Prominente Experten kritisieren das Prozedere

UMTS-Auktionen lösen Standortdebatte aus

16.06.2000
MÜNCHEN (jha) - Wie ein Schock wirkt die Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Großbritannien nach. Dort sind für das Recht, breitbandige Mobilfunkdienste anzubieten, Milliardensummen über den Tisch gewandert. Nun warnen IT-Experten davor, durch hohe Lizenzkosten den Vorsprung der Europäer im Mobile-Commerce-Markt zu verspielen.

"Was in Großbritannien passiert ist, ist ein Desaster", kommentierte Nicholas Negroponte, Direktor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), die britischen UMTS-Lizenzversteigerungen. Er warf der Londoner Regierung vor, durch die Versteigerung Kinder und Enkel zu verraten. Der Staat bürde jedem UMTS-Nutzer eine unsinnige und versteckte Steuer von rund 1000 Dollar ohne Gegenleistung auf. "Hinter diesen 1000 Dollar stecken keinerlei Forschung, keine neuen Produkte, keine neue Infrastruktur, keine neuen Geräte und keinerlei Potenzial für die allgemeine Verfügbarkeit", schimpfte Negroponte. Mit Nachdruck riet er anderen Ländern, dem britischen Beispiel nicht zu folgen.

Finanzminister Hans Eichel scheint gegen solche Einwände immun. Bis zu 120 Milliarden Mark erwarten Experten aus der UMTS-Versteigerung (UMTS = Universal Mobile Telecommunications System), die Deutschlands oberster Steuereintreiber zur Schuldentilgung verwenden will. Der Geldsegen kommt unverhofft, weil die Väter des Telekommunikationsgesetzes (TKG) den Wert der Frequenzen unterschätzt haben. "Die heute gehandelten Beträge waren damals nicht prophezeit worden, so wie es überhaupt der Mangel des TKG ist, dass seine Väter das Internet überhaupt nicht im Blick hatten", erläutert Jörg Tauss, Medienexperte der SPD-Bundestagsfraktion.

Heftige Kritik an den Versteigerungsplänen keimt längst auch hierzulande auf. SPD-Vordenker Peter Glotz ging mit der Art und Weise der Vergabe des wertvollen Guts Frequenz durch die Politik in einer "Spiegel"-Kolumne hart ins Gericht, als er fragte: "Welches Berechtigung hat der Staat für diesen Aderlass?". Im Zentrum seiner Argumentation steht jedoch die in den Ländern der EU unterschiedliche Vorgehensweise. "Es ist ein Stück aus dem Tollhaus, wenn die spanische Telefónica zu Hause (Spanien hat sich für den Beauty Contest entschieden - Anm. der Red.) so viel Geld spart, dass sie in Deutschland und anderswo die Preise treiben kann. Ist das die neue Version europäischer Wettbewerbspolitik?", unkt der Medienexperte.

Doch die Entscheidung für die Versteigerung steht, und an ihr wird nicht mehr gerüttelt. Während sich Tauss dafür ausspricht, die durch die Schuldentilgung erreichbaren Zinseinsparungen gezielt für die Gestaltung der Informationsgesellschaft zu verwenden ("Ich wundere mich, wie wenig Phantasie Verbände und Industrie aufbringen, etwa über die Initiative D21 entsprechende Anregungen zu formulieren"), verschließt sich die Regulierungsbehörde (Reg TP) der Diskussion über die Folgen der hohen Lizenzkosten. "Wir verlangen einen Mindestpreis von 200 Millionen Mark, was darüber hinaus geboten wird, ist Sache der Unternehmen", zeigt sich Rudolf Boll, Sprecher der RegTP unnachgiebig. "Sie müssen zusehen, wie sie das Geld wieder hereinbekommen.

Kompromiss zur Güte: Allianzen bildenLetztendlich befinden sich die Politik und die Reg TP in einer Zwickmühle, denn die Versteigerung gilt bei vielen Experten als das bessere Verfahren, weil es für die Beteiligten transparent ist. Beim Beauty Contest, so mutmaßen die Marktbeobachter, komme nicht unbedingt der Beste und Finanzkräftigste zum Zuge, vielmehr falle dort eine Entscheidung zugunsten lokaler TK-Größen. "Einen goldenen Mittelweg zwischen beiden Formen gibt es nicht", fürchtet Gerhard Thomas, Geschäftsführer bei der Andersen Consulting Unternehmensberatung GmbH. Um die Kosten pro Lizenz nicht in unendliche Höhen zu schrauben, fordert er die Reg TP auf, Allianzen zwischen den mittlerweile nur noch zehn Bewerbern zu forcieren. Damit ließen sich die Vorteile der Versteigerung bewahren und der finanzielle Aufwand pro Anbieter reduzieren. Damit bliebe zudem Spielraum für die Entwicklung neuer Dienste.