"Unsere ganze Philosophie basiert auf Akquisition"

12.08.1994

CW: Sterling will Knowledgeware akquirieren. Wieso eigentlich? Abgesehen von dem wenig bekannten 4GL-Produkt ZIM, waren CASE- Werkzeuge fuer Sterling bislang kein Thema.

Rasp: Die Akquisition ist ein weiterer Schritt in Richtung darauf, auch im Anwendungsentwicklungs-Umfeld mitzuspielen. Im uebrigen haben wir bereits ein Dokumentations-Tool im Angebot, das auch die ADW-Methode abdeckt. (ADW ist die CASE-Umgebung von Knowledgeware, Anm.d.R.) Wir waren in diesem Markt also bereits praesent. Und jetzt machen wir Naegel mit Koepfen.

CW: Der Erfolg von ADW und damit auch von Knowledgeware stand und fiel mit der IBM-Partnerschaft. Wodurch wollen Sie die ersetzen?

Rasp: Wenn bei Sterling etwas derartiges passiert, dann ist es nicht ueblich, dass wir am naechsten Tag zusammenkommen und mit Informationen gefuettert werden. Wir machen erst einmal Business as usual, bis das Management in den USA uebereingekommen ist, was geschehen soll.

CW: Knowledgeware hat aber teilweise schon vollendete Tatsachen geschaffen. Beispielsweise ist der neue Geschaeftsfuehrer Karl Bichlmaier aus dem Unternehmen ausgeschieden. Da werden Sie wohl bald auch das Knowledgeware-Steuer in die Hand nehmen muessen.

Rasp: Damit warte ich, bis man mir das auftraegt. Ich bin ein alter Sterling-Soldat und mit meiner Vorgehensweise immer gut gefahren. Das ist wohl das Geheimnis unseres Erfolges: Wir haben die Faehigkeit, unser Tagesgeschaeft weiterzufuehren und abzuwarten, was von uns gefordert wird, wenn bei anderen Firmen sofort das grosse Rennen anfinge und am Monatsende der Umsatz nicht stimmen wuerde.

CW: Sprechen wir also nicht ueber die Zukunft, sondern ueber die Vergangenheit: Knowledgeware hat 14 Tage vor Bekanntgabe der Uebernahmeplaene 200 von 900 Mitarbeitern entlassen. War das mit Sterling abgesprochen?

Rasp: Ich weiss es nicht. Aus meiner Erfahrung gehe ich zwar davon aus, dass diese Geschichte schon seit einigen Monaten laeuft. Aber wenn wir das alles schon wuessten, waeren Insidergeschaefte gar nicht mehr zu vermeiden.

CW: Nach der vor einem Jahr erfolgten Uebernahme von Systems Center musste jeder achte Mitarbeiter des akquirierten Unternehmens gehen ...

Rasp: ... weltweit!

CW: Und in Deutschland?

Rasp: Hier war von "gehen muessen" nur wenig die Rede.

CW: Haben die Mitarbeiter das Unternehmen freiwillig verlassen?

Rasp: Es gibt in jeder Firma eine gewisse Philosophie. Und da sind immer Leute, die sich mit solch einem Umfeld anfreunden koennen, und andere, die das nicht koennen. Es gab ein paar Umbesetzungen, weil in Deutschland - im Gegensatz zu den Staaten - das Thema Umziehen ein Problem ist. Aber wenn wir den kombinierten Headcount von Systems Center und Sterling betrachten, sehen wir vielleicht zehn Prozent Unterschied.

CW: Was passierte mit den Produkten?

Rasp: Kein einziges Systems-Center-Produkt ist eingestellt worden.

CW: Nicht vom Markt nehmen ist etwas anderes als neue Releases herausbringen.

Rasp: Wir haben die Produkte nicht nur nicht eingestellt, sondern eigentlich alles weiterentwickelt. Sterling kauft keine Produkte, um eine Wartungsbasis zu haben, sondern um sein Geschaeft auszudehnen.

CW: Offenbar spielen Sie jetzt auf Computer Associates an. Auf den ersten Blick scheint es aber, als wolle Sterling dem akquisitionshungrigen Softwareriesen nacheifern.

Rasp: Wir haben immer schon viel akquiriert. Eigentlich ist das Unternehmen auch auf diesem Weg entstanden. Unsere ganze Firmenphilosophie basiert auf der Idee der Akquisition.

CW: Da muessen Sie ja staendig damit beschaeftigt sein, neue Mitarbeiter und Produkte zu integrieren. Welche Strukturen haben Sie etabliert, um die permanten Veraenderungen zu verkraften?

Rasp: Vertrieb und Techniker sind mittlerweile auch weltweit nach Produktlinien aufgeteilt. Ein kleiner Nachteil dieser Organisation ist der, dass jetzt unter Umstaenden bei BMW vier verschiedene Vertriebsleute von uns auftauchen. Aber der Vorteil, dass diese Leute noch wissen, wovon sie reden, ist nicht zu vernachlaessigen.

Peter Rasp ist Geschaeftsfuehrer der Sterling Software GmbH, Duesseldorf. Das Interview fuehrte CW-Redakteurin Karin Quack.