Supermikros sind auch geeignete Behörden-Systeme:

Unix könnte ein Verwaltungs-Standard werden

11.12.1987

Behörden funktionieren nicht anders als große Unternehmen. die mehrere Millionen "Kunden" (Bürger) zu betreuen haben. In fast allen industriellen Ländern ist die öffentliche Verwaltung frühzeitig zu einem führenden Anwender rechnergestützter Verfahren geworden, von dem manche wegweisende Impulse ausgingen. Die amerikanischen Bundesbehörden beispielsweise haben viel zur Standardisierung beigetragen. Ein Beispiel dafür ist Unix.

Die zunehmende Verbreitung der Datenverarbeitung bei staatlichen Institutionen brachte den Wunsch und die Notwendigkeit mit sich, Informationen zwischen den einzelnen Dienststellen, Abteilungen und Ämtern auch auf elektronischem Wege auszutauschen. Daher ist man heute auch im öffentlichen Bereich bemüht, für eine möglichst weitreichende Kompatibilität von Hardware und Software zu sorgen.

Natürlich könnte man versuchen, diese Kompatibilität dadurch zu gewährleisten, daß man sich beim Gerätekauf auf die Produktpalette eines einzigen Herstellers beschränkt. Aber diese Lösung scheint nur auf den ersten Blick praktikabel! Zum einen würde der Staat sich auf diesem Wege ohne Not in eine monopolistische Abhängigkeit manövrieren. Zum anderen ist nicht gewährleistet, daß Arbeitsplatzrechner, Mikrocomputer, Minis und Mainframes eines Anbieters per Definition dieselbe Software verwenden und miteinander kommunizieren können. Es gibt genug Beispiele, die das Gegenteil beweisen.

Behörden und Industrieunternehmen kennen hier dieselben Sorgen und Nöte. Beide wollen sie vermeiden, in Sachen Computer-Ressourcen auf Gedeih und Verderb von einem einzigen Hersteller oder Anbieter abhängig zu werden. Ein einzelner Anbieter dürfte wohl kaum in der Lage sein, mit seinen Implementationen für alle Anwendungen die optimale Lösung anzubieten. Produktions- und nachfragebedingte Engpässe beim Anbieter könnten unter Umständen die problemlose Abwicklung verschiedener öffentlicher Aufgaben in Frage stellen, weil eine Behörde das gewünschte System oder ein dringend benötigtes Software-Paket nicht dann bekommen kann, wenn sie es braucht.

Bei siebzig Prozent der Mehrplatzanwendungen

Und schließlich ist keineswegs sichergestellt, daß ein "Haus- und Hoflieferant", der mit sicheren Umsatzvolumina kalkulieren kann, genug Druck vom Markt erfährt, um stets auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben. Auch hierfür gibt es genügend Beispiele, die zeigen, daß der freie Wettbewerb der stärkste Innovationsmotor ist.

Aus diesen Gründen greift die öffentliche Verwaltung in allen entwickelten Volkswirtschaften immer häufiger auf Standard-Betriebssysteme und -Programmiersprachen sowie auf Hardware-Architekturen, die von mehreren Herstellern unterstützt werden, zurück. Dabei gehen einige Großanwender so weit, in Sachen Normierung selbst die Initiative zu ergreifen.

Die Programmiersprache ADA, die vom amerikanischen Verteidigungsministerium in ihrem Spezifikationsspektrum festgelegt wurde und so starr definiert ist wie keine andere höhere Sprache zuvor, ist ein gutes Beispiel hierfür. Aber auch die Forderung, Unix als Standard für Nicht-Mainframe-orientierte Multiuser-Systeme zu forcieren, spricht eine deutliche Sprache. Tatsächlich verlangen die amerikanischen Bundesbehörden heute bereits in 70 Prozent dieser Mehrplatz-Anwendungen den Einsatz von dedizierten Unix-Rechnern.

Für Einsatz in Abteilungen und Ämtern mit 8 bis 128 Benutzern sind Unix-Systeme denn auch hervorragend geeignet. Speziell für den Multitasking-\Multiuser-Betrieb konzipiert, läßt Unix sich auf die besonderen Bedürfnisse einer parallelen Verarbeitung auf leistungsfähigen Multiprozessor-Konfigurationen anpassen. Ein weiterer Vorzug von Unix liegt in der extrem hohen Portabilität der Software. Die Programmiersprache C, in der der eigentliche Unix-Kernel und die verschiedenen Unix-Dienstprogramme geschrieben sind steht auf allen Unix-Rechnern gleich welcher Anbieter zur Verfügung.

Auf vielen Unix-Computern laufen zusätzlich eine Vielzahl anderer Sprachcompiler. Somit können Programme, Routinen und Module, die für einen bestimmten Hardwaretyp entwickelt wurden, normalerweise problemlos auf Rechnern anderer Hersteller "gefahren" werden, sofern diese Systeme ebenfalls unter Unix arbeiten. Die Kommunikation und der Austausch von Daten zwischen unterschiedlichen Hardware-Umgebungen wird so signifikant vereinfacht, vielleicht sogar erst möglich.

Die Tiefe, Vielfalt und Leistungsfähigkeit der bereits heute unter Unix verfügbaren Softwarebasis wird nur von wenigen herstellerspezifischen Betriebssystemen erreicht. Während Unix sich anfangs vor allem im technisch-wissenschaftlichen Bereich als Standard etablieren konnte, umfaßt die Palette Unix-basierter Software nunmehr unter anderem auch leistungsfähige und benutzerfreundliche Anwendungsprogramme für Bürokommunikation, Textverarbeitung, Buchhaltung/Rechnungswesen, Datenbankverwaltung, Fertigung und Personalwesen, um nur einige Schwerpunkte zu nennen.

Mit zunehmender Verbreitung von dedizierten Unix-Konfigurationen wird sich die Softwarebasis für dieses Betriebssystem ganz sicher deutlich schneller vergrößern als bisher. Die Zahl der "C-erfahrenen" Programmierer wächst zusehends, und außerdem stehen Standard-Programmiersprachen der dritten Generation wie Cobol und Fortran zur Verfügung, so daß auch der Fundus übernommen werden kann. Hinzu kommen Sprachen der 4. Generation.

Spezifische Systeme aus Einzelbausteinen

Für die öffentlichen" Anwender bringt die Software-Kompatibilität Unix-basierter Systeme viele Vorteile mit sich. Aber auch die Tendenz zu offenen Systemarchitekturen auf der Hardwareseite kommt ihnen deutlich entgegen. Einzelne Dienststellen können Peripheriegeräte verschiedener Hersteller einsetzen und/oder dieselben Programme auf Prozessoren unterschiedlicher Anbieter laufen lassen.

Je mehr Hersteller sich offenen Systemarchitekturen verschreiben, desto leichter wird es den Behörden fallen, die "richtige" Konfiguration für ihre Aufgabenstellung zu finden. Systemintegration und VARs (Value Added Resellers), die diese Kunden beliefern, können aus einer breiten Vielfalt von Geräten und Programmen auswählen, um daraus ein hochleistungsfähiges, spezifisches Komplettsystem zusammenzustellen, das bei aller Optimierung auf den vorgegebenen Anwendungsfall immer ein Standardsystem bleibt.

Der Vorteil offener Architekturen liegt jedoch nicht nur in der einfacheren und flexibleren Konfiguration heutiger Rechnersysteme. Ein offenes Design gestattet es, technologische Neuerungen sofort und ohne Schwierigkeiten zu integrieren. Der Anbieter wird so in die Lage versetzt, dem Kunden das beste - auf seine spezifischen Anforderungen angepaßte - System aus verschiedenen Einzelbausteinen zusammenzustellen.

Mit Blick auf die Zukunft kann man sicherlich folgende Prognose wagen: Wenn erst einmal die Mehrzahl der in Behörden und Ämtern eingesetzten Computer Unix-basierte Systeme sind, dann werden sich die Benutzer nach und nach auf einige wenige Standard-Anwendungen einigen. Die geringere Zahl der Programm- und Konfigurationsvarianten wird ein zeitaufwendiges Neuformatieren der gemeinsam genutzten Daten erübrigen oder zumindest wesentlich verkürzen und die Kommunikation insgesamt verbessern. Und da Unix-Software im allgemeinen auf verschiedene Systeme portiert werden kann, werden die Kosten für Neuprogrammierung bei Hardware-Erweiterungen minimiert.

Beim Staat wird immer häufiger die Forderung nach Rechnernetzen mit zentraler Datenbank-Verwaltung und dem gemeinsamen Zugriff auf aktualisierte Daten laut. Hier kann den Behörden mit leistungsfähigen Multiusersystemen, die die gewünschte, zentrale Datenverwaltung unterstützen, geholfen werden. Unix-Konfigurationen werden zukünftig wahrscheinlich die noch vorhandenen, dedizierten Datei- und Netzwerk-Controller ablösen. Vor allem ist der Einsatz von Unix-Rechnern in den meisten Fällen kostengünstiger.

Eines sei zum Schluß noch festgestellt: Die "neue Freiheit des Anwenders" - nämlich die, seine Computer bei dem Hersteller zu kaufen, den er für den besten hält - wird den Anbietern Dampf machen. Und so wird der wachsende Konkurrenzdruck sich in steigender Produktqualität niederschlagen, die dann natürlich auch den Anwendern in Behörden und staatlichen Institutionen zugute kommt. Mit zunehmender Verwendung von Unix-Systemen werden diese Behörden nach und nach das ganze Spektrum der Vorteile kompatibler Multiuser-Systeme nutzen können.

*Günter Kordes ist Leiter Branchenmarketing "öffentliche Verwaltungen", NCR GmbH, Augsburg.