Newcomer in Deutschland: Shuttlesoft AG

Ungewöhnlicher Börsengang mit staatlicher Rückkaufgarantie

09.07.1999
Von Heide Skudelny* STUTTGART - Mit dem Erlös aus ihrem Börsengang will die Shuttlesoft AG, Bad Camberg, den radikalen Wandel vom IT-Beratungshaus zum Anbieter von Standardsoftware finanzieren. Zudem soll die Expansion in internationale Märkte vorbereitet werden.

Vieles an dieser Neuemission ist ungewöhnlich: Ganze 25000 Aktien will Shuttlesoft voraussichtlich am 9. Juli im Stuttgarter Freiverkehr plazieren. Zwar gibt der Spezialist für Intranet- und Extranet-Anwendungen sowie Workflow- und Knowledge-Management-Komponenten insgesamt 75000 nennwertlose Inhaber-Stückaktien aus. 50000 davon werden jedoch als Privatplazierung Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern zugeteilt. 85 Prozent des Grundkapitals in Höhe von 500000 Euro bleiben damit in den Händen der zehn Altaktionäre und der heute 27 Mitarbeiter. Positiv an dieser Emission ist: Da die Aktien zu 100 Prozent aus einer Kapitalerhöhung stammen, fließt der Erlös vollständig dem Unternehmen zu. Die Altaktionäre haben sich zudem verpflichtet, innerhalb eines Jahres nach Aufnahme des Handels keine weiteren Aktien direkt oder indirekt anzubieten, hieß es auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des Börsengangs in Stuttgart.

Die 1994 als bsc business systems consulting GmbH von ehemaligen Arthur-Andersen-Wirtschaftsprüfern und Softwarefachleuten gegründete Gesellschaft wurde erst vor kurzem in Shuttlesoft umbenannt sowie in eine AG umgewandelt - und rechnet sich zu den drei führenden deutschen Anbietern von Standardbausteinen für ERP-Systeme. Ein Anspruch, der vermutlich etwas zu hoch gegriffen ist. Dafür spricht auch, daß die Aktivitäten der Newcomer bis dato vor allem im Beratungsgeschäft angesiedelt waren. Die Produktpalette der Hessen besteht derzeit im wesentlichen aus rund 20 Softwaremodulen der "Spectrum"-Reihe, wobei die einzelnen Bausteine in sich eine jeweils geschlossene Funktion beziehungsweise Applikation abbilden, zum Beispiel für die Bereiche Adreßverwaltung, Bestellwesen oder Vertriebssteuerung. Die Kunden können dabei einzelne Spectrum-Elemente beliebig zusammenstellen und zu einer Art unternehmensweiter Groupware- oder Workflow-Lösung ausbauen. Zudem ist die Software individuell anpaßbar und läuft auf allen gängigen Plattformen.

Im Visier von Shuttlesoft sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen, da man sich dort im nicht einfachen Produktgeschäft die größten Wachstumschancen verspricht. Im Geschäftsjahr 1998/99 (Ende: 30. April 1999) konnten die Hessen einen Umsatz von 3,3 Millionen Mark erzielen. Dabei resultiert das Ergebnis nach Steuern in Höhe von 800000 Mark nahezu komplett aus dem Verkauf der Unternehmenssparte "Allgemeine EDV-Beratung". Im operativen Geschäft dagegen wurde nur ein ausgeglichenes Ergebnis erzielt, nach einem Jahresüberschuß von 150000 Mark im Vorjahr. Begründet wurde dies mit der "Kapazitätsbindung des Managements" für die Vorbereitung des Börsengangs, der zudem mit Kosten von 350000 Mark zu Buche schlägt.

Die Abwärtsbewegung wird sich auch im laufenden Jahr fortsetzen: Auf zwei Millionen Mark dürfte der Umsatz sinken, die Ertragsplanung sieht einen Verlust von fünf Millionen Mark vor. Im kommenden Jahr sollen die Einnahmen auf fünf Millionen Mark steigen, das Minus sich hingegen sogar auf rund sechs Millionen Mark erhöhen. Als Ursache für die - vorsichtig formuliert: gedämpften Erwartungen - wird die Jahr-2000-Problematik genannt, die derzeit noch alle Kapazitäten (und Investitionen) bei den Kunden bindet. Dazu kommt besagter Schwenk vom Projekt- zum Produktgeschäft, die entsprechende Weiterentwicklung und Ergänzung der eigenen Softwarelösungen sowie die hohen Anlaufkosten für die internationale Ausrichtung - vor allem für den Einstieg in den US-Markt. Hauptgesellschafter und Vorstandschef Thomas Berger veranschlagt dafür in den kommenden zwei Jahren einen Kapitalbedarf von zehn Millionen Mark. Drei Millionen Mark soll der Börsengang in die Kasse bringen; drei Millionen Mark überweist die tbg Technologie-Beteiligungs-Gesellschaft mbH, eine 100prozentige Tochter der Deutschen Ausgleichsbank, als "stille Beteiligung".

In Deutschland wollen die Hessen schon im Geschäftsjahr 2000 positive Zahlen vorlegen. "Konzernweit" dürfte sich indes erst ab 2001 die wirtschaftliche Lage aufhellen, mit einem geplanten Umsatz von zwölf Millionen Mark und einem geringfügig positiven Ergebnis. 2002 soll dann ein Umsatz von 21,5 Millionen Mark in der Bilanz stehen sowie ein Jahresüberschuß von sieben Millionen Mark (siehe Abbildung) - nicht unbedingt eine Wachstumsstory.

Den Anlegern wird deshalb ihr Engagement durch ein bislang einzigartiges Modell schmackhaft gemacht. Ihnen gewährt die tbg eine Rückkaufgarantie für alle Papiere bis zu einer Höhe von zehn Euro (abzüglich Gebühren) pro Aktie für den Fall, daß Shuttlesoft in den kommenden fünf Jahren insolvent wird. Diese Garantie ist mit der Aktie verknüpft, gilt also auch bei späterem Kauf über die Restlaufzeit.

Erstmals wird diese seit 1995 unter eingeschränkten Bedingungen gewährte Ausfallbürgschaft durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit einer Kapitalaufnahme an der Börse verknüpft.

Zuvor wurde diese Sicherheit nur sogenannten Lead-Investoren, meist Venture-Capital-Firmen, gegeben, die sich dafür mit einem Betrag in gleicher Höhe beteiligen mußten. Seitens der tbg wurde dieses Novum mit "der ausgewiesenen Management-Kompetenz bei Shuttlesoft und der professionellen Begleitung durch Rechtsberater und Wirtschaftsprüfer" begründet.

*Heide Skudelny ist freier Journalist in Stuttgart.