RPG-Standardsoftware MAS90 soll fuer AIX-Einsatz konvertiert werden

Trendwende: IBM portiert AS/400-Software auf Unix

22.01.1993

"Wir planen, MAS/90 auf unsere RS/6000-Reihe zu portieren", verkuendet Peter Kirn, Direktor des Bereichs Anwendungen und Architekturen bei der IBM Deutschland GmbH. "Dieses Projekt werden wir im Laufe der naechsten zwei Jahre durchfuehren. Ich rechne damit, dass die ersten Produkte fuer Lohn und Buchhaltung noch in diesem Jahr herauskommen", so der IBM-Manager.

Allerdings soll nur der betriebswirtschaftliche Teil der MAS90- Software in die Unix-Welt uebertragen werden. Im Fertigungsbereich werde die IBM sehr eng mit der STI Straessle Technische Informationssysteme GmbH, Stuttgart, kooperieren, von der das PPS- System stammen soll. Die Schnittstellen seien offengelegt, ein Vertriebsabkommen beschlossene Sache.

Ebenso wie ihre AS/400-Standardsoftware bringt die IBM auch ihre komplette, seit zwei Jahren verfuegbare kommerzielle PC-Linie auf Unix heraus. Von dieser fuer den Low-level-Bereich vorgesehenen Software sind bis heute rund 60 000 PS/2-Lizenzen abgesetzt worden. Die 1:1-Portierung des in C geschriebenen Pakets gestalte sich recht einfach. Gegenwaertig koenne bereits das Modul Lohn bezogen werden. Sehr viel schwieriger duerfte sich dagegen die Uebertragung der in RPG und Cobol geschriebenen Standardsoftware MAS90 gestalten.

Fuer sie muss ein besonderer Converter eingesetzt werden. IBM hatte die Software vor wenigen Jahren vom Ettlinger Anbieter Command Computer Anwendungsberatung GmbH erworben und mit dreistelligem Millionenaufwand weiterentwickelt.

Dass die ehemalige Command-Software auf die AS/400 und damit auch auf deren Herzstueck, die integrierte Datenbank, zugeschnitten ist, tut dem Portierungsvorhaben offensichtlich keinen Abbruch. "Wir bringen noch in diesem Jahr eine zu DB2 kompatible Datenbank fuer AIX und OS/2 heraus", erklaert Kirn und gibt damit einem alten Geruecht neue Nahrung.

Die MAS90-Software ist in der AS/400-Welt ein Begriff - allerdings nicht nur im positiven Sinne. Vor allem an der Finanzbuchhaltung erhitzen sich die Gemueter vieler IBM-Kunden, da es keine schriftliche Dokumentation gibt und die Online-Hilfe viele Benutzer ueberfordert. "Ein Softwarepartner der IBM hat mir gesagt, er schaeme sich, den Kunden die Finanzbuchhaltung vorzufuehren", ereifert sich ein Anwender, der sich "mit der IBM nicht anlegen moechte" und deshalb um Anonymitaet bittet. Um Klassen besser seien etwa die Pakete der Hamburger CPL GmbH oder der DCW GmbH in Mannheim.

Finanzbuchhaltung gab Anlass zur Kritik

Weniger dramatisch sieht Hans-Peter Kuni, Geschaeftsfuehrer der Kuni Consulting und Software GmbH in Alzenau bei Frankfurt, diese Schwaeche der AS/400-Software. "Das Produkt hatte in der Erstauslieferung Schwaechen, die unverzeihlich sind", so der IBM- Vertriebspartner. Inzwischen gebe es aber eine stabile MAS90- Version, sein Unternehmen habe die Probleme nach einer "leidvollen" Phase in den Griff bekommen.

Kuni kann sich ein Urteil erlauben, vermarktet er doch gleichzeitig die AS/400-Software SC/400 von der Steeb CAS Informationstechnik GmbH, die heute als Steeb Anwendungssysteme GmbH zur neuen SAP Mittelstandsorganisation gehoert. Ausserdem hat er mit dem System "V3" von der zum Bull-Konzern gehoerenden Steeb Software Service GmbH, Gevelsberg, ein Unix-Produkt im Vertrieb, das sich wachsender Beliebtheit erfreut.

Die IBM selbst raeumt ein, dass es zu Schwierigkeiten mit Anwendern wegen der MAS90-Finanzbuchhaltung gekommen sei. Man habe sich selbst und die mittelstaendische Anwenderklientel erst noch an die Online-Dokumentation, die im Grossrechnerbereich laengst gang und gaebe sei, gewoehnen muessen, so die Erklaerung Kirns. Aus seiner Sicht sind die Schwierigkeiten inzwischen "absolut behoben".