Wüstenrot: Amdahl eroberte österreichische IBM-Hochburg

Trennung nach 25 Jahren

06.10.1989

SALZBURG (CW) - Im sonst eher konservativen und an Klassikern orientierten Salzburg wagte die österreichische Wüstenrot-Zentrale eine Premiere und einen Bruch mit der Tradition: Mit der Entscheidung für einen - zu der Zeit noch nicht einmal offiziell vorgestellten - Amdahl- Computer ging eine 25jährige IBM-Ära zu Ende (siehe auch CW Nr. 39, Seite 4).

Anders als in Deutschland steht in Österreich das Bauspargeschäft noch in voller Blüte. Für die österreichische Wüstenrot bedeutete das nicht nur einen erfreulichen Geschäftsverlauf, sondern zugleich einen immer problematischer werdenden DV-Engpaß.

Heute werden an 486 Terminals (einschließlich 150 bis 160 PS/2-PCs) rund 1,3 Millionen Bauspar- und 500000 Versichetungsverträge online verwaltet; künftig sollen zudem die Archivierungsmöglichkeiten verbessert und die Organisation stärker dezentralisiert werden.

Innerhalb von fünf Jahren hatte sich die Last von zwei auf über vier Millionen Transaktionen jährlich mehr als verdoppelt. Mit dem vorhandenen Rechner, einer sieben Jahre alten IBM 3081, stiegen die Antwortzeiten bei einer durchschnittlichen CPU-Auslastung von 85 Prozent am Ende auf 15 bis 18 Sekunden. Als größten Engpaß machten die österreichischen Bausparer den zu knappen Hauptspeicher mit einem Umfang von 32 Megabyte aus. Schließlich drohte die immer umfangreichere Systemsoftware das System zu erstikken. "CICS 1.7.0 hat uns in die Knie gezwungen", meinte Gerhard Putzinger, Direktor für Zentralorganisation und Automation.

Fest stand, daß nur die Hardware, keinesfalls jedoch die Software ausgetauscht werden sollte. Damit kam als Lieferant nur IBM oder einer der drei Kompatiblenhersteller - Amdahl, Comparex, NAS - in Frage. Nach eingehender Prüfung fiel die Entscheidung für Amdahls 5990-350, das Einstiegsmodell der erst Anfang des Jahres vorgestellten 5990-Reihe mit 35 MIPS Leistung und 256 Megabyte Speicher. Als Grund nannte Bausparkassen-Vorstand Franz Steiner, "den hohen technischen Standard und die enorme Preisgünstigkeit". Nach anfänglichem Zögern wurde schließlich eingestanden, daß es sich bei dem Betrag von 50 Millionen Schilling wohl schon um einen speziellen "Einführungspreis" gehandelt habe.

Die Möglichkeit, den Rechner bei Bedarf auf 2 Gigabyte erweitern und auf 113 MIPS beschleunigen zu können, führte die Wüstenrot-Verantwortlichen zu der Überzeugung, mit ihm nicht nur die preisgünstigste, sondern auch, wie sie hervorhoben, die zukunftsträchtigste Lösung gefunden zu haben.

"Die Entscheidung für Amdahl fiel uns nicht leicht", betonte Steiner, "weil wir über lange Jahre zufriedener IBM-Kunde waren und es im Softwarebereich auch bleiben wollen". Sie war allein schon deshalb nicht einfach, weil Wüstenrot nur einen einzigen Rechner im Einsatz hat, an den sämtliche Außenstellen angeschlossen sind. Steht der Zentralrechner, steht der Betrieb im ganzen Land. Ein zusätzliches Risiko lag in der Tatsache, daß es sich um den ersten Amdahl-Computer handelt, der in Österreich installiert wurde und weltweit den ersten dieses Typs.

Beeindruckt zeigte sich Wüstenrot von der Schnelligkeit, mit der die Umstellung vor sich ging. Samstag vormittag um 10 Uhr begann der Abbau der alten Anlage, vier Stunden später der Aufbau der neuen. Sonntag morgen um 11 Uhr 30 kam dann die Meldung: Alles läuft. Amdahl, mit dem Wüstenrot-Deal nunmehr in zwölf europäischen Ländern vertreten, setzt große Hoffnungen auf den österreichischen Markt. Weil die vorhandenen DV-Installationen relativ alt seien, erwarten IDC-Marktforscher für die nächste Zeit einen um 12 bis 19 Prozent wachsenden MIPS-Bedarf (gegenüber nur 10 Prozent in der Bundesrepublik). Um dafür gerüstet zu sein, eröffnet Amdahl Anfang Oktober eine Niederlassung in Wien. Schon im nächsten Jahr hofft Amdahl-Chef Hans Reihl, dort 150 Millionen Schilling einnehmen zu können.