Per Einstweiliger Anordnung

Update: Karlsruhe setzt Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung teilweise aus

19.03.2008
Das Bundesverfassungsgericht hat die Massen-Speicherung von Telefon- und Internetdaten vorerst gebilligt, aber deren Nutzung zur Strafverfolgung deutlich eingeschränkt.

Nach einer am Mittwoch veröffentlichten einstweiligen Anordnung dürfen die Daten bis auf weiteres nur für die Verfolgung besonders schwerer Straftaten genutzt werden. Damit gaben die Richter dem Eilantrag acht betroffener Bürger teilweise statt. Karlsruhe geht von einer "erheblichen Gefährdung" des Persönlichkeitsschutzes aus.

Nach der Entscheidung dürfen die gesammelten Daten zunächst nur bei Straftaten abgerufen werden, bei denen auch das Abhören von Telefonen zulässig ist. Dazu gehören Mord, Raub und Kinderpornografie, aber auch Geldwäsche, Korruption, Steuerhinterziehung und Betrugsdelikte. Die Straftat muss aber auch im konkreten Fall schwerwiegend sein, außerdem muss der Verdacht durch "bestimmte Tatsachen" begründet und eine Aufklärung ohne die Daten wesentlich erschwert sein.

Die Richter erlauben aber, dass die Telekommunikationsunternehmen - wie seit dem 1. Januar vorgeschrieben - sämtliche Daten etwa über Zeit und Teilnehmer von Telefonaten speichern. Sie dürfen aber vor einer endgültigen Karlsruher Entscheidung nicht an Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden, wenn ihre Herausgabe zur Aufklärung weniger gravierender Delikte beantragt wird.

Zulässigkeit der "Vorratsdatenspeicherung"

Der Erste Senat hat damit noch nicht abschließend über die Zulässigkeit der "Vorratsdatenspeicherung" entschieden, nach der die Verbindungsdaten des Telefon- und von 2009 an auch des Internet-Verkehrs ein halbes Jahr lang gespeichert werden müssen. Inhalte sind davon nicht betroffen. Wann über den Fall verhandelt wird, ist noch nicht absehbar, weil der zuständige Richter Wolfgang Hoffmann-Riem Ende März pensioniert wird. Zudem ist beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eine Klage gegen die EU-Richtlinie anhängig, auf die das Gesetz zurückgeht.

Insgesamt haben - vertreten vom Berliner Anwalt Meinhard Starostik - mehr als 34.000 Bürger Verfassungsbeschwerde eingelegt. Weitere Anträge haben die meisten Mitglieder der Grünen-Bundestagsfraktion sowie eine Gruppe um die FDP-Rechtspolitiker Burkhard Hirsch und Gerhart Baum eingereicht. (Az: 1 BvR 256/08 - Beschluss vom 11. März 2008)

Bei der Abwägung der Folgen ihrer Entscheidung gehen die Richter von einer "erheblichen Gefährdung" des Persönlichkeitsschutzes aus. "Von der Datenbevorratung ist annähernd jeder Bürger bei jeder Nutzung von Telekommunikationsanlagen betroffen, so dass eine Vielzahl von sensiblen Informationen über praktisch jedermann für staatliche Zugriffe verfügbar ist", heißt es in dem Beschluss.

"Erheblicher Einschüchterungseffekt"

Die ohne konkreten Anlass mögliche Speicherung der Daten könne zwar einen "erheblichen Einschüchterungseffekt" haben, rechtfertige aber noch keine Aussetzung des Gesetzes. Dagegen könne der Abruf der Daten einen "schwerwiegenden und nicht mehr rückgängig zu machenden Eingriff" in das Fernmeldegeheimnis zur Folge haben, schreiben die Richter: "Ein solcher Datenabruf ermöglicht es, weitreichende Erkenntnisse über das Kommunikationsverhalten und die sozialen Kontakte des Betroffenen zu erlangen, gegebenenfalls sogar begrenzte Rückschlüsse auf die Gesprächsinhalte zu ziehen."

Die Anordnung der Verfassungsrichter gilt zunächst ein halbes Jahr, kann aber - falls sich die Entscheidung in der Hauptsache hinzieht - verlängert werden. Bis zum 1. September, so das Gericht, solle die Bundesregierung über die Bedeutung der Speicherung für die Strafverfolgung sowie über die Nachteile der Teilaussetzung berichten - auch, damit die Anordnung gegebenenfalls geändert werden könne. (dpa/tc)