Urteile aus der Vertragspraxis

28.01.1983

Von Dr. Christoph Zahrnt, Rechtsanwalt in Neckargemünd

2-6-°12-1 Urteil des BHG vom 3. Juni 1981 (VIII ZR 153/80)

Programmsicherung seitens des Lieferanten

Amtlicher Leitsatz:

Das Vorhandensein einer vom Hersteller vorprogrammierten periodischen Sperre eines Computerprogramms (expiration date), welche dem Schutz vor unbefugter Nutzung dient, gibt dem Nutzungsberechtigten kein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Nutzungsvertrages wegen Beeinträchtigung der Gebrauchsüberlassung.

Nichtamtlicher Leitsatz:

Zur Einordnung eines Vertrages über die Überlassung eines (Standard)programms (im konkreten Fall stark an einen Pachtvertrag angenähert). In Betracht kommt ein know-how-Vertrag.

Paragraphen

BGB: ° 242, ° 542, ° 581

UrhG: ° 2

Stichworte

Nutzungseinschränkung durch Programmsicherungsmaßnahmen; Programme als geistige Leistung; Programmsicherung; Überlassung von Programmen, rechtliche Einordnung.

Tatbestand

"Die Klägerin erwarb aufgrund Vertrages vom 13. Juni 1977 von der Beklagten das Nutzungsrecht an einem elektronischen System zur Speicherung und Verarbeitung betriebsinterner Daten für die Dauer von fünf Jahren," das sie auch bezahlte. "Unter Nr. 3 der Vertragsbedingungen heißt es u. a.:

"3.1. Die Lizenznehmerin wird alle Informationen über das Lizenzprogramm, die verwendeten Methoden und Verfahren sowie das Lizenzprogramm betreffende Dokumente, Materialien und sonstige Unterlagen vertraulich behandeln. Sie wird alle nötigen Vorkehrungen treffen, um die Geheimhaltung gegenüber Dritten zu sichern. Sie wird auch ihren eigenen Mitarbeitern gegenüber nur diejenigen Informationen zugänglich machen, die diese zum Betrieb und zur Nutzung des Lizenzprogramms kennen müssen. Sie wird außerdem alle Vorkehrungen treffen, um den unbefugten Zugang Dritter zu dem Lizenzprogramm zu verhindern . . ."

Am 1. August 1978 wurde das der Klägerin zu Nutzung überlassene Programm durch eine vorprogrammierte Sperre (= expiration date), die in zeitlichen Abständen das Programm unterbricht, vom berechtigten Benutzer aber durch ihm vom Hersteller bezeichnete Steuerungsmaßnahmen überbrückt werden kann, blockiert. Das Wirksamwerden des expiration date wurde im Vormonat durch wiederholte - von den Technikern der Klägerin zwar bemerkte, aber angeblich mißverstandene - Warnzeichen angekündigt. Nach einiger Zeit gelang es der Klägerin, die Sperre des Programms aufzuheben.

Die Klägerin verwahrte sich gegen die Nutzungssperre als "ein in der Software-Branche absolut unübliches Verfahren" und verlangte deren Beseitigung unter Androhung des Rücktritts. Nach Weigerung der Beklagten erklärte die Klägerin den Rücktritt und klagte größten Teil ein.

Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG ihr weitgehend stattgegeben; der BGH hat das abweisende Urteil des LG wiederhergestellt.

Entscheidungsgründe:

"I. 1. Das Berufungsgericht hat gemeint, der Vertrag vom 13. Juni 1977 - von den Partnern als Lizenzvertrag angesehen - könne weder den Regeln des Kaufrechts unterworfen werden, noch handele es sich um ein Miet- oder Pachtverhältnis. Die analoge Anwendung des ° 542 BGB sei gleichwohl gerechtfertigt, weil der Klägerin das Recht zur Nutzung gegen Entgelt befristet eingeräumt worden sei und weil die °° 542, 581 Abs. 2 BGB unmittelbar anzuwenden wären, falls der Klägerin erlaubt wäre, die ihr überlassene Nutzung einem Dritten einzuräumen.

2. Computerprogramme, die Produktionsvorgänge steuern oder, wie hier, innerbetriebliche Organisationsaufgaben (Lagerhaltung, Erstellung von Produktionsspezifikationen) ausführen, stellen eine geistige Leistung dar, die, wie eine Erfindung, einem Dritten zur Ausnutzung überlassen werden kann. Mehr als einem Patent, das herkömmlich Gegenstand von Lizenzverträgen ist, gleicht das Computerprogramm einem Fertigungsverfahren. Deshalb kommt in Betracht, die Vereinbarung vom 13. Juni 1977 als einen Know-how-Vertrag zu werten. Denn entgeltliche Gebrauchsüberlassung des know-how wird grundsätzlich als Pacht angesehen (vgl. dazu Pfaff in BB 1974, 565). Einer abschließenden Stellungnahme hierzu bedarf es im vorliegenden Falle nicht. Die Vertragsbedingungen, auf die sich die Parteien geeinigt haben, weisen dem Leitbild eines Pachtverhältnisses so stark angenäherte Merkmale auf, daß aus Rechtsgründen keine Bedenken bestehen, ein außerordentliches Kündigungsrecht nach Maßgabe der ° ° 581 Abs. 2, 542 BGB zuzubilligen.

II. 1. Die Voraussetzungen des Rechts zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages vom 13. Juni 1977 hat das Berufungsgericht erfüllt gesehen, weil nach seiner Ansicht das Recht zur Nutzung des Computerprogramms von Anfang an mit einem Mangel behaftet gewesen sei. Der Vertrag sehe eine zeitlich uneingeschränkte Nutzung vor. Durch den Einbau der Sperre sei der Klägerin aber nur eine behinderte Nutzung ermöglicht worden Dies brauche die Klägerin rücksichtsvollerweise (° 242 BGB) nicht als Vertragsinhalt hinzunehmen. Auch wenn die jeweilige Sperrung angekündigt werde, sei die Hinderung nicht unerheblich im Sinne des ° 542 Abs. 2 BGB.

2. Der Standpunkt des Berufungsgerichts ist nicht haltbar.

a) Das in Rede stehende Computerprogramm bedarf als geistige Leistung des Schutzes vor unbefugter Nutzung. Dem Urheber kann grundsätzlich nicht verwehrt werden, den gebotenen Schutz mit technischen, dem System elektronischer Datenverarbeitung immanenten Mitteln herbeizuführen. Diese Funktion hat das im vorliegenden Fall von der Klägerin beanstandete expiration date. Das expiration date ist ein vom Urheber gewollter Bestandteil des Computerprogramms. Seine Schutzfunktion erfüllt es durch eine periodische Unterbrechung des Nutzprogramms. Für einen unbefugten Benutzer ist die Unterbrechung endgültig. Daß es sich bei dieser vorprogrammierten Unterbrechung des Computerprogramms um eine wirksame Schutzmaßnahme handelt, die Vorkehrungen gegen eine Entwendung der Datenträger ergänzt, ist unstreitig. Unterschiedlich wird lediglich ihre Zweckmäßigkeit beurteilt, was z. B. dazu führt, daß andere Programmhersteller Sicherheits- und Löschdaten - wie die Klägerin vorgetragen hat - z. B. nur bei periodisch fortzuschreibenden Dateien verwenden. Darauf kommt es indessen für die Beurteilung der Frage, ob das Computerprogramm wegen des integrierten expiration date mangelhaft war und zu einer teilweisen Gebrauchsentziehung führte, nicht an. Entscheidend dafür ist vielmehr der gewöhnliche Ablauf der Programmnutzung durch den dazu berechtigten ,Lizenznehmer'.

b) Das Berufungsgericht hat darin recht, daß im Text des Vertrages vom 13. Juni 1977 von dem programmierten expiration date ausdrücklich nicht die Rede ist. Der Vertrag verpflichtet indessen den Lizenznehmer 'alle Vorkehrungen zu treffen, den unbefugten Zugang Dritter zu dem Lizenzprogramm zu verhindern'. Die vertragliche Pflicht zum aktiven Schutz des Lizenzprogramms schließt die Pflicht zur Duldung von geeigneten Schutzmaßnahmen des Programmherstellers ein, soweit dadurch nicht berechtigte Nutzungsinteressen des Lizenznehmers unzumutbar beeinträchtigt werden.

Bei gewöhnlichem Lauf der Dinge kündigt die Datenverarbeitungsanlage durch periodisch wiederkehrende Warnzeichen die bevorstehende Programmunterbrechung an. Das ist nach dem eigenen Sachvortrag der Klägerin in der Klageschrift auch hier im Laufe des Monats Juli 1978 geschehen. Der berechtigte Programmbenutzer ist vom Lizenzgeber mit einem Datenträger ausgestattet, durch dessen Einsatz er die Sperrwirkung aufheben und den ungestörten Programmablauf herbeiführen kann. Das hat auch das Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen. Dann aber kann von einer Mangelhaftigkeit des Programms, welche zur teilweisen Entziehung des vertragsgemäßen Gebrauchs führt, nicht die Rede sein. Sie daraus herleiten zu wollen, daß Störungen in der Nutzung durch Unzulänglichkeiten in der Betriebsorganisation des Nutzungsberechtigten oder in seiner Zusammenarbeit mit dem Lizenzgeber verursacht werden, wie es das Berufungsgericht mit der Aufzählung derartiger Fehlerquellen getan hat, ist abwegig. Der Standpunkt der Vorinstanz läuft darauf hinaus, die Beklagte als verpflichtet anzusehen, der Klägerin - und ihren übrigen Kunden - gewissermaßen narrensichere Programme zur Nutzung zu überlassen. Das aber nimmt die Klägerin selbst nicht für sich in Anspruch.

c) War danach bei sachgemäßer Handhabung eine störungsfreie Nutzung des Computerprogramms gewährleistet, so durfte die Klägerin von der Beklagten einen Verzicht auf die programmierte Sperre nicht verlangen.

Damit entfällt der geltend gemachte Kündigungsgrund gemäß °° 581 Abs. 2, 524 BGB.

3. Sollte zutreffen, "daß die Klägerin unzulänglich unterrichtet war", so würde dies allenfalls für einen etwaigen Schadensersatzanspruch wegen der Unterbrechung am 1. August 1978 Bedeutung gewinnen können. Schadensersatz verlangt die Klägerin indessen nicht.

4. Der Klägerin stand auch kein Kündigungsrecht aus ° 242 BGB zur Seite. Nach Nr. 3.1 der Vertragsbedingungen war sie, wie ausgeführt, zur Duldung von geeigneten und zumutbaren Programmschutzeinrichtungen verpflichtet. Selbst wenn die Klägerin bei Vertragsschluß nicht auf das programmierte expiration date hingewiesen worden sein sollte, bestand, wie das Landgericht in diesem Zusammenhang zutreffend dargelegt hat, kein Grund, die Vertrauensbasis für die weitere Durchführung des Schuldverhältnisses als unheilbar zerrüttet anzusehen."

Anmerkung:

Der BGH hat die rechtliche Einordnung eines Überlassungsvertrages als know-how-Vertrag in Betracht gezogen. Indem er die Ähnlichkeit mit einem Lizenzvertrag über ein Patent ablehnt, zeigt er zugleich, daß ihm ein Lizenzvertrag über ein urheberrechtliches Nutzungsrecht noch ferner liegt. Der BGH weicht davon (unter II. 2a) nicht ab, wenn er vom Urheber des Programms spricht. Denn sonst hätte er betont, daß er einen Urheber im Sinne von ° 7 Urheberrechtsgesetz meinte, und hätte den Überlassungsvertrag dementsprechend erörtert.