Trauerwein Typisch deutsch - leider wahr

07.10.1994

Es war einmal ein deutscher Industrieverband, der suchte einen Nachfolger fuer seinen scheidenden Praesidenten: Typisch deutsch sollte er sein, mit internationaler Erfahrung, moeglichst in einer technologischen Schluesselbranche. Jedenfalls: Der Gesuchte habe sich unter anderem fuer die Belange unseres industriellen Mittelstandes etwa in Fragen der erfolgreichen Computernutzung einzusetzen, um damit indirekt auch die Position der deutschen DV- Industrie im Wettbewerb gegen die marktbeherrschenden Amerikaner zu staerken. Nichts einfacher als eine Auswahl wie diese. Demnach waere, wenn Trauerwein nicht allzuschwer von Kapee ist, eine bestimmte Herkunftsfirma fuer jeden Kandidaten zum negativen K.o.- Kriterium geworden: die Watson-IBM, so amerikanisch wie John Wayne und Coca-Cola, Schrecken der deutschen DV-Industrie von AEG - lang ist's her - bis Siemens-Nixdorf, zuletzt als "Big Bureaucracy" vom Podest gestuerzt, weil ihre Topmanager die Zeichen der Zeit nicht erkannt hatten. Zu den Verantwortlichen fuer das Debakel gehoerte ganz ohne Zweifel auch ein gewisser Hans-Olaf Henkel. Doch zurueck zur Kandidatenkuer: BDI-Praesident soll jener Big-Blue-Manager Hans- Olaf Henkel werden, weil ihn die Befuerworter fuer "typisch deutsch" halten - und dann koenne er auch eine Menge tun fuer, wir hoeren: fuer was, fuer wen?, eine Menge tun fuer: Digital Equipment, ergaenzt Trauerwein. Eine typisch deutsche Geschichte - und leider wahr. Wie Siemens-Chef Heinrich von Pierer wohl darueber denkt?