Unvermeidliche SAP-Software

19.05.1995

Dieter Eckbauer

Welche Einwaende gaebe es, wenn horizontale Standardsoftware fuer die Bereiche Finanzbuchhaltung, Kostenrechnung und Personalwesen von staatlichen Stellen produziert und kontrolliert wuerde? Man sollte die gedachte Regelung, auf die die Frage hindeutet, nicht gleich als verrueckt abtun. Es koennte ja aus der Natur der Sache die zwingendste, moeglicherweise sogar die einzig ehrliche Loesung sein, weil Wettbewerb im vorhandenen System nicht funktioniert und unweigerlich ein privates Monopol entstehen muss. In bezug auf die erwaehnte Software sind diese Bedingungen durch die deutschen Handels- und Steuergesetze zum Teil gegeben - merkwuerdig, dass das noch niemandem aufgefallen ist.

Skizziert - wenn auch mit ungewohnten Vorzeichen - ist damit jedoch exakt die Entwicklung im hiesigen Markt fuer kaufmaennische Standardsoftware, also eben jene Programme, die bestimmte gesetzliche Anforderungen erfuellen muessen. Vor den Wirtschaftspruefern sind zunaechst alle Unternehmen gleich. Wir sind beim Thema SAP. Mit der Feststellung, dass den gestrengen Herren das Testat angesichts einer SAP-getreu modellierten Organisation leichtfaellt, sagen wir nichts Neues. Es erklaert indirekt das De- facto-Monopol der Walldorfer.

Muessen wir noch darauf hinweisen, dass es den Consulting-Toechtern der grossen Wirtschaftspruefungsgesellschaften nicht ungelegen kommt, SAP-orientiert beraten zu koennen? Wir glauben nicht an Zufaelle. Wo liegen die Interessen eines Anwenderunternehmens in Sachen Buchhaltung? Bestimmt nicht bei der Technik der unvermeidlichen Softwareprogramme - Eigenentwicklung waere Luxus. Und was spricht dafuer, eine nach dem gleichen Prinzip arbeitende Software eines x-beliebigen Anbieters einzusetzen, wenn dieser sich vom Marktfuehrer - und damit vom Industriestandard - nur dadurch unterscheidet, dass er gerade klein anfaengt?

Worauf wollen wir hinaus? Nun, was die Buchhaltung, die Kostenrechnung, das Personalwesen betrifft, ist weitgehend der Staat der Organisator. In einem solchen System ist es Kraftverschwendung, wenn bei der Software-Auswahl allzu heftig um das Wie und Was gerungen wird. Doch dies ist ohnehin nicht der Fall, wie sich an unzaehligen Beispielen aus der SAP-Beratungspraxis zeigen laesst. Schwierigkeiten mit R/3 gibt es nicht - man spricht allenfalls von "kritischen Erfolgsfaktoren". Das heisst, nicht das SAP-Produkt ist das Problem, sondern der Anwender, der es einsetzt. So kann es nicht verwundern, dass sich niemand von der Entscheidung fuer SAP abbringen laesst.

Gruende gaebe es durchaus - und sie sind bekannt. Der gravierendste: Abhaengigkeit von SAP und den SAP-Beratern. Gerade in diesem Punkt kann die Vorstellung von einer allgemeinen SAP-Pflicht - damit kommen wir auf die Eingangsfrage zurueck - moeglicherweise hilfreich sein. Fazit: Man sollte sich lieber der wirklich wichtigen Frage zuwenden, wie die Wettbewerbsfaehigkeit durch Informationstechnik verbessert werden kann. Dass das SAP-Geschaeft floriert, wie auch die CW berichtet, wird dann zu einer Randnotiz.