Turbulente Zeiten für Business Intelligence

05.02.2007
Unkoordinierte Projekte, neue Techniken und Anbieterkampf - Unternehmen erwarten anstrengende Jahre.

Rund 750 Vertreter aus Industrie und Anwenderunternehmen folgten dem Ruf der Gartner-Analysten zum alljährlichen "Business Intelligence Summit" nach London. Was sie dort zu hören bekamen, waren vor allem mahnende Worte. So bestätigte zwar eine aktuelle Gartner-Umfrage unter CIOs, dass BI bei diesen wie im Vorjahr auch 2007 die höchste Priorität unter den Technikthemen genießt. Bei der Umsetzung entsprechender Lösungen hapert es jedoch oft. "BI ist eine strategische Initiative und nicht nur ein Reporting-Projekt", erinnerte Andreas Bitterer, Vice President Research, die Anwesenden. Anwender müssten endlich verstehen, dass BI-Initiativen "nie enden".

Softwareriesen versus Spezialisten

Auf dem Markt für BI-Software stehen sich die weltgrößten Softwareanbieter Microsoft, Oracle und SAP sowie traditionelle BI-Spezialisten wie Business Objects, Cognos, Hyperion, SAS Institute, Microstrategy oder Information Builders gegenüber. Laut neuen Erhebungen von Gartner zu "BI-Plattformen" (Infrastruktur, Tools) wird der BI-Markt in der Region Europa, Naher Osten und Afrika (Emea) bis 2010 mit einer durchschnittlichen Rate von 9,7 Prozent weiter wachsen und dann ein Volumen von 1,9 Milliarden Euro erreichen. 2006 besaßen die BI-Spezialisten in der Emea-Region einen Marktanteil von 64 Prozent, doch wuchsen ihre Umsätze nur um durchschnittlich sieben Prozent. Microsoft, SAP und Oracle konnten sich 22 Prozent des Marktes sichern, legten aber -ausgehend von einem niedrigeren Niveau - um durchschnittlich 54 Prozent zu. Neue Anbieter oder solche mit innovativer Technik wie Qlicktech, Applix, Spotfire, Arcplan oder Panorama hielten 2006 einen Marktanteil von vier Prozent. Die Analysten erwarten dramatische Marktverschiebungen in den nächsten Jahren.

Lockrufe der BI-Hersteller

Für 2007 sind eine Reihe neuer Marketing- und Vertriebsaktivitäten zu erwarten. Dabei werden Anbieter:

• mehr Druck auf Kunden ausüben, Upgrades vorzunehmen oder BI unternehmensweit einzuführen;

• BI als Teil von Geschäftsprozessen bewerben, um neue Produkte und Systemwechsel zu rechtfertigen;

• neue OEM-Partner unter den Anbietern von Unternehmenssoftware suchen;

• weitere Wiederverkäufer engagieren;

• in neue Techniken investieren;

• in angrenzende Märkt wie Corporate-Performance-Management und Datenintegration vordringen;

• Mietsoftware anbieten;

• Reporting-Lösungen zu Plattformen für die Metadaten-Verwaltung aufwerten.

Hausgemachte Probleme

Immer noch gebe es zu viele hausgemachte Hindernisse für eine systematische und erfolgreiche Einführung von BI-Lösungen, so Bitterer. So würden Unternehmen einen Zoo an Tools für Analyse und Reporting unterhalten und damit unnötige Kosten verursachen. Üblich sei es auch, aufgrund firmen- oder abteilungspolitischer Gründe ungeeignete Technik einzuführen oder wichtige Management-Informationen irgendwo in Spreadsheets abzulegen. Bitterer kritisiert auch, dass oft mit einer unzureichenden oder fehlerhaften Datenbasis gearbeitet werde, zumal oft nicht geregelt sei, wer sich eigentlich um die Daten kümmere.

Die gefährlichen Vier

Eile ist geboten, denn die Anforderungen an die Data-Warehouse-Systeme steigen in den kommenden Jahren erheblich. Bitterer fasst diese mit den Schlagworten "volume, velocity, variety and validity" zusammen. Gelten heute Lösungen mit mehreren Terabyte Daten noch als groß, wird es schon bald erste zentralisierte Petabyte-Systeme geben (ein Petabyte = 1000 Terabyte). Diese verwalten mehr Detaildaten, die vor allem durch Transpondertechniken wie RFID entstehen, haben kürzere Update-Zyklen (oft täglich) und integrieren Daten aus immer mehr internen und externen Quellen, deren Halbwertszeit stetig sinkt. Die Folge können Dateninkonsistenzen sein. Möglich ist auch, dass BI-Systeme mit veralteten (und damit falschen) Daten arbeiten. Die Folge wären geschäftliche Risiken und ein massiver Vertrauensverlust der Endbenutzer.

Als Ausweg raten die Analysten zu gut organisierten BI-Initiativen ("BI Governance"). Diese müssen regeln, wer im Unternehmen für die Datenqualität, das Datenmodell und die technische Infrastruktur zuständig ist. Als sinnvolles Steuerungsinstrument hat sich laut Gartner der Aufbau eines "Business Intelligence Competence Centers" (BICC) erwiesen. Dieses kann dem CIO oder dem COO unterstellt sein. Alternativ ist auch eine virtuelle Organisation zwischen Fachbereichen oder ein dezentraler Ansatz mit mehreren BICCs praktikabel. Wichtig ist laut Bitterer nur, dass in diesen Teams Softwarearchitekten, Experten für Datenintegration und -qualität sowie Kenner der Quellsysteme gemeinsam mit Vertretern der Fachbereiche eine BI-Strategie entwickeln. Letztere muss Trends bei der Nutzung von BI-Lösungen sowie den unruhigen Markt für BI-Software berücksichtigen.

So erwartet Gartner, dass immer mehr Unternehmen sich gezwungen sehen, ihr Werkzeugportfolio zu migrieren oder zu konsolidieren. Problematisch sei hierbei, dass Hersteller kaum Funktionen anböten, um bisherige Installationen auf ein neues BI-System zu überführen. Ein "Reverse Engineering" bestehender Berichte ist oft nicht gestattet. "Ich dachte eigentlich, dass sie den Kunden gehören?" wundert sich Bitterer. Daher sei der manuelle Aufwand bei Migrationen erheblich. Probleme könnten auch die wachsenden internen und externen Benutzergruppen machen, die unterschiedliche Anforderungen an Inhalte, Optik und Nutzung von BI-Umgebungen stellten und mit gleichzeitigen Abfragen und Auswertungen die Systeme unter Druck brächten. Zudem ergeben sich laut Gartner vermehrt Herausforderungen dadurch, dass neue analytische Anwendungen zum Einsatz kommen, die Unternehmensplanung, Forecasting/Prognosen oder Kundenanalyse mit (verborgenen) Detaildaten versorgen sollen.

Techniken befreien Anwender

Und damit nicht genug: weitere BI-Techniken stehen unmittelbar vor ihrer Erprobung oder breiteren Einführung. Sie werden der IT wieder mehr abverlangen, aber auch die Lizenzpreise unter Druck setzen. Gartner Research Director Kurt Schlegel spricht in diesem Zusammenhang von "market-leveling technologies". Sie ermöglichen es, BI-Funktionen und Produkte flexiblel einzuführen und senken die Einstiegsbarrieren für neue Anbieter. Zu diesen Techniken zählt Ajax, das die Entwicklung ansprechender grafischer BI-Oberflächen erleichtern und verbilligen soll - ein Gebiet, in das traditionelle BI-Hersteller viel Geld investiert haben.

Wandel der Analysetechnik

Im Kommen sind ebenfalls Analyseprodukte, die dank der Verbreitung des 64-Bit-Computing Daten im Arbeitsspeicher schnell auswerten können. Sie gelten als günstige Konkurrenz zu den von allen BI-Größen angebotenen multidimensionalen Olap-Datenbanken (Olap = Online Analytical Processing) bei gleicher oder höherer Leistung, so Gartner. Die Verbreitung der Abfragesprache "Multidimensional Expressions" (MDX) und der Standardschnittstellen ODBO und XMLA verstärken den Druck auf die Olap-Gemeinde. So gewinnen Anwender dank MDX mehr Freiheit bei der Auswahl von Olap-Frontends. ODBO und XMLA könnten eine vergleichbare Wirkung beim Zugriff auf Olap-Datenbanken haben wie seinerzeit die Standards ODBC und SQL für relationale Datenbanken. Damit nicht genug, habe Microsoft durch die Markteinführung der Server-basierenden "Excel 2007 Services" signalisiert, künftig nicht nur den Client für andere Olap-Server stellen zu wollen.

Haifischbecken

Die genannten Trends und gute Marktaussichten werden laut Gartner zu großen Übernahmen führen. (siehe Kasten "Lockrufe der BI-Hersteller"). Gartner geht davon aus, dass sich die Herstellerlandschaft durch Übernahmen massiv verändern wird (siehe Kasten "Softwareriesen versus Spezialisten"). Seit Monaten kursieren Gerüchte, große BI-Spezialisten wie Cognos oder Business Objects könnten geschluckt werden. Als Käufer werden Oracle oder IBM gehandelt, die sich so eine größere Kundenbasis und erprobte Technik für Reporting sichern könnten. Andere große Hersteller wie HP und Sun könnten ebenfalls versuchen, sich in den Markt einzukaufen. Bedroht sind auch kleinere Anbieter und innovative Neueinsteiger, die seit geraumer Zeit von der BI-Elite übernommen werden. So waren in den letzten Monaten Anbieter von Tools für Datenqualitäts-Management, Datenintegration oder Finanzanalysen begehrt. "Bisher haben Übernahmen den Markt nicht grundsätzlich verändert, dies wird in der kommenden Runde anders sein", warnt Analyst Schlegel.