Fusionsgespräche von OSF und UI ergebnislos abgebrochen

Unix-Anwender werden sich mit zwei Standards abfinden müssen

20.04.1990

MÜNCHEN (qua) - Ein unerwartetes Ende fanden jetzt die Verhandlungen über eine

Verschmelzung von AT&Ts Unix Software Operations (USO) mit der Unix International Inc. (UI) und der Open Software Foundation (OSF). Wie Ul und OSF übereinstimmend erklärten, sei in diesem Punkt zur Zeit keine Einigung zu erzielen.

"Beide Seiten sind zu der Erkenntnis gekommen, daß wir eine Vereinigung derzeit nicht zustande bringen; es hat also keinen Sinn, hier weiter Ressourcen zu binden", so begründet Paul Wahl, Europa-Direktor der OSF, den Abbruch der Fusionsgespräche. Am Verhandlungstisch saßen für die Ul Fujitsu, NCR, Unisys und Sun, auf seiten der OSF Bull, Digital Equipment, Hewlett-Packard und IBM.

Mit der zur Schau getragenen Einmütigkeit der beiden Unix-Kontrahenten ist es schnell vorbei, sobald die Rede auf die Ursachen für das Scheitern der Fusionsverhandlungen kommt. Während Unix International den Schwarzen Peter der Open Software Foundation zuschiebt, macht diese die Unix-Mutter AT&T dafür verantwortlich, daß ein einheitliches offenes Betriebssystem bis auf weiteres ein Wunschtraum bleibt.

Hindernis für eine Einigung der beiden Gruppierungen sind vor allem die Divergenzen bezüglich der Grundlage-künftiger Betriebssystem-Entwicklungen: USO und Ul plädieren für das AT&T-Unix System V als Entwicklungsbasis; die OSF hingegen pocht auf die Vorzüge des von ihr entwickelten Betriebssystems OSF/1.

Dazu Steinar Hoistad, Managing Director European Operations bei der Unix International Inc.: "Wir hatten zur Bedingung für eine Kooperation gemacht, daß aus Gründen der Aufwärtskompatibilität Unix System V Release 4.0 den Betriebssystem-Kern bildet. Damit war die OSF jedoch nicht einverstanden."

Eine andere Sicht der Dinge vertrat ein Mitarbeiter des OSF-Sponsors Digital Equipment gegenüber der IDG-Schwesterpublikation "Computer Sweden". Nach Aussagen von Skip Garwin, Europa-Marketing-Direktor für DECs Unix-Linie, hatte die OSF bereits zugestimmt, Unix System V als Betriebssystem-Kern zu nutzen - unter einer Bedingung: Die UI sollte die grafische Benutzerschnittstelle OSF/Motif übernehmen. Dieser Vorschlag sei jedoch auf Ablehnung gestoßen.

Für Beobachter der Unix-Szene klingt diese Version der Geschichte wenig plaubsibel - zumal noch Ende Februar ein leitender OSF-Mitarbeiter dem AT&T-Betriebssystem öffentlich das Ende seiner architektonischen Daseinsberechtigung bescheinigt hatte. Wie die CW -Schwester "Computerworld New Zealand" publizierte, äußerte OSF-Regionaldirektor Rod Johnson damals die Ansicht: "Die Multiprozessor-Fähigkeit oder die Sicherheitsfunktionen von Unix V können nicht verbessert werden, ohne das gesamte System neu zu entwerfen."

Hoistadt dementierte Garwins Darstellung denn auch entschieden. Die Open Software Foundation hingegen wollte zum Inhalt der Verhandlungen keine Stellung beziehen. Wahl verwies darauf, daß sich die Parteien gegenseitig zum Stillschweigen verpflichtet hätten.

Unklarheit herrscht auch in einem weiteren Punkt: Verlautbarungen aus OSF-Kreisen zufolge ist AT&T angeblich nicht mehr bereit, die Mehrheit der USO-Anteile zu veräußern. Neuerdings stünden nur noch 40 Prozent der Unix-Division zur Disposition.

Diese Äußerungen bezeichnet UI-Direktor Hoistad schlichtweg als falsch: "AT&T war und ist sehr wohl bereit, die Mehrheit der USO-Anteile zu verkaufen. Wir wissen nicht, warum die OSF so etwas sagt; aber es ist definitiv nicht richtig." Allerdings, so räumte Hoistad ein, werden die USO-Anteile nicht auf einmal, sondern sukzessive abgegeben.

Auch Gillian Mogg, Marketing-Managerin der AT&T Unix Software Operation Europe, reagierte mit Unverständnis auf Garwins Anschuldigung: "Ich denke, hier werden zwei Dinge durcheinander gebracht. Der voraussichtliche Verkauf von Anteilen an der USO war nicht Gegenstand der Verhandlungen, vielmehr ist die Diskussion darüber noch im Gange. Allerdings will AT&T diese Angelegenheit bis Jahresende vom Tisch haben. Wie groß der verkaufte USO-Anteil am Ende sein wird, steht noch nicht fest."

Wahl hält sich zu diesem Thema weitgehend bedeckt: "Wir sind erstens in die Verhandlungen eingetreten mit dem Ziel einer Einheit, die von keiner Gruppe oder Firma dominiert wird; zweitens betrachten wir unseren Technologieweg und unser Auswahlverfahren als wesentliche Voraussetzungen, die auch in der neuen Organisation erhalten bleiben sollten", formuliert der OSF-Manager, "beides war jedoch schwierig zu erreichen."

Dennoch blieben die Gespräche zwischen den drei Unix-Gruppierungen nicht vollkommen ergebnislos; auf der technischen Ebene konnte eine Einigung in vier Punkten erzielt werden: AT&T und die OSF verpflichten sich demnach, Standards wie IEEE Posix 1003.1, XPG3 sowie ANSI X3J11C und X11 einzuhalten. Außerdem haben alle beteiligten Unternehmen ihre Unterstützung für das Xtra-Projekt der X/Open Ltd. zugesagt, mit dem Anforderungen an künftige offene Systeme ermittelt werden sollen.

Darüber hinaus wurde eine Zusammenarbeit bei der Kompatibilitätsprüfung vereinbart. Für die Diskussion neuer Technologien wie Multiprocessing und Internationalisierung, so erklärten die drei Organisationen einmütig, werde eine entsprechende Basis geschaffen. Im übrigen sei es nicht ausgeschlossen, daß auch die Gespräche über eine mögliche Fusion zumindest auf inoffizieller Ebene - weitergeführt würden.

Anmerkung der Redaktion:

Der wichtigen Frage, wie die Kunden auf das - zumindest vorläufige - Ende der Vereinigungsdebatte reagieren, werden wir gesondert auf den Grund gehen. Ein Beitrag, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt, erscheint in der nächsten Ausgabe der COMPUTERWOCHE. +