Lebhafte Diskussion auf dem 37. BME-Symposium:

"Unlautere Auktionen haben viel Vertrauen zerstört"

15.11.2002
BERLIN (rg) - Vor allem mittelständische Zulieferer begegnen den E-Procurement-Initiativen ihrer Kunden nach schlechten Erfahrungen mit großer Skepsis. Eine Podiumsdiskussion auf dem 37. Symposium Einkauf und Logistik des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) brachte die Probleme auf den Punkt.

Wie im vergangenen Jahr fanden etwa 1200 Besucher den Weg zum BME-Jahreskongress in Berlin. Nach Vorwürfen einiger Verbandsmitglieder, die Belange von mittelständischen Unternehmen seien in den Vorjahren zu kurz gekommen, setzten die Veranstalter dieses Jahr mehr Fachbeiträge für diesen Teilnehmerkreis auf die Agenda.

Zudem beleuchtete eine Podiumsdiskussion die teilweise durchwachsenen Erfahrungen, die Mittelständler mit der elektronischen Beschaffung in der Vergangenheit machen mussten. BME-Vorstand und Moderator Robert Fieten befragte die Beteiligten zu ihrer persönlichen Zwischenbilanz in Sachen E-Business und E-Procurement. Die Diskutanten waren sich weitgehend einig, dass der ersten Euphorie sehr schnell eine Ernüchterungsphase gefolgt sei. Markus Quicken, Vorstand bei Supplyon AG, einem Marktplatz für die Automobilzuliefererindustrie, nannte insbesondere den zu optimistischen Zeitrahmen. Sein Unternehmen habe damit gerechnet, früher den heutigen Stand zu erreichen. Supplyon sei nun jedoch auf einem aussichtsreichen Weg, zumal inzwischen auch ein günstigeres Gebührenmodell umgesetzt worden sei.

Mit Peter Buckermann, Leiter weltweiter Einkauf des Automobilzulieferers ZF Lemförder Fahrwerktechnik Group, brachte auch ein Supplyon-Nutzer seine Erfahrungen ein. Er zog ein positives Resüme, auch wenn ein "Tal der Tränen" habe durchschritten werden müssen.

Lieferanten neu motivieren

Um den Marktplatz zeit- und kostensparend nutzen zu können, war die Anbindung der Backend-Systeme notwendig. Dabei habe man anfangs mit der Schnittstellen-Problematik und bedienerunfreundlichen Tools gekämpft, so das Mitglied der Unternehmensleitung. Künftig will ZF die gesamte Beschaffung über Supplyon abwickeln. Allerdings seien im vergangenen Jahr bereits viele Zulieferer auf den Marktplatz geholt worden, ohne dass dieser dann genutzt worden wäre. Nun müssten die Lieferanten neu motiviert werden.

Auch für Annegret Karsch, Direktorin Einkauf bei der Nestle Deutschland AG, tritt nach einer Phase der Desillusionierung nun Normalisierung ein. Da die IT-Systeme des Konzerns noch weiter zusammengeführt werden müssten, seien entsprechende Einkaufs-Tools bisher nicht flächendeckend im Einsatz. Unterschätzt habe man auch den Weiterbildungsbedarf bei den Mitarbeitern, nicht nur für die Bedienung der Technik, sondern auch für die veränderte Kommunikation mit den Lieferanten. Positiv führte Karsch unter anderem die Entdeckung neuer Lieferanten an, auf die Nestle ohne elektronische Ausschreibungen nicht gestoßen wäre.

Theodor Tutmann, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung e.V., vertrat den Standpunkt der Zulieferer und sparte nicht mit Kritik. Die Erfahrung der letzten Jahre habe gezeigt, dass mittelständische Firmen nur auf die Bremse träten, wenn sie sich übervorteilt fühlten. Vor allem die als Preissenkungswerkzeug genutzten Auktionen hätten das Vertrauen der Zulieferer zerstört, da diese in der Anfangsphase meist unprofessionell vorbereitet und abgehalten worden seien.

Tutmann griff auch die von Buckermann geschilderten Probleme auf: "Zulieferer wurden schriftlich aufgefordert, sich binnen Jahresfrist Marktplätzen anzuschließen, haben dann aber weiterhin Bestellungen per Fax erhalten." Hier sei eine bessere Synchronisation von Abnehmer- und Zuliefereraktivitäten erforderlich. Ferner treibe der B-to-B-E-Commerce auf Zuliefererseite die Kosten nach oben. Zu den Ausgaben für die Technik kämen Personalaufwendungen, da häufig geeignete Mitarbeiter eingestellt werden müssten, so Tutmann. Wegen fehlender Standards werde es für Firmen, die mehrere Abnehmer, oft aus unterschiedlichen Branchen, bedienen müssten, besonders teuer.

Frank Sattler, Geschäftsführer Techpilot.net by Dynamic Markets GmbH, bestätigte, dass viele Zulieferer bei der Nutzung neuer Kanäle sehr flexibel seien, jedoch auf Einkäuferseite die Möglichkeiten teilweise nur sehr verhalten genutzt würden. Die durch die Nutzung elektronischer Beschaffungs-Tools erreichbare Abnahme bürokratischer Tätigkeiten helfe aber, die anfängliche Skepsis der Einkäufer zu beseitigen.