Protektionismus lähmt ehemalige Bell-Töchter:

US-Telecomm-Markt gibt auf, breiter Front nach

13.02.1987

FRAMINGHAM (CWN) - Die Preise Im Telecom-Bereich werden 1987 sinken. Dieses Fazit ziehen mehrere US-amerikanische Analysten aus jüngsten Untersuchungen über jenes Marktsegment. Eher leistungsschwach haben sich die Kommunikations-Anbieter im vergangenen Jahr präsentiert, und - glaubt man den Prognosen - die Industrie wird auch 1987 nicht zum Höhenflug ansetzen.

Im Bereich der lokalen Netze beispielsweise sei zwar, forciert durch IBMs Token-Ring, eine steigende Nachfrage nach Netz-Produkten zu verzeichnen, doch könnten die meisten Token-Systeme noch nicht geliefert werden. Auch funktioniere die vorhandene Software für Token-Ring nicht zur Zufriedenheit der Kunden, konstatiert Patrick Gordon vom Marktforschungsinstitut The Yankee Group, Boston. Er rät den Anwendern daher, sich nicht durch zu erwartende Preisreduzierungen davon abhalten zu lassen, die Angeboten von Konkurrenten einzuholen.

Für die Unternehmenslandschaft speziell in diesem Telecom-Bereich vermutet Gordon einige Veränderungen; während Corvus Systems möglicherweise sogar von der Bildfläche verschwinde, könne 3Com Corp. in ein erfolgversprechendes Jahr blicken.

Der Markt für Endgeräte wird im Zeichen des Protektionismus stehen, so jedenfalls schätzt Fritz Ringling, Vice President der Gartner Group Inc., Stamford, die Entwicklung auf diesem Sektor ein. Die Federal Communication Commission plane, das Importvolumen amerikanischer Kommunikationsfirmen zu überwachen; die Unternehmen der ehemaligen Bell-Gruppe wären durch diesen Schritt in ihren Einfuhrgeshäften beeinträchtigt, und für die vormaligen Bell-Mitglieder könnte das nach Ringlings Ansicht ein Grund sein, ihr Engagement im Endgeräte-Geschäft etwas zurückzunehmen.

Leistung und Qualität geben mehr und mehr den Ausschlag bei den Mehrwertnetzen, den Value Added Networks (VANs), postuliert Audrey Mandela von The Yankee Group, Boston. Die Listenpreise seien nicht mehr verbindlich; für Preisnachlässe von beispielsweise 30 Prozent bestehe durchaus ein Spielraum.

Der Fortentwicklung bei der Paketvermittlung sieht das Marktanalyse-Institut aufmerksam entgegen: Einige Anbieter überdenken offenbar nicht nur ihre Preispolitik, sondern experimentieren auch mit unterschiedlich ausgelegten Paketvermittlungs-Systemen. Technische Innovationen auf der Basis von Paketvermittlungssystemen könnten, folgt man der Analystin der Yankee Group, im Jahre 1987 das Spektrum der Applikationen erweitern.

Befragt nach dem Network-Management-Markt, prognostiziert Patrick Gordon von der Yankee-Group zahlreiche Produktankündigungen für Netview von IBM. Anbieter von Multiplexern und Modems werden dem Big-Blue-System Unterstützung anbieten, denn - so vermerkt der Marktforscher - Netview PC könnte zum Standard für Network-Management avancieren.

Die Bedeutung von OSI wird sich laut Fritz Ringling vorläufig im europäischen Bereich erschöpfen; zwar erklärten die Regierungen der Alten Welt sowie die Nato OSI-Schnittstehen zum Standard, doch konzentriere man sich in den USA vornehmlich auf die SNA-Struktur der IBM zumal auch das Capitol in Washington kein besonderes Interesse am ISO-Modell zeige. Kostspielige Bridge- und Gateway-Einrichtungen, um OSI und SNA miteinander zu verbinden, hält der Marktforscher gegenwärtig für zu aufwendig.

Positiv für die Interessen der Kunden soll sich der Konkurrenzkampf zwischen Anbietern von Terminals zur Satelliten-Kommunikation auswirken, mutmaßt Richard Tallman, Mitarbeiter der kalifornischen Dataquest. Allgemein berge dieses Marktsegment der Very-Small-Aperture-Terminals (VSAT) aber kaum Zukunftsperspektiven in sich. Ob die Satelliten-Industrie einschlafen oder doch noch aufleben werde, knüpft Tallman an die Resonanz auf ein Satellitenprojekt der Volksrepublik China und der Western Union Corp.