Urheberrechtsbestimmungen der ETSI heftig kritisiert US-Hersteller laufen Sturm gegen die Patentpolitik der Europaeer

09.07.1993

BRUESSEL (IDG) - Amerikanische Computerhersteller haben eine Antitrust-Klage bei der EG-Kommission angestrengt. Anbieter wie IBM, Motorola und Apple wehren sich damit gegen die Urheberrechtspolitik des European Telecommunications Standards Institute (ETSI), von der sie grosse Nachteile fuer ihr Geschaeft erwarten.

Gegenstand der Auseinandersetzung sind neue Bestimmungen, die von den ETSI-Mitgliedern am 18. Maerz 1993 fuer zunaechst zwei Jahre mehrheitlich beschlossen worden sind. Danach sollen die Mitglieder zunaechst innerhalb von sechs Monaten pruefen, ob sich ihre patentierten Technologien in den verabschiedeten Spezifikationen des Standardisierungsgremiums wiederfinden.

Ist dies der Fall, so sind die betroffenen Hersteller gehalten, die Benutzung ihrer Technologien im Rahmen des ETSI-Standards zu autorisieren. Allerdings hat die Vereinbarung einen Haken: Soll ein Patent Teil eines ETSI-Standards werden, muss der Hersteller allen anderen Mitgliedern der Organisation eine Lizenz "zu fairen und vernuenftigen Preisen" anbieten.

Mit diesen Bedingungen sind die Mitglieder der amerikanischen Computer and Business Equipment Manufacturers Association (CBEMA) nicht einverstanden.

Ihr Vorwurf: Will ein Hersteller Mitglied im ETSI sein und seine patentierten Produkte in dessen Standards einfliessen lassen, so muss er seine jeweiligen Technologien zu oktroyierten Bedingungen lizenzieren.

"Kein anderes Standardisierungsgremium der Welt buerdet Unternehmen, die viel Geld in Forschung und Entwicklung stecken, solche unakzeptablen Bedingungen auf", aergern sich die CBEMA- Mitglieder in einer Presseerklaerung. Schliessen sich die Unternehmen ganz von der ETSI aus, sind sie auch am europaeischen Standardisierungsprozess nicht beteiligt.

Bleiben sie aber weiter in dem Gremium vertreten und lizenzieren ihre patentierten Technologien an andere Mitglieder "zu fairen und vernuenftigen Preisen", so fuerchten sie, Wettbewerbsnachteile gegenueber den Nichtmitgliedern in Kauf nehmen zu muessen.

Nahziel der am 22. Juni eingereichten Klage ist zunaechst einmal, die Verabschiedung eines fuer Mitte Juli geplanten Beschlusses des ETSI aufzuhalten. Zu diesem Zeitpunkt soll offiziell festgelegt werden, dass die Mitgliedschaft im europaeischen Gremium das Einverstaendnis mit dessen Urheberrechtsbestimmungen voraussetzt. Wie aus interner Quelle verlautet - Antitrust-Klagen behandelt die EG-Kommission streng vertraulich -, verlangen die US-Hersteller zunaechst eine sechsmonatige Verschiebung dieses Beschlusses. Damit haette die EG-Kommission genuegend Zeit, das Anliegen der CBEMA zu pruefen.