Reorganisation des gesamten Produktionsvorganges ist gefragt:

Trichter verknüpft CIM und Logistik-Ansatz

23.10.1987

In allen Industrieländern ist zur Zeit ein tiefgreifender Wandel in der Produktion zu beobachten. Neben der Einführung neuer Werkstoffe und Fertigungsverfahren geht es dabei vor allem um die Reorganisation des gesamten Produktionsvorganges mit dem Ziel, rasch und flexibel auf die Kundenwünsche reagieren zu können. Hierzu stehen sowohl der CIM- als auch der Logistik-Denkansatz zur Verfügung.

Beide Denkansätze überschneiden sich teilweise. Beim Computer Integrated Manufacturing (CIM) steht die integrierte Informationsverarbeitung für betriebswirtschaftliche und technische Aufgaben eines Industriebetriebes im Vordergrund. Durch die so mögliche Datenintegration und Vorgangsintegration an einem Arbeitsplatz wird der gesamte Produktentstehungsprozeß wesentlich verkürzt. Die Logistik betont demgegenüber die bedarfsgerechte Kundenversorgung, wobei der Materialfluß und der begleitende Informationsfluß vom Lieferanten über die eigene Produktion bis zum Verbraucherort des Kunden als Leitlinie dient. Folgerichtig ergibt sich daraus die Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik.

Bei CIM sind die Hauptziele: Gewährleistung der technischen Produktfunktion, die Beschreibung, Erzeugung und Messung geometrischer Produktdaten und die Sicherung der technischen Qualitätsmerkmale. Die Logistik sieht ihre Hauptziele in der Beherrschung der gesamten Durchlaufzeit vom Eingang des Kunden- beziehungsweise Betriebsauftrags bis zur Bereitstellung, in der möglichst guten Einhaltung zugesagter Termine, in der Minimierung der Bestände an unfertigen, angearbeiteten und fertigen Waren sowie in der gleichmäßigen und möglichst hohen Auslastung der verfügbaren Betriebsmittel und Arbeitskräfte. Man könnte diese Ziele auch als logistische Qualitätsmerkmale bezeichnen.

Grunddaten in Form von Stücklisten

Der zentrale Baustein beider Ansätze ist die Produktionsplanung und -steuerung (PPS), denn die CIM-Bausteine CAD und CAP liefern einerseits die zur PPS notwendigen Grunddaten in Form von Stücklisten, Arbeitsplänen und Betriebsmittelbeschreibungen, während die Logistik andererseits die für CIM wesentliche Verknüpfung der innerbetrieblichen Produktherstellung mit der externen Einkaufs- und Vertriebssteuerung herstellt. Beide Ansätze sind gleichermaßen wichtig, jedoch wird CIM eher in der kundenspezifischen Einzel- und Kleinserienfertigung als Leitmotiv dienen, während bei variantenreichen Serienfertigern vorzugsweise die Logistik diese Rolle übernimmt.

Eine wirklich überzeugende Verknüpfung beider Ansätze wird jedoch erst dann möglich sein, wenn es gelingt, den Auftragsdurchlauf in einem Modell so zu beschreiben, daß die erwähnten vier logistischen Ziele Durchlaufzeit, Termineinhaltung, Bestand und Auslastung in ihrer Beziehung zueinander deutlich und damit einer mathematischen Behandlung zugänglich werden.

Bildliche Darstellung des Auftragsdurchlaufs

Die Anforderungen an ein derartiges Modell sowie die denkbaren Anwendungen lassen sich in Stichworten so beschreiben: Die Praxisnähe muß gewährleisten, daß alle Komponenten der logistischen Kette beschrieben werden können, also der Durchlauf durch die Konstruktion, Arbeitsvorbereitung, Einkaufsabteilung, Fertigung, Montage und Lager. Die für den Modellaufbau erforderlichen Daten müssen aus den üblichen Betriebsdaten zu gewinnen sein, wozu vor allem die Betriebsgrunddaten und Rückmeldungen zu zählen sind Das Modell muß ferner eine bildliche Darstellung des Auftragsdurchlaufs gestatten, also visualisierbar sein. Schließlich muß es sich numerisch beschreiben lassen und damit geeignet sein zum Rechnereinsatz.

Das Modell eröffnet damit drei Anwendungen. Als Monitoring soll in Anlehnung an die Prozeßbeobachtung technischer Fertigungsvorgänge eine realitätsgetreue Abbildung des Auftragsdurchlaufs in Form von Grafiken und Kennzahlen verstanden werden. Die Diagnose hat auf der Basis des Monitorsystems die Aufgabe, die Ursachen festgestellter Abweichungen zwischen Soll- und Istwerten zu ermitteln und Maßnahmen zur Verbesserung zu generieren. Schließlich läßt sich mit einem "richtigen" Modell des Auftragsdurchlaufs eine Regelung realisieren, um damit den Fertigungsprozeß für Stückgüter nach den gleichen Grundsätzen zu behandeln wie verfahrenstechnische Fließprozesse.

Im folgenden wird hierzu ein Modell beschrieben, welches in seiner analogen Darstellung als Trichtermodell und in seiner numerischen beziehungsweise grafischen Form als Durchlaufdiagramm bekannt geworden ist.

Der Grundgedanke des Modells besteht darin, den Produktionsprozeß als ein Netz von miteinander verbundenen Trichtern aufzufassen, und die Vorgänge beim Zu- und Abgang von Aufträgen kumulativ im Zeitablauf als Zugangs- beziehungsweise Abgangskurve abzubilden.

Zunächst sei ein einzelnes Arbeitssystem betrachtet. Dies kann eine Maschine, ein Handarbeitsplatz, aber auch ein Lager sein, in das Material ein- und ausgelagert wird. Die Abbildung 1 zeigt auf der linken Seite die Darstellung dieses Arbeitssystems als Trichter mit den ankommenden, abgefertigten und im Bestand befindlichen Aufträgen. Rechts erkennt man die sogenannte Zugangs- und Abgangskurve, welche die Vorgänge am Trichter abbilden.

Die Abgangskurve entsteht dadurch, daß man die abgefertigten Aufträge mit ihrem Arbeitsinhalt, gemessen in Vorgabestunden entsprechend dem jeweiligen Abmeldezeitpunkt, beginnend am Koordinaten-Nullpunkt, kumulativ aufträgt.

Der Beginn der Zugangskurve wird durch den Anfangsbestand bestimmt, der sich zu Beginn des Bezugszeitraums am Arbeitssystem befindet. Hiervon ausgehend entwickelt sich die Zugangskurve analog zur Abgangskurve. Beide Kurven zusammen beschreiben den Durchlauf der Aufträge durch das Arbeitssystem; die Darstellung heißt deshalb Durchlaufdiagramm.

Die notwendigen Daten zur Erstellung des Durchlaufdiagramms sind demnach die Arbeitsinhalte der einzelnen Aufträge. Sie werden in derselben Dimension dargestellt, wie sie der Kapazitätsbemessung zugrunde liegen, üblicherweise also als Vorgabestunden. Aber auch andere Dimensionen wie Stück (zum Beispiel bei einer Transferstraße) oder Meter zum Beispiel bei einer Kabelverseilmaschine) sind möglich. Darüber hinaus benötigt man die Zugangs- beziehungsweise Abgangszeitpunkte, die aus den Rückmeldungen bei Beendigung der jeweiligen Arbeitsvorgänge entstehen.

Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, als Zugangszeitpunkt die Rückmeldung der Vorgängerarbeitssysteme zu benutzen, weil damit je Arbeitssystem nur eine Rückmeldung erforderlich ist und eine lückenlose Erfassung des gesamten Auftragsdurchlaufs gesichert ist. Das Durchlaufdiagramm ist um so realitätsnäher, je genauer die Rückmeldezeitpunkte und die Übereinstimmungen von Vorgabe- und Istzeiten sind.

Der nächste wesentliche Schritt zur Modellbildung besteht in der Abbildung der vier logistischen Qualitätsmerkmale im Durchlaufdiagramm des Arbeitssystems. Abbildung 2 skizziert diesen Vorgang in vier identischen Durchlaufdiagrammen. Der Bestand ist zu jedem Zeitpunkt durch den senkrechten Abstand zwischen Zugangs- und Abgangskurve bestimmt. Die Durchlaufzeit der Aufträge an diesem Arbeitsplatz entspricht der Länge der Durchlaufelemente jedes abgemeldeten Auftrages.

Als Durchlaufelement eines Auftrages an einem Arbeitssystem wird das Rechteck aus Durchlaufzeit mal Arbeitsstundeninhalt bezeichnet. Wegen der meist auftretenden Vertauschungen der Aufträge in der Arbeitsplatzwarteschlange liegen die Durchlaufelemente nicht zwischen Zugangs- und Abgangskurve. Die Auslastung läßt sich dadurch veranschaulichen, daß der Abgangskurve die Kapazitätskurve überlagert wird.

Die Terminabweichung läßt sich schließlich dadurch sichtbar machen, daß man den Ist-Terminen die Soll-Termine überlagert, hier für die abgemeldeten Aufträge. Flächen links von der Abgangskurve kennzeichnen eine Verspätung, Flächen rechts von der Abgangskurve eine zu frühe Abfertigung. Die gleiche Darstellung läßt sich auch für die Zugänge anfertigen.

Damit ist es zunächst gelungen, die vier logistischen Qualitätsmerkmale abzubilden und sie auch numerisch zu jedem Zeitpunkt beziehungsweise für jeden Auftrag zu berechnen. In der Praxis unterliegen diese Werte wegen des diskontinuierlichen Verlaufs von Zugang und Abgang starken Schwankungen. Beispielsweise liegen die Durchlaufzeiten an einem Arbeitsplatz zwischen wenigen Stunden für Eilaufträge und mehreren Wochen für unwichtige Aufträge. Daher empfiehlt sich eine periodenweise Bestimmung von Mittelwerten, für die in der Literatur ausführliche Anleitungen vorliegen. Dabei ist besonders zu beachten, daß bei der Berechnung der Mittelwerte für die Durchlaufzeit und die Terminabweichung zwischen den gewichteten und ungewichteten Werten zu unterscheiden ist. Letztere entsprechen der bisher üblichen arithmetischen Mittelwertbildung, während die Gewichtung der Zeitelemente mit dem Arbeitsinhalt den Einfluß der Steuerung der Vorgabezeiten berücksichtigt.

Die häufigste Anwendung für Durchlaufdiagramme liegt bisher in der Abbildung von Arbeits- und Montagearbeitsplätzen, die nach dem Werkstättenprinzip organisiert sind.

Als Beispiel wurde einer Arbeitsplatzgruppe mit NC-Maschinen aus einem Unternehmen der Geräte- und Feinwerktechnik über einen Zeitraum von 16 Wochen untersucht. Die mittlere gewichtete Durchlaufzeit der in diesem Zeitraum abgefertigten 35 Arbeitsvorgänge betrug 23 Arbeitstage, der ungewichtete Wert lag bei rund 18 Arbeitstagen. Man fand starke Schwankungen im Zu- und Abgangsverlauf, verursacht durch starke Unterschiede im Arbeitsinhalt und dem zeitlich schlecht geregelten Zugang. Überlagert wurde diese Situation durch häufige Reihenfolgevertauschungen, was zu einer breiten Streuung der Durchlaufzeit führte.

Wesentlich gleichmäßiger stellte sich demgegenüber das Durchlaufdiagramm eines flexiblen Fertigungssystems mit vier Bearbeitungszentren über zwei Tage dar. Durch die Bearbeitung der einzelnen Werkstücke (Losgröße 1) entstand nur eine sehr geringe Streuung der Durchführungszeiten bei einem gleichzeitig sehr geringen Mittelwert. Die Bestandsbindung im System war durch die Anzahl der im System verfügbaren Werkstückpaletten begrenzt, und schließlich traten kaum Reihenfolgevertauschungen im System auf. Lediglich Störungen der einzelnen Bearbeitungsmaschinen führten zu Abweichungen vom Idealverlauf und damit zu Nutzungsverlusten. Insgesamt war das Systemverhalten durch kurze, wenig streuende Duchlaufzeiten und niedrige Bestände mit der Folge einer guten Termintreue gekennzeichnet.

In ähnlicher Weise läßt sich auch das Durchlaufverhalten eines automatischen Montagesystems abbilden. Derartige Anlagen bestehen meist aus automatischen Zuführ-, Füge- und Prüfstationen, die mit Hilfe eines Transportbandes elastisch miteinander verkettet sind. Elastisch bedeutet hier im Gegensatz zu einer starren Verkettung, daß die einzelnen Stationen zwar auf die gleiche Taktzeit eingestellt sind, kleine Störungen sind jedoch durch Füllen beziehungsweise Leeren des zwischen den Stationen befindlichen Teilevorrats auszugleichen.

Schon immer war es üblich, Produktionsprozesse mit Hilfe regelmäßig erhobener Kennzahlen zu überwachen. Diese werden meist betriebsindividuell definiert und beschränken sich in erster Linie auf die Produktionsleistung, die Auslastung und die Kostenverfolgung. Das Durchlaufdiagramm ermöglicht demgegenüber eine allgemeine Abbildung des Auftragsdurchlaufs und eine in sich schlüssige Ableitung derartiger Kennzahlen. Ein darauf aufgebautes System soll als Beobachtungs- oder Monitoringsystem bezeichnet werden. Hierbei sind folgende Gliederungsaspekte maßgebend:

ñ Aus der Sicht der Fertigungsleitung sind Aussagen über die Kapazitäten mit ihrer Durchlaufzeit, Auslastung, Terminabweichung und ihrem Bestand von vorrangiger Bedeutung.

ñ Die für die Aufträge zuständigen Disponenten und damit der Vertrieb sind demgegenüber mehr an der Lieferzeit, also an der Auftragsdurchlaufzeit, der Liefertermineinhaltung und dem Auftragsbestand interessiert.

ñ Schließlich ist der Zeithorizont bedeutsam, wofür sich die drei Stufen kurz-, mittel- und langfristig anbieten. Diesen drei Stufen können sowohl Ziele als auch Maßnahmen zur Einhaltung dieser Ziele zugeordnet werden. Kurzfristig geht es um die termingerechte Durchsetzung der aktuellen Aufträge mit Mitteln der kurzfristigen Kapazitätsanpassung (Überstunden, Sonderschichten) und der Prioritätssteuerung.

Mittelfristig muß demgegenüber sichergestellt sein, daß die in der Disposition angenommenen Liefer- und Arbeitsplatzdurchlaufzeiten im Mittel auch stimmen, wozu die Kapazitäten und Bestände entsprechend den freigegebenen Aufträgen eingestellt sein müssen. Langfristig geht es schließlich um die Frage, ob die Kapazitäten dem sich ständig ändernden Produktionsprogramm entsprechen.

Diagnose

Zur dauerhaften Prozeßverbesserung ist die Kenntnis der dynamischen Zusammenhänge zwischen den vier logistischen Zielgrößen unerläßlich. Auch hierzu bietet das Durchlaufdiagramm die maßgebliche Grundlage. Zunächst sei die Abhängigkeit der Durchlaufzeit von Bestand und Leistung verdeutlicht. Abbildung 4 zeigt das reale Durchlaufdiagramm eines Arbeitsplatzes, dem eine ideale Zugangs- und Abgangsgerade überlagert wurde. Wenn die Steigung der Zugangsgeraden gleich der Steigung der Abgangsgeraden ist, gilt die im schraffierten Dreieck eingezeichnete Beziehung, der zufolge die mittlere gewichtete Durchlaufzeit gleich dem mittleren Bestand dividiert durch die mittlere Leistung ist. Dieser als Trichterformel bezeichnete Zusammenhang gilt umso genauer,

ñ je weniger im Mittel die Menge anzugehender Arbeit von der Menge der abgefertigten Arbeit abweicht,

ñje geringer und je gleichmäßiger die Arbeitsinhalte der einzelnen Aufträge sind, und

ñ je weniger Reihenfolgevertauschungen in der Warteschlange auftreten.

Man kann die Abweichungen von diesem Idealprozeß im Druchlaufdiagramm ebenfalls sichtbar machen und quantifizieren. Auch die Terminabweichung abgelieferter Aufträge läßt sich anhand des Durchlaufdiagramms diagnostizieren. Liegt eine dauerhafte Terminabweichung vor, sind nur zwei Ursachen denkbar. Zum einen kann die tatsächliche Durchlaufzeit von der geplanten Durchlaufzeit abweichen. Dies wiederum führt entsprechend der Trichterformel zur Überprüfung der Leistung und des Bestandes. Die mögliche Leistungsdifferenz kann durch eine von der Planung abweichende Kapazität bedingt sein, oder der mittlere Bestand wich bei richtiger Kapazität vom Planwert ab. Die andere Ursache für die Terminabweichung kann bei Übereinstimmung von Ist- und Plandurchlaufzeit in einem späteren Zugang liegen.

In einem realen Betrieb werden mit Hilfe eines Monitorsystems derartige Kennzahlen ausgewertet. Dateien werden für sämtliche Aufträge dieses Unternehmens wöchentlich die Ist- und Solldurchlaufzeiten sowie die Terminabweichung der Auftragsfreigabe und des Auftragsabschlusses ausgewertet. Bei Terminabweichungen konzentrieren sich die Führungskräfte nunmehr auf die schnellstmögliche Beseitigung der Ursachen, statt ihre Zeit mit Vermutungen und Schuldzuweisungen zu verbringen. Die Anzahl verspäteter Aufträge verringerte sich nach Einführung des Systems und Einleitung entsprechender Maßnahmen innerhalb von zwei Jahren um 80 Prozent.

Dauerhafte Verringerung von Durchlaufzeiten

Aus der Beobachtung und Diagnose des Produktionsablaufs läßt sich eine Reihe von Maßnahmen zur dauerhaften Verringerung von Beständen und Durchlaufzeiten ableiten.

Der Grundbestand ist nur durch die Übergangszeit bestimmt und setzt sich aus Prüf- und Transportvorgängen und den damit verbundenen Liegezeiten zusammen. Durch Vermeidung und Verkürzen dieser Zeiten sowie durch eine Bestandsregelung ist zu gewährleisten, daß der als notwendig erkannte Grundbestand auch wirklich eingehalten wird. Die Bestandsregelung muß in das Verfahren der Fertigungssteuerung integriert sein.

Der Flußbestand muß durch eine aufeinander abgestimmte Freigabe- und Kapazitätsregelung möglichst vermieden werden, weil sich sonst Bestands- und damit Durchlaufzeitschwankungen ergeben.

Die Steuerfläche wird dann weitgehend vermieden, wenn nach der Regel First in ñ First out an den Arbeitsplätzen abgefertigt wird. Von dieser Regel sollte möglichst wenig abgewichen werden. Die Losfläche kann nicht durch die Fertigungssteuerung, sondern nur bei der Losgrößenfestlegung im Rahmen der Disposition beeinflußt werden. Je kleiner und gleichmäßiger die Arbeitsinhalte der Lose sind (als Idealvorstellung gilt der getaktete Prozeß), desto geringer ist ihr Einfluß auf Bestand und Durchlaufzeit. Die Begrenzung von Arbeitsinhalten durch Lossplitting oder die Reduktion der Rüstzeit als die häufig eigentliche Quelle für große Lose sind hier entsprechende Ansätze.

Geringer Einfluß auf die Bestände

Ein nach diesen Vorstellungen bereits realisiertes Regelverfahren ist die belastungsorientierte Auftragsfreigabe, die den Zugang an den Arbeitsplätzen und damit über den mittleren Bestand die mittlere Durchlaufzeit regelt. Abbildung 5 zeigt die Idee am Trichtermodell. Im obersten Trichter sind sämtliche bekannten Aufträge enthalten. Der Parameter "Vorgriffshorizont" läßt nur diejenigen Aufträge in den dringenden Auftragsbestand (mittlerer Trichter) einfließen, die innerhalb der Terminschranke liegen. Dort wird über den Regelmechanismus "Belastungsschranke" wiederum nur soviel Arbeit freigegeben, daß im unteren Arbeitstrichter das gewünschte Bestandsniveau und damit die mittlere gewichtete Durchlaufzeit konstant gehalten wird. Verändert man den Parameter Einlastungsprozentsatz, stellt sich bei gleichem Durchfluß ein anderes Bestandsniveau und damit eine andere Durchlaufzeit ein. Die theoretischen Grundlagen des Verfahrens sind in nachvollziehbarer Form dokumentiert, und es wurden Ende 1987 sieben kommerzielle Versionen angeboten. Darüber hinaus wendet ein Automobilhersteller dieses Verfahren in seinen Werken bereits an.

Die auf dem Durchlaufdiagramm basierenden Möglichkeiten zur Verbesserung von Fertigungsabläufen sind noch nicht ausgeschöpft. In Entwicklung befindet sich am Institut für Fabrikanlagen (IFA) der Universität Hannover ein wissensbasiertes Diagnosesystem zur kurzfristigen Fertigungssteuerung. Ferner wurde ein neuartiges Warteschlangenmodell für die Werkstättenfertigung entwickelt, dessen Einsatzmöglichkeiten zur Zeit untersucht werden.

Die bisher bekannteste Anwendung des Modells besteht in der belastungsorientierten Auftragsfreigabe, die in sieben kommerziellen Softwareprodukten integriert ist. Weiterhin wurde ein Kapazitätsplanungsverfahren entwickelt, das ebenfalls seine Praxistauglichkeit bewiesen hat. Schließlich werden bereits mehrere Kennzahlen- und Kontrollsysteme angeboten, die auf dem Durchlaufdiagramm basieren und unabhängig von jeweils eingesetzten Verfahren der Fertigungssteuerung den Fertigungsablauf in Graphiken und Kennzahlen abbilden.

Mit dem Durchlaufdiagramm und den daraus abgeleiteten Verfahrensbausteinen wird letztlich das Ziel angestrebt, den Fertigungsprozeß für Stückgüter immer stärker einem verfahrenstechnischen Fließprozeß anzunähern, der mit Hilfe von Prozeßmodellen abgebildet, überwacht und geregelt wird.

*Prof. Dr. H.-P. Wiendahl, Institut für Fabrikanlagen, Technische Universität Hannover