und WASCO legen Bericht über Entwicklungsziele aus Anwendersicht vor

User-Groups: Siemens soll sich stark machen

18.02.1983

BONN - Ungewohnte Nachrichten aus dem Siemens-Lager: Statt über Support-Engpässe zu klagen, legten die Benutzervereine SCOUT und WASCO jetzt ein Strategiepapier vor, das sich "kritisch, aber konstruktiv", so der Pressetext, mit Produkten und Entwicklungen des Hauses Siemens auf dem DV-Sektor auseinandersetzt. "Wir wollen keine Hersteller-Schelte betreiben", erklärte SCOUT-Sprecher Dr. Hartmut Niesing von der Datenzentrale Schleswig-Holstein gegenüber der COMPUTERWOCHE, "sondern überlegen, wie sich Siemens in den kommenden Jahren stark machen kann. "

Die Studie "Perspektiven zur mittelfristigen Weiterentwicklung der Datenverarbeitung aus der Sicht von SCOUT und WASCO (Original-Titel) wurde von einer gemeinsamen Kommission erstellt, der je drei Vertreter beider Vereine angehörten: Heino Büchner (früher Axel Springer Verlag), Bert van Rennings (Dresdner Bank) und Kilian von der Tann (Klein-Schanzling-Becker) für SCOUT sowie Erich Mössinger (Daimler-Benz), Dr. Heinz Mühlenbein (GMD Birlinghoven) und Professor Dr. Werner Zorn (Uni Karlsruhe) für WASCO.

Die Unterlage enthält Aussagen für den Zeitraum von 1985 bis 1990, wobei Fragen wie "IBM-Kompatibilität der Siemens-Produkte", "Tools für das Software-Engineering" oder "Neustrukturierung des Betriebssystems BS2000" eine zentrale Rolle spielen. SCOUT und WASCO erhofften sich, heißt es im Vorwort, daß. Siemens daraus Entwicklungsziele zur Lösung der Anwenderforderungen ableiten" werde.

Die Aufforderung zur Tat verbindet die Kommission mit einem Rüffel für die Siemens-Konstrukteure: "Der Abstand zwischen der Spitzentechnik des Marktes und der Technik vieler Siemens-Produkte hat sich seit 1979 mit wenigen Ausnahmen bedenklich vergrößert." Zwar hätten die Münchner "einiges gemacht" (Niesing), seit dieser Punkt in der Kommission diskutiert wurde (im Frühjahr 1982, d. Red.), doch sei immer noch "etwas dran, in bestimmten Bereichen", meint der SCOUT-Sprecher. Gleichwohl will Niesing dieses Gesamturteil keineswegs als Kernaussage der Studie verstanden wissen: Wir haben das sichere Gefühl, betont der SCOUT-Chef, "daß Entwicklung und Produktion im Siemens-Unternehmensbereich Datentechnik mittlerweile ganz schön in Schwung gebracht wurden." So fürchtet denn WASCO-"Kommissar" Zorn gar, die Siemens-Konkurrenz könnte aus den Negativaussagen der Analyse Kapital schlagen: "Die Münchner haben einen enormen Bedarf an Selbstbewußtsein im DV-Geschäft." Es wäre nicht gut, sinniert Zorn, wenn man "ihnen das bißchen, was sie haben, noch wegzöge". Zorn sieht in dem Perspektiven-Papier den Beginn eines Annäherungsprozesses von beiden Seiten: "Bisher war die Rolle der Anwendervereine immer eine oppositionelle", relativiert der Karlsruher Wissenschaftler, jetzt wollen wir einen konstruktiven Beitrag zur Zusammenarbeit leisten.

Die rund 250 Mitglieder von SCOUT (Siemens Computer User Team e. V.) und WASCO (Wissenschaftlich-technische Anwender von Siemens-Computern e. V.) haben die Ausarbeitung ebenso erhalten wie der für den Unternehmensbereich Datentechnik (UBD) verantwortliche Siemens-Vorstand Dr. Claus Kessler. "Wir haben den Eindruck", urteilt Hartmut Niesing, daß unsere Aktivität von Siemens begrüßt wird." Siemens sieht die Sache gelassen: "Die Usergroups brauchen ein gewisses Maß an Konfrontation", meint ein Firmensprecher, um den Hersteller auf Trab zu halten."