Kosten für unerwünschte E-Mails ufern aus

USA streben wirtschaftsfreundliche Lösung des Spam-Problems an

18.07.2003
MÜNCHEN (CW) - In den Vereinigten Staaten ist eine heftige Diskussion darüber entbrannt, wie mit unverlangt ausgesandter E-Mail-Werbung (Spam) zu verfahren ist. Dabei streiten sich Republikaner und Demokraten über Nuancen einer in jedem Fall wirtschaftsfreundlichen Regelung. Europa setzt dagegen auf den Verbraucherschutz.

Republikaner gegen Demokraten - mit einigen Ausnahmen verläuft die Demarkationslinie in Sachen Werbemüll in den USA zwischen den beiden großen Parteien. Dabei aber herrscht Konsens in der wichtigsten Frage: Beide Lager wollen, dass Spam reguliert, aber nicht verhindert wird. Sie favorisieren deshalb jeweils das so genannte Opt-out-Verfahren. Es gestattet den unangeforderten Versand von Werbe-Mails so lange, bis der Empfänger die Sendungen abbestellt. Wer dann trotzdem noch welche schickt, kann zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Auf Basis dieses Konsenses möchten die Demokraten - unterstützt von einigen republikanischen Abgeordneten - die "Wilson-Green"-Gesetzesvorlage durchboxen. Der auch als "Anti-Spam Act 2003" bekannt gewordene Entwurf sieht relativ harte Strafen für den unerlaubten Versand von Werbemüll vor und favorisiert dabei einen Spam-Begriff, der Sendungen unterschiedlichster Art einschließt.

Opt-out ist in den USA Konsens

Dem Entwurf zufolge müssen Adressaten sexuell anstößige Werbe-Mails abbestellen können, ohne irgendwelche Inhalte zu Gesicht zu bekommen. Richtet sich der Empfänger im Opt-out-Verfahren gegen solche Werbesendungen, kann er die Kündigung auch gleich auf alle Tochter- oder Beteiligungsunternehmen des Versenders ausdehnen. Außerdem sind irreführende Angaben in der Betreffzeile nach diesem Entwurf nicht statthaft.

Die Republikaner hingegen möchten den "Reduction in Distribution (RID) Spam Act of 2003" durchsetzen. Er sieht vor, dass E-Mail-Empfängern nur dann die Möglichkeit gegeben wird, gegen Spam vorzugehen, wenn die Nachricht einen rein kommerziellen Zweck verfolgt. Bei explizit sexuellen Inhalten verlangen die Konservativen eine Kennzeichnung der E-Mail mit dem Kürzel "ADT" (Adult), sehen aber keine Klausel vor, die im Falle einer Abbestellung auch Tochter- und Partnerunternehmen des Versenders impliziert. Was in der Betreffzeile steht, ist für die Befürworter dieser Regel unerheblich.

In Europa und Deutschland ist indes das verbraucherfreundlichere Opt-in-Verfahren in Kraft. Danach darf Werbung grundsätzlich nur mit vorheriger Erlaubnis des Empfängers versandt werden. Streng genommen sind also nicht nur die Spam-Mails illegal, die deutsche Surfer zu Abertausenden in ihren elektronischen Postfächern finden, sondern auch die Prospekte und Wurfsendungen in den Briefkästen. De facto werden Verstöße aber nur selten verfolgt, weil juristische Sonderregelungen die Ahndung erschweren und Spam aus dem Ausland kaum beherrschbar ist.

Während sich Europa mit seinen Spam-Regeln am Verbraucher orientiert, möchten die Amerikaner zunächst einmal der Wirtschaft keine Steine in den Weg legen - zum Ärger der Verbraucherschützer. Chris Murray, Rechtsbeistand der Consumers Union, versuchte im amerikanischen Kongress einer Gesetzesinitiative zum Durchbruch zu verhelfen, die auf dem Opt-in-Ansatz fußt. Davon nahm er allerdings vergangene Woche wieder Abstand, nachdem er gesehen hatte, dass dieses Verfahren in den USA nicht durchsetzbar ist.

Sammelklagen unmöglich

Murray fordert nun wenigstens die Zulassung von Klagen oder Sammelklagen geschädigter Verbraucher - ein Wunsch, den die Politiker mit dem Hinweis ablehnen, es könnten aufgrund technischen oder menschlichen Versagens auch die Absender irrtümlich versandter E-Mails hart bestraft werden.

Wie ernst das Spam-Problem inzwischen geworden ist, zeigen Berechnungen des Marktforschungsunternehmens Nucleus Research. In dem Bericht "Spam - The Silent RoI Killer" wird vorgerechnet, dass unverlangt zugesandte E-Mail-Werbung für jeden US-amerikanischen Arbeitsplatz jährlich Kosten von 874 Dollar verursacht. Durchschnittlich erhalte jeder Beschäftigte täglich 13,3 Spam-Mitteilungen, denen er sich 6,5 Minuten pro Arbeitstag widme. Damit sinke die Produktivität pro Person um 1,4 Prozent im Jahr. Wie viel das Aussenden von Werbe-Mails einem Unternehmen im Durchschnitt einbringt, rechnet Nucleus allerdings nicht vor. (hv)