Trends und ihre Auswirkungen auf die Zukunft der Computer-lndustrie:Zehn Prozent Weltmarkt-Anteil fürs Überleben nötig

15.12.1978

Ein schwindendes Häufchen weltweit operierender Computerfirmen kämpft verbissen um Marktanteile. Ihr Hauptziel: Zehn Prozent vom Kuchen. Weniger "Proviant" ist nicht genug - es geht ums Überleben. Dies behauptet Honeywell Bull. Die Kalamitäten der "Nicht-IBM-Hersteller" - und woraus sie resultieren - zeigt ein Bericht auf, der in Computer aktuell 62178, der österreichischen Honeywell-Bull-Kundenzeitschrift, erschienen ist. Auszug:

Grundvoraussetzung für einen weltweit vertretenen Computerhersteller zum Überleben ist heute, daß er ein umfassendes Produktangebot mit allen Serviceleistungen bieten kann. Diese Erfahrung hat sich in den letzten zehn Jahren immer wieder bestätigt; selbstverständlich ist aber daneben noch genügend Platz auf dem Markt für Spezialisten, die ihre ganzen Kenntnisse und Fähigkeiten in die Entwicklung einer bestimmten Sparte investieren (Computeranwendungen für wissenschaftliche oder militärische Bereiche, Terminals oder spezielle Programme für individuelle Einsatzgebiete etc.).

Generell kann man sagen, daß der Durchschnittsanwender mit einem großen Hersteller zusammenarbeiten möchte, der ihm alle Lösungen und Dienstleistungen bieten kann. Dieser Wunsch ist durchaus verständlich, überlegt man die Größe der Investitionen, die ein Anwender machen muß, um ein System zu installieren, um das System an die speziellen Gegebenheiten des Unternehmens anzupassen, um seine Leute entsprechend auszubilden und nicht zuletzt um die Managementmethoden mit den Möglichkeiten des Computers zu koordinieren.

Da der Anwender, hat er erst einmal einen Computer in sein Unternehmen integriert, auch überaus abhängig von dessen Funktionieren ist, verlangt er mehr und mehr Verläßlichkeit. Außerdem will er, sofern er mit dem Hersteller zufrieden ist, einen Ausbau einer Anlage lieber mit dem gleichen Hersteller durchführen als das Fabrikat zu wechseln. Das bedeutet wiederum für den Hersteller, einerseits die Verläßlichkeit seiner Produkte unter Beweis zu stellen und andererseits die ständige Weiter- und Neuentwicklung im Hardware-Bereich ebenso wie auf dem Software-Sektor.

Zufriedene Anwender geben dem Hersteller eine gewisse Sicherheit, aber gleichzeitig verlangen sie ständige Innovation und Weiterentwicklung. Daher muß der Hersteller sein komplettes Angebot alle fünf bis sechs Jahre erneuern, um konkurrenzfähig zu bleiben. Diese Zahlen beruhen auf den Erfahrungen der letzten 15 Jahre und werden auch für die Zukunft Gültigkeit haben. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, muß, der Markt jährlich mindestens um 500 bis 600 Millionen Dollar wachsen; nur dann ist es möglich, etwa 500 bis 600 Millionen Francs in die Entwicklung zu investieren. Zur Zeit sind weltweit nur vier bis fünf Hersteller in der Lage, dies zu tun.

Die Mehrheit der Computersysteme wird durch Leasing-Verträge finanziert. Diese Finanzierungsart ist in kaum einer anderen Branche so stark vorzufinden: drei von vier Computersystemen werden vermietet, nur ein Viertel wird verkauft. Dies bedeutet für den Hersteller überaus große Investitionen; üblicherweise trägt in der Investitionsgüterindustrie der Anwender die Kosten für die Anlagen - in der Computerindustrie trägt sie etwa zu 75 Prozent der Hersteller.

Allgemein kann man von der Voraussetzung ausgehen, daß, vergrößert sich ein Unternehmen, die Produktivität steigt und in Relation gesehen, die Fixkosten fallen.

Diese Rechnung stimmt auch im Bereich der Produktforschung, der Entwicklungskosten und für allgemeine Produktionsinvestitionen. Grundsätzlich trifft sie auch auf die Bereiche "Unterstützung des Kunden" und "Wartung der Anlagen" zu. Denn um einen Kunden zufriedenzustellen, wird eine beachtliche Unterstützung vom Hersteller verlangt: Ersatzteile, Vorführgeräte und Ersatzanlagen, Ausbildungszentren sowie ein ganzes Team von Mitarbeitern, die in, beratender Funktion tätig sind.

Ein Beispiel soll die Kostenseite illustrieren: Ob nun in Brasilien 10 oder 1000 Computersysteme installiert werden, die Unterstützung muß für den Anwender jedenfalls gegeben werden, das heißt Tausende Kilometer voneinander entfernt müssen Ersatzteile für die einzelnen Anwender zur Verfügung stehen. Andererseits wären die Unterstützungskosten pro System wesentlich geringer, wenn in einer Stadt 100 Systeme installiert wären und nicht eben nur eines.

Fallstudie

Ein Fallbeispiel soll die hier aufgestellten Behauptungen erläutern und zu einer Schlußfolgerung führen;

Der Vergleich wird zwischen vier Unternehmen hergestellt (A, B, C, D), deren Größe nach dem Umsatz bestimmt wird. Dieser Fallstudie liegen zwei Hypothesen zugrunde:

- Es wird angenommen, daß diese Unternehmen jährlich 100 Millionen Dollar in Forschung und Entwicklung investieren, dies ist die unterste Grenze, mit der ein Unternehmen noch wettbewerbsfähig ist.

- Weiters wird angenommen, daß bei einer Verdoppelung des Umsatzes die Herstellungskosten um 15 Prozent fallen, die Betriebskosten um 10 Prozent.

Diese Hypothesen wurden nicht willkürlich gewählt, sondern die Zahlen entsprechen Erfahrungswerten der Hersteller, daher soll die Fallstudie ein gewisses Spiegelbild der Branche darstellen.

Umsatzaufteilung für A, B, C und D:

A: 12 000 Mill. $ oder 50 Prozent Weltmarktanteil

B: 6 000 Mill. $ oder 25 Prozent Weltmarktanteil

C: 3 000 Mill. $ oder 12,5 Prozent Weltmarktanteil

D: 1500 Mill. $ oder 6,25 Prozent Weltmarktanteil.

Die Betriebskosten sind auf die einzelnen Positionen - laut Bilanz aufgeteilt:

- Herstellungskosten,

- Forschung und Entwicklung,

- Marketing,

- Wartung,

- Allgemeine Ausgaben,

- Gewinn vor Steuern.

Die Kosten für Forschung und Entwicklung, die bei A, B und C mit 6 Prozent

des Umsatzes feststehen, machen bei D bereits 7,7 Prozent des Umsatzes Computerindustrie in diesen Ländern aus, um die 100-Millionen-Dollar-Grenze nicht zu unterschreiten. Daraus ergibt sich folgende Schlußfolgerung: Verringert sich die Größe eines Unternehmens, steigen die Kosten an und gleichzeitig schrumpft der Gewinn.

Der Gewinn des Unternehmens D nach Steuer beträgt nicht mehr als 1,65 Prozent des Umsatzes.

Um nun seine Marktposition innerhalb einer Branche mit 15 Prozent Wachstum

pro Jahr zu behaupten, müßte das Unter nehmen D alle fünf Jahre seinen Umsatz

verdoppeln. In Zahlen heißt dies, der Umsatz müßte alle fünf Jahre um 1500 Millionen Dollar ansteigen, wobei mit Investitionen in etwa der gleichen Größenordnung zu rechnen ist. Die Finanzkraft des Unternehmens ist dafür zu schwach.

Auch eine Finanzierung mit Fremdkapital wird auf Schwierigkeiten stoßen,

da das Unternehmen sowohl für Banken als auch an der Börse unattraktiv für Investitionen erscheint.

Die Konsequenz ist daher, daß D Marktanteile verliert und nach und nach vom Markt verschwindet, oder ein Abkommen mit einem starken Partner trifft, was auch nur eine zeitlich begrenzte Lösung darstellt.

Das Unternehmen C ist in der Lage, seine Forschung und Entwicklung zu finanzieren und zu überleben.

Unter der Voraussetzung, daß der Marktleader seinen Marktanteil konstant mit etwa 50 Prozent bis 60 Prozent halt, ist die Zahl jener Unternehmer, die eine Überlebenschance haben (die laut Fallstudie in der Größenordnung von C liegen) in etwa vier (4 x 12,5 Prozent Marktanteil = 50 Prozent). Diese Zahl kann auf fünf bis sechs ansteigen, nimmt man an, daß die Unternehmen zwar etwas kleiner als C sind, dafür aber besonders produktiv und leistungsfähig. Jedenfalls zeigt die Fallstudie, daß nur eine sehr kleine Zahl von Herstellern langfristig eine Überlebenschance hat und daß die Größe des Unternehmens dafür ausschlaggebend ist. Computerhersteller, die diese Größe nicht erreichen, werden entweder Partnerschaften mit anderen eingehen oder vom Markt verschwinden.

Während der letzten 15 Jahre hat die Zahl der Computerhersteller konstant abgenommen. Heute gibt es in der westlicher Welt etwa 10 bedeutende Hersteller, die in Amerika, Europa und Japan beheimatet sind. Diese drei Erdteile repräsentieren 90 Prozent des Computermarktes, und daher ist es auch offensichtlich, daß die Hersteller in diesen drei Erdteilen produzieren. Betrachtet man die Größe des europäischen und des Japanischen Marktes und die politische Unterstützung, die eine eigenständige Computerindustrie in diesen Landern erhält, so muß man für die Zukunft damit rechnen, daß es zumindest einen großen europäischen und einen großen japanischen Hersteller auf dem zukünftigen Weltmarkt geben wird.