Jobangebote für IT-Profis nehmen zu

Trendwende im IT-Arbeitsmarkt

30.07.2004

Tobias Schneider* atmet auf: Die Headhunter melden sich wieder. "Vor einem halben Jahr passierte gar nichts", erinnert sich der studierte Informatiker. Auf seinen Lebenslauf, den er in einigen großen Jobdatenbanken hinterlegt hat, kommen jetzt die ersten Stellenangebote. Schneider sollte eigentlich mit seinem IT-Studium und acht Jahren Berufserfahrung auf den Gebieten Enterprise-Content-Management und Archivsysteme nicht zu den Verlierern auf dem Arbeitsmarkt zählen. Wie viele andere Arbeitnehmer auch, war er im vergangenen Herbst von seinem Arbeitgeber vor die Tür gesetzt worden, weil die Auftragslage schlecht war. Immerhin 80 Bewerbungen musste Schneider losschicken, bis er zum 1. Juni seinen neuen Job in der Telekommunikationsbranche antreten konnte.

Mutige und Qualifizierte werden belohnt

Auch Robert Klein* suchte über ein Jahr, bis er wieder in Lohn und Brot war. "Ich habe in den letzten sieben Jahren so ziemlich alle Höhen und Tiefen der IT-Branche durchgemacht", erzählt der studierte Physiker. Zunächst fand er als junger Naturwissenschaftler keine Anstellung und ließ sich zum Netzwerkorganisator umschulen. Die Rechnung ging auf, er begann als Systemberater bei einem großen Rechenzentrum. Im Zuge der Jahr-2000-Projekte wurde er von einer großen Unternehmensberatung abgeworben. "Geld spielte keine Rolle, es wurde geklotzt und nicht gekleckert", erinnert sich Klein. Dann die Ernüchterung: "Als die IT-Blase platzte, war ich, ehe ich mich umsah, arbeitslos - von 200 auf null sozusagen." Er war sicher, mit seinen Erfahrungen und Qualifikationen schnell wieder einen Job zu finden. "Pustekuchen. Nach der 50. Absage und einem einjährigen Bewerbungsmarathon habe ich aufgehört zu zählen." Es folgte eine weitere Umschulung - diesmal zum SAP-Berater. Damit ist er nun in einem der großen Softwarehäuser gelandet.

Eine aktuelle Auswertung der IT-Stellenangebote in 40 Tageszeitungen und der COMPUTERWOCHE zeigt, dass im ersten Halbjahr 2004 die Zahl der freien Jobs gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent von 7730 auf 8590 gestiegen ist. Besonders im zweiten Quartal war der Aufwärtstrend unübersehbar: Gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres wurden mit 4158 Stellen 25 Prozent mehr Positionen ausgeschrieben. Hans Mitterholzer, Geschäftsführer des EMC Medienservice in Hamburg und zuständig für diese vom Personaldienstleister Adecco in Auftrag gegebene Stellenauswertung, hofft auf eine endgültige Trendwende.

Mit 2178 Angeboten entfallen nach wie vor die meisten Offerten auf die Beratungs- und Softwarehäuser, die mit über 30 Prozent auch den stärksten Zuwachs gegenüber dem Vorjahr verbuchen. Die große Entlassungswelle der vergangenen Monate in den Consulting-Firmen scheint damit zu Ende zu gehen. Capgemini-Chefstratege Michael Büttner merkte unlängst dazu selbstkritisch an: "Wir haben die Schotten zu sehr runtergelassen." Deshalb hätten viele Bewerber den Einstieg in Beratungshäuser abgelehnt. Im Augenblick sucht das weltweit aktive Consulting-Haus rund 100 Mitarbeiter in Deutschland.

SAP-Experten sind gefragt

Ein leichtes Plus melden laut Adecco auch die Maschinenbauer, die Verlage, die Konsumgüterindustrie, die Telekommunikationsbranche, der öffentliche Dienst und die Finanzdienstleister. Und noch etwas fällt in der aktuellen Statistik positiv auf: Die gesamte Dienstleistungsbranche, vor allem die Zeitarbeitsfirmen, suchen wieder Computerfachleute - allerdings noch nicht in großer Zahl. Christina Mankus, IT-Bereichsleiterin bei der auf Zeitarbeit spezialisierten DIS AG, könnte "sofort 50 bis 100 SAP-Experten vermitteln", wie sie gegenüber der COMPUTERWOCHE versichert.

Die Nachfrage hat sich allerdings inhaltlich verändert. Der spektakulärste Zuwachs entfällt auf den Bereich Organisation und Koordination und hier insbesondere auf firmeninterne Berater. Immerhin 892 Jobs wurden hier ausgeschrieben, ein Plus von 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ebenfalls im Aufwind befinden sich die Verkäufer, an die sich 915 Offerten (Vorjahr 742) richteten, aber auch die System- und Datenbankspezialisten. Die meisten Stellen, 2160 an der Zahl, wurden aber für CAD/CAM-Spezialisten ausgeschrieben.

Nicht mehr rückläufig sind die Angebote für Anwendungsentwickler. Nachdem 2003 ein Rückgang von 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen war und im ersten Quartal 2004 noch einmal zehn Prozent weniger Jobs angeboten wurden, meldet Adecco jetzt ein Plus von acht Prozent.

DIS-Managerin Mankus bestätigt die Adecco-Trends. Nach ihren Beobachtungen werden folgende IT-Qualifikationen am stärksten nachgefragt:

- Softwareentwicklung/Programmierung mit Kenntnissen in den Programmiersprachen Java, C++/Visual C++, J2EE, .NET, C#;

- ERP, insbesondere SAP-Experten für Pro-grammierung, Administration, Management und Beratung sowie

- IT-Projekt-Management, Projektleitung mit Aufgaben in der IT-Organisation und Projektkoordination.

Noch positiver sieht die Entwicklung der Online-Stellenmärkte aus. Branchenführer Jobpilot erfasst seit Juli 2002 in Zusammenarbeit mit dem Institut Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen vierteljährlich die in den wichtigsten Online-Stellenbörsen und auf den Web-Seiten ausgewählter deutscher Unternehmen veröffentlichten Stellenangebote. Die im Frühjahr erhobene Auswertung (die Sommerstatistik liegt noch nicht vor) ermittelte das höchste Aufkommen an im Internet ausgeschriebenen Jobs seit Beginn der Erfassung im Sommer 2002. Der Jobpilot-Index erreichte im Frühjahr 113 Punkte und befindet sich damit um 13 Punkte über dem Vorjahreswert. Das Ergebnis liegt um 17 Punkte über dem des Vorquartals und überbietet zum ersten Mal den mit 100 angesetzten Basiswert der Ersterhebung. "Die seit Herbst 2003 beobachtete Belebung am Online-Arbeitsmarkt setzt sich fort", heißt es bei Jobpilot. Bezogen auf die Berufsgruppen, ist das Plus bei den IT- und Telekommunikationsberufen mit 35 Punkten gegenüber dem vorhergehenden Quartal am größten.

Perfekte Bewerber gesucht

Trotz dieser ermutigenden Nachrichten vom IT-Stellenmarkt weisen die Personalexperten auf die gestiegenen Anforderungen hin. Neben IT-Know-how werden von Bewerbern so genannte Soft-Skills wie Kommunikationsfähigkeit, Teamorientierung, Verantwortungs- und Veränderungsbereitschaft erwartet. Diese Eigenschaften gelte es schon im Bewerbungsgespräch zu signalisieren. So meint der junge Informatiker Dietmar Kraus*, der im Juni bei einer großen internationalen Unternehmensberatung angeheuert hat: "Entscheidend war mein Auftreten." Als Bewerber müsse man sich gut verkaufen können. Und Content-Management-Profi Schneider ergänzt: "Nur die Bewerber, die mit über 90-prozentiger Genauigkeit auf die ausgeschriebene Position passen, haben überhaupt eine Chance, wahrgenommen zu werden." Wichtig sei, so seine Erfahrung, der "Nachweis einer konsequenten und zielgerichteten Berufslaufbahn".

Kein Herz für Olympia

Doch IT-Kenntnisse und Soft-Skills reichen noch nicht aus. Die dritte Komponente, auf die es ankommt, ist Branchen und/oder Prozess-Know-how. Gefragt sei, so Mankus, "eine Kombination aus IT sowie Wirtschafts- bezie-hungsweise Ingenieurkenntnissen, Mitarbeiter also, die sich in Geschäftsprozesse hineindenken und das Business-Modell der Firmen verstehen und mit IT umsetzen können." Capgemini-Personalleiter Norbert Bender unterstreicht diese Einschätzung, wenn er sagt: "Die Kandidaten sollen nicht nur ein IT-System anpassen, sie müssen auch Prozesskompetenz mitbringen."

Während einige Unternehmen wieder vorsichtig einstellen, verzweifeln noch immer viele Bewerber, weil sie keine Chance bekommen. Schlechte Aussichten haben vor allem Interessenten ohne fundierte akademische Ausbildung im IT-Bereich. "Umschüler aus anderen Berufen ohne Erfahrung im IT-Umfeld haben fast überhaupt keine Chance", urteilt DIS-Managerin Mankus. Ebenfalls schwer tun sich Softwareentwickler ohne Referenzprojekte und mit kurzer Entwicklungserfahrung sowie Mitarbeiter im First-Level-IT-Support.

Geradezu allergisch reagieren Personalabteilungen, wenn Bewerber keine Flexibilität und Mobilität signalisieren. So berichtet der Starnberger Headhunter Markus Moser, dass er immer wieder Fälle erlebt, in denen Jobsuchende nicht einmal bereit seien, die Stadt zu wechseln, selbst wenn nur ein Umzug in die Nachbarstadt erforderlich wäre. Wenig Chancen hat auch, wer private Interessen vor berufliche stellt. DIS-Frau Mankus erzählt von einem IT-Spezialisten, der seinen Job erst im Herbst antreten mochte, weil er zunächst die gesamten Olympischen Spiele in Athen verfolgen wollte.

Doch es gibt auch andere Beispiele, etwa das des Zivildienstleistenden Torsten Franke*. Nach seinem Sozialdienst erwarb er sich auf eigene Faust IT-Kenntnisse und beschäftigte sich mit Web-Server-Programmierung. Da er keine formalen Qualifikationen vorzuweisen hatte, wusste er, dass er bei Großunternehmen gar nicht erst anzuklopfen brauchte. So entschloss er sich, die Bewerbungsunterlagen in kleineren Häusern persönlich vorbeizubringen, in der Hoffnung "auf ein Gespräch und die Chance, auf einem in der Nähe befindlichen PC einige meiner Projekte live präsentieren zu können". Dieses direkte Vorgehen führte anfangs auf der Gegenseite zwar zu Irritationen, doch das kompetente Beantworten der Fragen bescherte ihm schließlich seinen jetzigen Job. Frankes Fazit: "Fachliche Kompetenz gepaart mit Ausstrahlung und höflicher Zurückhaltung" bildeten das Erfolgsrezept.

Hans Königes (hköniges@computerwoche.de)

*Namen von der Redaktion geändert.

Abb: Der IT-Stellenmarkt erholt sich

Software- und Systemhäuser sind die wichtigsten IT-Arbeitgeber. Aber auch der öffentliche Dienst sucht neue IT-Mitarbeiter. Quelle: EMC/Adecco