Gastkommentar

Unbeteiligte Virenopfer

14.07.2000
Eitel Dignatz, Dignatz Consulting, München

Wahre Liebe ist bedingungslos - wahre Schlamperei ebenso. Virenplagen bescherten uns nicht nur "Melissa", "I love you" und "Newlove", sondern neuerdings auch "I-Worm.timofonica", der über bemerkenswerte Qualitäten verfügt und sogar Alarmierungssysteme außer Betrieb setzen kann, die SMS-Nachrichten auf Handys schicken. Bedrückend ist, dass aus Melissa, dem ältesten dieser Viren, offensichtlich keine Lehren gezogen wurden, denn andernfalls wären I love you & Co. schon auf dem ersten Ziel-PC versandet und hätten keine Chance gehabt.

Wenn I-Worm.timofonica den befallenen PC dadurch ruiniert, dass es den Inhalt des CMOS-Speichers ebenso löscht wie die Festplatte, ist das eigentlich nicht weiter schlimm. Wer seinen Waffenschrank unverschlossen lässt, kann sich schließlich nicht als Opfer wähnen, wenn seine Lieblingsflinte gestohlen und damit Nachbars Fensterscheiben zerschossen wurden.

Was hier zählt, ist der Schaden, den Unbeteiligte erleiden, "collateral damage" nennen das die US-Militärs. Von lahm gelegten Funk-Pagern, die, ähnlich wie Handys mit SMS, zur Textübertragung verwendet werden, können Amerikaner seit dem Satellitenausfall 1998 ein Lied singen. Zumindest im medizinischen Bereich ging es Zeitungsberichten zufolge im einen oder anderen Fall um Leben und Tod.

Schon dass einem Alarmierungssystem im Ernstfall nicht mehr unbedingt zu trauen ist, stellt einen beträchtlichen Schaden dar - selbst dann, wenn es bis dato klaglos funktioniert hat. Vorhersagbar waren Viren dieser Art allemal, denn schließlich kam auch der Scriptcode von I love you frei Haus und kann von jedermann zu einem neuen Virus mutiert werden. Da wird in nächster Zeit wohl keine Langeweile aufkommen.