Die Zukunft: Zwölf große Leasinganbieter halten 70 Prozent des Marktes

Unabhängige müssen Angebot mit Zusatznutzen anreichern

03.07.1992

Hauptmerkmal der DV-Leasingbranche ist seit Jahren die Unbeständigkeit ihrer Zusammensetzung. Hervorgerufen werden die extremen Marktverwerfungen nicht allein durch Akquisitionen, Zusammenschlüsse und Pleiten von Marktteilnehmern. Viele Leaser weichen dem deutlich gestiegenen Wettbewerbsdruck vielmehr durch Rückzug in Nischenmärkte oder ins Heimatland aus.

Letzteres gilt vor allem für DV-Vermieter aus den USA, dem Geburtsland des Leasings: Ohne profunde Kenntnisse der uneinheitlichen, oftmals mentalitätsgeprägten Wünsche der Kundschaft in den verschiedenen europäischen Nationen vermochten sie die Verlustzone nie zu verlassen.

Die jährliche Umfrage der European Computer Leasing & Trading Associaton (Eclat), des Dachverbandes der Computerverleiher, belegt eindrucksvoll das Auf und Ab der Leasinggeber auf dem europäischen Mietmarkt. Die Marktteilnehmer werden dabei gefragt, welche drei Mitbewerber für sie den größten Stellenwert haben. Ergebnis: 1991 waren 13 Unternehmen, die noch im Jahr zuvor unter den wichtigsten 32 Leasinggebern genannt wurden, nicht mehr in der Branchenliste vertreten. Dafür katapultierten sich bei der letztjährigen Branchenbefragung gleich 15 neue Namen in die Rangliste der wichtigsten Leasinggesellschaften.

Ursachen für die hohe Marktvolatilität

Die Eclat-Erhebung über die Einschätzung des Mitbewerbs gibt zwar keineswegs Aufschuß über die reale Umsatzverteilung im Leasingmarkt, doch zeigt sie eindeutig, wie wenig konsolidiert das Geschäft mit dem Verleih von DV-Gerätschaften bislang ist. Vier Hauptursachen sind für die überaus hohe Marktvolatilität in erster Linie verantwortlich: Einerseits gewinnen die Anwender als Leasingnehmer zunehmend an Erfahrung im Aushandeln von Verleihkontrakten; dieses Know-how suchen sie nicht zuletzt aufgrund ihrer schmaler gewordenen DV-Portefeuilles ergebnismaximierend in geleaste DV-Ausrüstung umzusetzen.

Auf der anderen Seite geraden die zahlreichen unabhängigen Leasinganbieter zunehmend unter den Druck der herstellergebundenen Leasingdienste. Insbesondere die weltweit agierenden Systemanbieter wie IBM, DEC, Comparex und Amdahl zielen mit der Etablierung eigener Leasinghäuser vor allem auf die langfristige Kontrolle der DV-Budgets bei ihren Kunden ab. Sie können dabei den Trumpf flexibler Preisgestaltung ausspielen, der sich durch die enge Bindung der Leasingtochter an das herstellende Mutterhaus ergibt.

Als dritter und wichtigster Faktor im Leasinggeschäft entpuppt sich zunehmend die immer schnellere Abfolge der Technologiezyklen. Sie zwingt

sowohl Leasinggeber als auch -nehmer dazu, präzisere Marktpreis- und Restwertberechnungen für geleaste Gerätschaften vorzunehmen, und, gekoppelt mit Optionen auf Systemauf-und -nachrüstung, in detaillierte, aber gleichwohl flexible Leasingbestimmungen einfließen zu lassen.

Viertens ergibt sich eine weitere Auffächerung der technologiebestimmten Leasingvereinbarungen durch das allmähliche Downsizing der DV-Architekturen. Die damit einhergehende Dezentralisierung der Hardware- und Softwarelandschaften führt zur Herausbildung partikularisierter Entscheidungsstrukturen hinsichtlich der Anschaffung und der Implementierung von DV-Systemen. Damit gerät auf seiden der Anwender die Koordinierung und Festlegung eines unternehmensweiten DV-Budgets zu einem vielschichtigen Abstimmungsprozeß zwischen mehreren Profit-Center-verantwortlichen Abteilungen. Die Leasinganbieter müssen sich ihrerseits auf nicht standardisierbare Kundenwünsche einstellen, je mehr ihnen als Vertragspartner zahlreiche Benutzerabteilungen statt einer zentralen DV-Instanz gegenüberstehen. Geprägt wird der Leasing-Markt seit einigen Jahren zunehmend durch die IBM. Die entscheidenden Kennziffern sind hierbei der Anteil von rund 50 Prozent, den IBM-Equipment im Leasing-Portfolio der Anwender durchschnittlich belegt, sowie die Marktführerschaft der Financial-Services-Gesellschaften von IBM im gesamten Leasinggeschäft. In der Eclat-Umfrage wird die IBM mit ihren Leasing-Tochterunternehmen von fast 70 Prozent aller Marktteilnehmer als der wichtigste Hauptkonkurrent genannt.

Erst mit weitem Abstand (25 Prozent) folgt das Leasinghaus Comdisco an zweiter Stelle. Den folgenden Platz teilen sich mit einem Nennungsquote von jeweils 11,1 Prozent ECS, COS, DEC und Meridian.

Angesichts der knapp gewordenen Margen sowie der Suche vieler Leasingnehmer nach finanziell stabilen DV-Vermietern dürfte die Marktdurchdringung von IBM exemplarischen Charakter besitzen: Man kann davon ausgehen, daß nur ein gutes Dutzend großer Leasingkonzerne die derzeitige Konsolidierungsphase überleben werden. Sie dürften sich dann, gewachsen durch Aufkäufe und Fusionen, mit rund 70 Prozent Marktanteil das weitaus größte Stück des Leasingkuchens einverleibt haben. Den Rest des Leasinggeschäfts werden, angereichert durch Wiederverkaufsgeschäfte an Händler und Endverbraucher, einige hundert Fremdfinanzierungs-Häuser unter sich aufteilen. Ihr Überlebensraum sind Nischenmärkte, in denen sie dem Geschäftsterrain der Großanbieter fern bleiben. Die mittelgroßen Leasinganbieter, die derzeit noch das größte Marktsegment besetzen, werden damit weitgehend aussterben.

Bis dieses Stadium erreicht ist, stehen der Leasingbranche jedoch noch einige turbulente Jahre bevor. So gab in der l991er Eclat-Befragung die Hälfte aller Leasingunternehmen die Absicht zu Protokoll, sich im Laufe der nächsten zwei Jahre auf Akquisitionstour zu begeben. Für die Anwendergemeinde ist dies ein Zeichen, ihr Augenmerk auf die finanzielle Solidität des Leasinggebers zu richten. Im Vorgriff auf die zu erwartende Marktbereinigung glauben sie sich gut beraten, ihre Verträge schon heute mit den Räubern anstatt mit der potentiellen Beute abzuschließen.

So berechtigt diese Einschätzung grundsätzlich erscheint, so hinderlich kann sie für die Einführung innovativer Leasingkonzepte sein, die die Umbrüche in den DV-Landschaften reflektieren. Denn insbesondere die derzeitigen Marktführer im Leasinggeschäft haben ihre Erfolgsgeschichte im wesentlichen im Mainframe-Bereich geschrieben. Dort galt lange das Prinzip: Eine Maschine entspricht vertraglich einer Leasingeinheit mit definierten Leasingraten und Laufzeiten.

Im Zeitalter der offenen, verteilten Systeme nehmen die Vertragsvariablen hingegen fast exponentiell zu: Statt Maschinen eines Herstellers gilt es, eine Vielzahl von detaillierten Komponenten zu identifizieren, die unterschiedliche Technologie-, Produkt- und Betriebs-Lebenszyklen aufweisen und obendrein noch von verschiedenen Herstellern stammen. Marktpreis-, Restwert- und Laufzeitberechnungen lassen sich unter solchen Bedingungen nicht mehr standardisiert durchführen. Die Entscheidung zwischen Kauf oder Leasing sowie die Definition von Leasingbestimmungen unterliegen einem komplexen Bedingungsgefüge.

Hinsichtlich der Entscheidung zwischen Kauf oder Leasing lassen sich unter Bedingungen der finanziellen Wahlfreiheit zwei Grundannahmen formulieren: Bei Komponenten, deren technologische Entwicklung sowohl extrem große als auch minimale Preis-Leistungs-Verbesserungen erwarten lassen, ist der Kauf anzuraten. Denn im Falle extremer Verbesserungen werden weder Leasinggeber noch -nehmer bereit sein, hochriskanten und damit für den anderen Vertragspartner potentiell gewinnbringenden Leasingraten zuzustimmen; im letzteren Fall ist die Risikostreuung so gering, daß die Flexibilität einer Kaufentscheidung ebenfalls ausschlaggebend sein sollte.

Entscheidet sich der Anwender für den Abschluß eines Leasingvertrages, können neutrale Marktdaten eine wesentliche Hilfe bei der Ausgestaltung der Leasingbestimmungen sein. Sie vermögen über die Preis- und Technologieentwicklung der jeweiligen Komponente in methodisch transparenter Form Aufschluß zu geben und können damit als unstrittiges Basismaterial dem eigentlichen Verhandlungsprozeß zugrunde liegen.

Angesichts des harrten Wettbewerbs im Leasingmarkt wird das Verhandlungsgeschick auf seiden der Leasinggeber jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung für die Frage ihres Überlebens haben. Um den starken herstellergebundenen Leasinghäusern Paroli bieten zu können, müssen die unabhängigen Anbieter ihr Geschäft mit zusätzlichen Service-Angeboten anreichern.

Die Bandbreite reicht hier vom Leasing mit Gebrauchtgeräten über Wartungsdienste bis hin zu Software-Engineering-Leistungen. Da auch die großen Herstellervermieter zunehmend in diesen Sparten aktiv werden benötigen die Unabhängigen im Konsolidierungskampf außer schnellgreifenden, innovativen Vertriebskonzepten jedoch vor allem Kapital, um Kontrahenten zu schlucken, und langen Atem.

*Frank Sempert ist Geschäftsführer der Gartner Group GmbH, Frankfurt/M.