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Zugangsgeschäft an Earthlink

Time Warner will AOL filetieren

04.08.2008
Der US-Medienkonzern Time Warner hat die Vorbereitungen für die Auf- und Abspaltung seiner Tochter AOL abgeschlossen.

Anlässlich der Quartalszahlen am Mittwoch werde Time Warner die Trennung von dem Internetzugangsgeschäft von AOL bekanntgegeben, berichtet das "Wall Street Journal". Seit Monaten habe Time Warner die Optionen ausgelotet für AOL. Dabei sei es um die Möglichkeit gegangen, die Tochter als Ganzes zu verkaufen oder in Teilen. Neben dem Internetzugang hat die Sparte auch noch ein Werbe- und Inhaltegeschäft. Auch Partnerschaften seien in der Diskussion gewesen, schreibt das "WSJ" weiter. So würden nach wie vor informelle Gespräche mit Microsoft und Yahoo! geführt, auch wenn bislang noch keine konkreten Pläne formuliert wurden.

Die Zukunft von AOL hatte der neue Time-Warner-Chef Jeff Bewkes zu einem seiner Hauptanliegen gemacht. Die schwächelnde Tochter (die Time Warner zu Zeiten der "Internet-Blase" ja noch übernommen hatte) ist angesichts der Rückgänge im Internetgeschäft und der trüben Aussichten für die Onlinewerbung schon seit langem ein Ballast für den Medienkonzern.

Erste Kontakte mit Interessenten für das Internet-Zugangsgeschäft habe es bereits gegeben, so die Zeitung. Einer davon sei Konkurrent EarthLink. Analysten würden den Wert des Geschäfts auf zwei bis drei Milliarden Dollar schätzen. Time Warner dürfte aber deutlich mehr verlangen, da das Geschäft allen Rückgängen zum Trotz noch immer profitabel arbeite. AOL habe rund 8,7 Millionen Internetkunden, EarthLink nur 2,2 Millionen.

AOL hat sein Geschäft komplett umgekrempelt

Auf den ersten Blick scheint es so, als sei AOL Deutschland zu seinen Wurzeln zurückgekehrt: Die Tochterfirma des US-Medienkonzerns Time Warner residiert nach einer Zwischenstation im Osten der Stadt wieder im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Hier lagen bis 2005 die Büros, hier startete AOL vor 13 Jahren. Schaut man hinter die Kulissen, sieht man aber ein völlig anderes Unternehmen: AOL verdient sein Geld nicht mehr mit Internet-Zugängen, sondern mit Online-Werbung. Seit kurzem steht mit Harald Fortmann ein Werbefachmann an der Spitze der deutschen Tochter.

Boris Becker und Millionen Deutsche waren mit AOL "drin", für seine Internet-Zugänge ist das Unternehmen noch in den Köpfen vieler Menschen präsent. Doch die Margen in dem umkämpften Geschäftsfeld sind geschmolzen. Daher verkaufte AOL Deutschland die Sparte an Hansenet mit der Marke Alice. Nach mehreren Umbauten ruht das Geschäft heute auf drei Säulen, von denen die wichtigste nicht mehr AOL heißt: Das Unternehmen vermarktet Internet-Werbung unter dem Namen "Platform-A". "Dieser Bereich wird das Wachstum des gesamten Unternehmens treiben", sagt Fortmann.

Das Unternehmen vermarktet nicht nur die eigenen Portale, sondern auch rund 20 weitere deutsche Websites exklusiv, darunter Alice.de, Stayfriends.de und Seiten diverser Fußball-Clubs. Das Platform-A-Netzwerk ist laut Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung (AGOF) die Nummer 8 unter den deutschen Werbevermarktern und erreicht rund ein Viertel der deutschen Nutzer; über ein weiteres Netzwerk, in dem auch Rivalen vertreten sind, erreicht man gar 80 Prozent der User. Um die digitale Vermarktung auszubauen, hat AOL in den vergangenen 18 Monaten rund zwei Milliarden Dollar investiert. Weitere Übernahmen sind möglich. "Wir schauen uns um in Bereichen des Online-Marketings, die wir noch nicht abdecken", sagt Fortmann. Das seien aber nicht mehr viele.

Ob auf großen kommerziellen Portalen oder kleinsten Liebhaber-Websites, ob in Texten oder Videos, auf dem PC oder dem Handy: "Wir wollen Werbung aus einer Hand anbieten", sagt Fortmann. "Wir sehen bei Radio, Fernsehen und Print Verluste und bei Online Wachstum" so der Deutschlandchef. Davon will das neue AOL profitieren ­ unabhängig davon, ob das Unternehmen im Time Warner-Konzern verbleibt oder, wie schon so oft spekuliert, verkauft wird.

Die zweite Säule ist in den vergangenen Jahren vom Lastenträger zum Zierwerk geschrumpft. Die Portalseiten im Internet bestückte AOL früher mit einer der größten Online-Redaktionen des Landes; heute stammen die Artikel und Fotos fast ausschließlich von Partnern. Die Nachrichten liefert etwa Welt.de. Das Portal lockt vor allem Ältere an. Um an die junge Generation heranzukommen, macht AOL Portale unter anderem Namen auf. So soll das Blog Engadget bald nach Deutschland kommen - hier geht es um technische Neuheiten und Spielereien.

"Wenn man ein gutes Portal betreiben will, muss man keine große Online-Redaktion haben", ist Fortmann überzeugt. "Man sollte die Inhalte nehmen, die gut und auf dem Markt verfügbar sind." Das AOL-Portal und die anderen Websites erfüllen so weiterhin einen Zweck: Sie sind ein Podium für die Werbevermarktung.

Auch die dritte Sparte lehnt sich an die Werbe-Säule an: Unter dem Schlagwort "People's Networks" fasst AOL unter anderem die Instant-Messaging-Dienste ICQ und AIM sowie das soziale Netzwerk Bebo zusammen. Dieses hat weltweit 25 Millionen Mitglieder und ist in England beliebt. Eine deutsche Version soll folgen. "Die Vermarktung von sozialen Netzwerken steckt noch in den Kinderschuhen, aber über die Masse der Zugriffe auf die Seiten lassen sich auch hohe Erlöse erzielen", ist Fortmann überzeugt.

Der Umbau macht sich auch beim Personalstand bemerkbar: 2006 wechselten 1250 der damals 1500 Mitarbeiter zu Alice, die anderen Bereiche schrumpften ebenfalls. Heute hat AOL nach eigenen Angaben 225 Mitarbeiter, nicht zuletzt durch Zukäufe. Und es sucht wieder Personal - hauptsächlich für das Online-Marketing. (dpa/tc)