Tisch- und Server-Modelle Hersteller kuendigen Pentium-PCs trotz geringer CPU-Stueckzahlen an

04.06.1993

MUENCHEN (jm) - Eine Flut von Pentium-Systemvorstellungen bricht ueber die Anwender herein. Praktisch alle bekannten Hersteller gingen an den Start, als die Intel Corp. ihr Plazet fuer entsprechende Ankuendigungen gab. Allerdings werden nach offizieller Verlautbarung des Prozessorherstellers dieses Jahr weltweit lediglich 100 000 Stueck dieser leistungsstaerksten Intel- CPU ausgeliefert werden.

Anwender koennen sich offensichtlich auch nicht darauf verlassen, dass ihre 486-Systeme, die von den jeweiligen PC-Herstellern als "Pentium-aufruestfaehig" deklariert wurden, diesem Anspruch genuegen (Vgl. CW Nr. 22 vom 28. Main 1993, Seite 29: "Aufruestung auf Pentium koennte...").

Intel und die PC-Produzenten liegen sich in den Haaren, wer Schuld ist an Thermikproblemen, die Anwender bei der Integration des Aufruestprozessors Pentium-Overdrive in 486-Rechner moeglicherweise zu gewaertigen haben. Gemaess einer Untersuchung der Brokerfirma Donaldson, Lufkin & Jenrette aus New York soll lediglich jeder zehnte der als "Pentium-aufruestfaehig" deklarierten Rechner auch tatsaechlich von 486- auf Pentium-Niveau gehievt werden koennen.

Allen Herstellern gemeinsam ist die nur sehr eingeschraenkte Verfuegbarkeit von Pentium-Systemen. Wie Birgit Fischer, Firmensprecherin der Intel Semiconductor GmbH aus Feldkirchen bei Muenchen, gegenueber der COMPUTERWOCHE bestaetigte, werden 1993 weltweit nicht mehr als 100 000 Stueck des 486-Nachfolgers zur Auslieferung gelangen. Im kommenden Jahr rechne man dann mit ungefaehr einer Million lieferbarer Pentium-Chips. "Das kann sich nach oben und unten aber noch etwas veraendern", meinte Fischer weiter.

Verschiedene Betriebssysteme

fuer Pentium- und 486-CPU

Bekannt ist allgemein, dass Intel Erste-Klasse-Kunden fuehrt, die bevorzugt mit neuen Prozessoren bedient werden. Zu diesen gehoeren offensichtlich Compaq, Dell, NCR, IBM und HP. Angaben zur geografischen

oder herstellerspezifischen Kontingentierung wollte die Intel-Oeffentlichkeitsarbeiterin allerdings nicht machen.

Die bevorzugten Anbieter werden in der Lage sein, geringe Stueckzahlen von Pentium-Systemen auf den Markt zu bringen. Mehr oder weniger uebereinstimmend aeussern die PC-Hersteller, dass Auslieferungen in groesserem Umfang erst ab dem dritten Quartal 1993 zu erwarten seien (vgl. die Tabelle der Pentium-Anbieter). Alle Hersteller duerften zudem an ihren Systemarchitekturen gebastelt haben, damit ihre Rechner die Leistungsfaehigkeit des Pentium- Prozessors ueberhaupt nutzen koennen. Dieser weist gegenueber dem 486-Vorlaeufer einige nicht unerhebliche Designaenderungen auf.

Interessanterweise wird in Heft 4 des von Michael Slater herausgegebenen "Microprocessor Report" vom 29. Maerz 1993 von der Moeglichkeit gesprochen, dass Architekturaenderungen des Pentium sogar unterschiedliche Betriebssystem-Versionen - eine fuer 486- und eine fuer Pentium-Prozessoren - erforderlich machen. Eine Antwort hierauf koennte sich im Supplement zum "Pentium Processor Users Manual" finden. Dieses ist allerdings streng vertraulich, Intel gibt es unter dem Siegel der Verschwiegenheit nur an ausgewaehlte Betriebssystem-Entwickler heraus.

Die wesentlichste Aenderung gegenueber der 486-CPU betrifft - abgesehen von der superskalaren Architektur - vor allem den internen 64-Bit-Datenbus (Adressbus 32 Bit.) Dieser ermoeglicht bei einer mit 66 Megahertz getakteten Pentium-CPU eine Datentransferrate von 528 MB/s; beim 486-Prozessor mit 50 Megahertz waren es 160 MB/s.

Ausserdem aenderte Intel die Implementierung des primaeren Cache- Speichers: Verfuegte der 486-Prozessor noch ueber einen auf dem Chip integrierten 8 KB grossen Cache-Speicher, so splittete der Prozessorhersteller diesen nun in getrennte und ebenfalls jeweils 8 KB grosse Code- und Daten-Caches auf.

Systemhersteller werden gezwungen sein, ihre Hardware entsprechend auf den Pentium-Chip zuzuschneidern. Dies liegt vor allem auch an der neuen Charakteristika wie dem Pipelining oder einer erweiterten Burst-Mode-Unterstuetzung. Intel veraenderte darueber hinaus die Cache-Snooping-Technologie des Pentium. Diese ist verantwortlich fuer die Kohaerenz von im Cache- und im Arbeitsspeicher verfuegbaren Daten. Neu in diesem Zusammenhang ist auch das sogenannte "Mesi"-Protokoll (Modified, Exclusive, Shared, Invalid).

Insbesondere sind erheblich leistungsfaehigere Bus-Controller gefragt. Dies gilt vor allem fuer Anbieter von Multiprozessor- Maschinen, die ihre Rechner mit erheblich ausgebauten Sekundaerspeichern ausruesten werden.

Was die Bus-Struktur der Systeme betrifft, machten sich einige Hersteller bereits Gedanken ueber leistungsfaehigere Subsysteme: Compaqs Triflex-Architektur mit einem 64-Bit-Prozessor-, einem 128-Bit-Speicher- sowie einem 32-Bit-EISA-I/O-Kanal stellt da nur eine Variante dar.

Auch ALR schuf fuer das High-end-Server-Modell Evolution V-Q ein neues Bus-System: Beim "Quadflex" splitteten die Ingenieure den Datenkanal vom Prozessor-Cache-Speicher - auch als primaerer Cache bezeichnet - zum sekundaeren beziehungsweise externen Cache auf. Die Daten bewegen sich zwischen primaerem und sekundaerem Cache auf 64 Bit breiten, zwischen externem Cache und dem Arbeitsspeicher jedoch auf 128 Bit breiten Pfaden. Um die

Daten zwischen den schnellen Cache-Bausteinen und den langsameren RAM-Chips zu kanalisieren, entwickelten die ALR-Ingenieure eigens einen ASIC-Chip-Satz.

PC-Hersteller muessen selbst fuer Kuehlung sorgen

Hersteller muessen sich auch ueber Aspekte der Hitzeableitung des Pentium-Chips den Kopf zerbrechen. Bei einer Leistungsaufnahme laut Intel-Datenblatt von maximal 16 Watt (durchschnittlich 13 Watt) uebertrifft der Pentium seinen 486-Vorgaenger (vier Watt) erheblich.

Intel liefert den Pentium-Chip nicht mit einer speziellen Kuehltechnologie aus, Systemhersteller muessen sich also selbst etwas zur Lueftung einfallen lassen. Eins ist jetzt schon sicher: Die bislang in PC-Systemen ueblichen Ventilatoren werden der Aufgabe, den Pentium zu kuehlen, nicht gerecht.

Uebrigens wird auch Intel selbst mit einem Pentium-System besonderer Art aufwarten: Die Grove-Company arbeitet mit einem namentlich noch nicht genannten Hersteller an einem Pentium- basierten massiv-parallelen Rechner. Im Gegensatz zu Intels "Paragon"-Parallelcomputer, der mit Intels 860-RISC-Prozessoren bestueckt ist, soll das neue System vor allem fuer kommerzielle Applikationen gedacht sein.

Die naechste Schlacht um

Marktanteile schon angesagt

Fuer Anwender von groesstem Interesse duerfte letztlich auch die Preisgestaltung der Pentium-Systeme sein: Hier scheint sich schon im Vorfeld die naechste Schlacht um Marktanteile abzuspielen. Intel hatte kuerzlich die offiziellen Pentium-Preise veroeffentlicht: Danach wird

die 60-Megahertz-Version bei 1000er Stueckzahlen 878 Dollar kosten, fuer die 66-Megahertz-Variante muessen die PC-Hersteller 965 Dollar bezahlen.

Compaqs Marketing-Direktor Rod Schrock hatte anlaesslich der Vorstellung der Pentium-Rechner getoent: "Kein anderer PC- Manufakteur wird bei Compaqs Preis-Leistungs-Angebot mithalten koennen." Advanced Logic Research konterte allerdings schon mit einem Einstiegssystem, das rund 5700 Mark kostet (ohne Festplatte).

Je nach Ausstattung duerften die Pentium-Rechner jedoch zwischen 3500 bis 4000 Dollar (bei Tischmodellen) und bis zu ungefaehr 36 000 Dollar (Server- beziehungsweise Multiprozessor-Rechner) teuer sein.