Umsetzung in deutsches Recht laesst weiter auf sich warten EU-Richtlinie fuer DV-Arbeit ist nicht nur ein Kostenfaktor

10.02.1995

BONN (wm) - Ab 1997 gilt die EU-Richtlinie zur Bildschirmarbeit in Deutschland. Zwar fehlt noch immer die Umsetzung des europaeischen in deutsches Recht, doch auf einer von Euroforum veranstalteten Konferenz wurde unter anderem klar, dass private und oeffentliche Arbeitgeber zur Analyse und Mindestausstattung eines DV- Arbeitsplatzes angehalten werden.

Das Fenster im Ruecken, den Drucker zur Seite, einen Holzstuhl unter und den Monitor vor sich. Die Folgen schlecht ausgestatteter DV-Arbeitsplaetze schlagen sich in den Krankheitsstatistiken nieder: Die Haelfte aller DV-Beschaeftigten wird bis zum Jahr 2000 ueber Beschwerden im Muskel- oder Skelettapparat klagen, lautete die Prognose eines amerikanischen Arbeitsmediziners im Herbst vergangenen Jahres. Liessen sich die Zahlen eins zu eins auf Deutschland uebertragen, muesste mit ueber zehn Millionen Beschwerdefuehrern gerechnet werden.

Das DV-Arbeitsrecht muss vereinheitlicht werden

"Soweit wird es nicht kommen", urteilte Ahmet Cakir, Leiter des Ergonomie-Instituts in Berlin, auf der Bonner Euroforum-Konferenz. Technisch seien die Geraete hierzulande auf einem besseren Stand als in den USA.

Dennoch ist Deutschland keineswegs das Land der glueckseligen DV- Benutzer. Viele Sicherheitsvorschriften oder DIN-Richtlinien sind rechtlich nicht bindend oder sehr grosszuegig formuliert.

Zu den Institutionen, die die Forderungen der EU-Richtlinie am konsequentesten umgesetzt haben, gehoert die Bayerische Genossenschaft fuer Rechenzentren. In einer Betriebsvereinbarung wurde auf Initiative des Betriebsrates die Analyse des Arbeitsplatzes im zweijaehrigen Rhythmus ebenso festgeschrieben wie die Einhaltung gewisser Mindestvorschriften. Dazu gehoeren die schwedische MPR-II-Norm fuer Bildschirme und das Regelmass von 15 Quadratmetern Bueroflaeche pro DV-Arbeitsplatz.

Was fuer die bayerischen RZ-Angestellten eindeutig ist, erscheint in anderen Unternehmen weniger klar: Wer profitiert vom neuen EU- Recht? In der Vorlage der Bundesregierung ist die Rede von allen Arbeitnehmern, die einen "nicht unwesentlichen Teil ihrer Zeit" an einem Rechner verbringen. Was darunter genau zu verstehen ist, konnte auch Ulrich Riese vom Bundesarbeitsministerium nicht sagen. "Die Arbeitsgerichte werden entscheiden muessen. Unseren Vorschlag, die Grenze bei zwei Stunden pro Arbeitstag zu ziehen, haben die Tarifpartner nicht angenommen."

Die EU-Richtlinie enthaelt keine Vorschriften, wie die Arbeitsplatzanalyse ablaufen soll, wer im Unternehmen daran beteiligt wird und welche staatlichen Stellen die Ergebnisse kontrollieren. Sicher ist nur, dass eine Gesamtbetrachtung jedes einzelnen Arbeitsplatzes noetig ist, angefangen beim DV-Equipment wie Monitor und Tastatur ueber Tisch und Beleuchtung bis hin zu Arbeitspausen und -organisation. Hier duerften auch die groessten Kosten auf die Arbeitgeber zukommen. Grosse Unternehmen, so zeigte die Konferenz, planen die Arbeitsbedingungen ihrer Angestellten heute vor allem auf dem Papier. In Kleinbetrieben wiederum wird der PC als bessere Schreibmaschine gesehen. Beides ist nach EU- Recht auf Dauer nicht angaengig.

Problematisch sei die Forderung nach ergonomischer Software. Sie scheint fuer viele Unternehmen eine unueberwindliche Huerde zu sein, in denen Standardsoftware zum Einsatz kommt, die von den Firmen selbst nicht an europaeische Richtlinien anpasst werden kann. Es sei doch recht unwahrscheinlich, dass "sich Hersteller wie Microsoft oder Lotus an die Programmiervorschriften der EU halten", beklagte ein Teilnehmer.