Sowjets konnten das Wissen nach Meinung der Richter nicht nutzen

Urteil in Celle: KGB-Hacker bekamen eine Bewährungsstrafe

02.03.1990

CELLE (dow) - Zum ersten Mal sind in der Bundesrepublik Computerhacker verurteilt worden - und glimpflich davongekommen. Die drei ständigen Bandenmitglieder aus Hannover, die der Spionage für den sowjetischen Geheimdienst KGB angeklagt waren, erhielten jeweils währungsstrafen.

Gegen den früheren Croupier Peter C. (35) verhängte das Oberlandesgericht Celle nach zwölf Verhandlungstagen ein zweijährige Freiheitsstrafe; der Computerfachmann Dirk B. (30) wurde zu einem Jahr und zwei Monaten Gefängnis verurteilt und der Programmiere Markus H. (29) zu einem Jahr und acht Monaten.

Zusätzlich erkannten die Richter Dirk B. die bürgerliche Ehrenrechte für zwei, den anderen Angeklagten für drei Jahre ab. Das bedeutet, daß alle drei für den genannten Zeitraum nicht mehr in öffentliche Ämter bestellt werden dürfen. Von dem Agentenlohn, der insgesamt 90 000 Mark betrug, muß Markus H. 10 000 Mark zurückbezahlen, Dirk B. 5000 Mark und Peter C. 3000 Mark.

Nach der Unteilsverkündung machten die drei jungen Männer zufriedene Gesichter und auch die Richter dürften die Prozeßakten einigermaßen er leichtere geschlossen haben. "Viel Wertvolles kann in den Lieferungen an den KGB-Agenten Serge in Ost-Berlin nicht gewesen sein", meinte der Vorsitzende des Staatsschutzsenates, Leopold Spiller.

Ein Zeuge legte falsche Führten

Markus H. hatte bei 450 Versuchen, in die Datenbank US-Verteidigungsministeriums einzudringen, 30mal Erfolg. Bei diesen Recherchen in den Pentagon-Rechnern aber beobachtete ihn mehr als ein Jahr lang der Astrophysiker Professor Clifford Stoll im Lawrence-Livermore-Laboratory in Berkley/Kalifornien. Stoll, der auch Zeuge nach Celle eingeladen war, legte zahlreiche falsche als Fährten für den Eindringling. Als Peter C. im März 1989 genommen worden war, gab keine Hackerangriffe mehr.

Peter C. war in dem Trio aus Hannover für den Verkauf der Informationen, mithin für den Kontakt mit dein KGB-Agenten zuständig. Er fuhr zu diesem Zweck rund 25mal mit Lieferungen nach Ost-Berlin. Zunächst war er bei einer Dienststelle des ostdeutschen Staatssicherheitsdienstes (Stasi) gelandet und von dort dann an den KGB weiterverwiesen worden.

Der ehemalige Croupier Peter C. verstand aber nicht allzu viel voll der Computerei. Deshalb begleitete ihn ab und zu Dirk B. Der vierte im Bunde, Karl Koch, galt als einer der Initiatoren des "KGB-Hack". Er konnte allerdings nicht mehr angeklagt werden, denn im Sommer 1989 wurde er in der Nähe voll Celle tot in seinen Auto aufgefunden.

Ausgangspunkt für die Spionagetätigkeit war 1986 die sogenannte Leitstelle 511 des Chaos Computer Clubs in einem Bistro in Hannover. Unter Einfluß von Haschisch haben die Jungen Leute mit Freunden Hackertreffen abgehalten. Für ihre Drogen brauchten die Hacker Geld, deshalb versuchten sie, ihr Wissen gegen Bares weiterzugehen. Davon jedenfalls gingen die Richter ans.

Ihre Forderung nach einer Honorierung in Millionenhöhe fand in Ost-Berlin aber keinen Anklang. Daß man sich schließlich auf nur 90 000 Mark einigte, lasse den Schluß zu, so der Gerichtsvorsitzende Spiller-, daß die Sowjets dieses angebotene Hackerwissen nicht zu nutzen imstande waren. Pech für Hannovers Spionage-Hacker: Eigenen Angaben zufolge halbe diese Summe nicht einmal die Kosten ihrer Arbeit in den Netzen decken können.

Die drei Angeklagten seien in konspirativer Weise einer herkömmlichen Agententätigkeit nachgegangen, hieß es zur Urteilsbegründung.

Nachweisbarer Schaden ist nicht entstanden

Das im Prozeß vorgetragene Motiv der Angeklagten, etwas für den Weltfrieden, für das Gleichgewicht der Kräfte zwischen Nato und Warschauer Pakt und damit gegen die aggressive Außenpolitik der USA tun zu wollen, habe mehr der Gewissensberuhigung dienen sollen. Ein nachweisbarer Schaden für die Bundesrepublik und vermutlich auch für die USA sei durch das Hacken nicht entstanden, stellte das Gericht, fest. Auch habe eine Computerfirma aus Hannover durch den Abzug von Raubkopien keine Nachteile erlitten, hieß es weiter, allenfalls ein multinationaler Computerhersteller in den USA.