Vom Magnetkontencomputer zum Mehrplatzsystem:

Textverarbeitung ist die letzte Anwendung

04.03.1983

Vor zehn Jahren führte die Wolldeckenfabrik Weil der Stadt AG die elektronische Datenverarbeitung ein. Zuerst arbeitete das Unternehmen mit einem Magnetkontencomputer, dann mit einem Plattensystem. Als vor zwei Jahren die Entscheidung zum Übergang auf ein Dialogsystem anstand, sah man sich nach einem neuen EDV-Partner um und erwarb von der Konstanzer Computertechnik Müller GmbH ein Mehrplatzsystem.

Mit dem Modell 900 werden die im Betrieb anfallenden Aufgaben jetzt bearbeitet. Neben der Zentraleinheit mit 128 KB sind zur Zeit zwei Magnetplattenlaufwerke mit je 80 MB Kapazität, sieben Bildschirme, ein Schnelldrucker und drei Matrixdrucker im Einsatz. Da die vorhandene Speicherkapazität aber schon zu mehr als hundert Prozent ausgelastet ist, bestehen bereits Überlegungen, auf einen Datenbankcomputer umzustellen. Damit können die Daten dann noch schneller verarbeitet werden, und vor allem die automatische Reorganisation der Dateien bringt einen zusätzlichen Zeitgewinn.

Standardsoftware allein reicht nicht

Zwar waren die Mitarbeiter der Abteilung Rechnungswesen aufgrund langjähriger EDV-Vorerfahrung grundsätzlich positiv eingestellt, doch um Problemen vorzubeugen, erfolgte die Umstellung sehr langsam. Mit einer 24-MB-Fest-/ Wechselplatte wurde angefangen. Mehr Kapazität war in dieser Umstellungsphase nicht erforderlich, denn zuerst sollte mit einer leicht abgewandelten Standardsoftware nur das Lohn- und Gehaltsprogramm laufen. Als das Programm nach einem Vierteljahr schließlich fehlerfrei arbeitete, nahm man das nächste Projekt in Angriff: die Finanzbuchhaltung mit allen dazugehörenden Nebenprogrammen, wie vorbereitende Kostenrechnung und Kostenstellenaufteilung, wobei auch hier Standardsoftware eingesetzt wurde.

Die Ziele, die sich die Wolldeckenfabrik gesteckt hat, lassen sich aber mit Standardsoftware allein nicht verwirklichen. So erstellt das Software-Ingenieurbüro Walter & Partner in Calw die branchentypischen Programme für Vertriebsabwicklung und Fertigungsüberwachung. Das sicher auch in ähnlich strukturierten Betrieben einsetzbare Programm für die Vertriebsabwicklung ist bis auf die letzten kleinen Schönheitsfehler fertiggestellt. Das modular aufgebaute Programm für die Fertigungsüberwachung wird schon teilweise eingesetzt, hier fehlen nur noch einige Anschlußprogramme. Die artikel- und kundenbezogene Deckungsbeitragsrechnung als wichtige Kalkulationsgrundlage läuft inzwischen auch.

Vertriebsabwicklung und Fertigungsüberwachung basieren auf einer Datenbank, der ein Stücklistenprozessor zugeordnet ist. Über produktbegleitende Stückkarten werden im Fertigungsbereich die Arbeitsgänge überwacht. Die verschiedenen Kostenstellengruppen melden aufgrund der vorgesehenen Abrisse an den Stückkarten das Fertigungsstadium der einzelnen Aufträge zurück. Auch die Materialdisposition ist in diesem Rahmen verwirklicht.

Flexibilität erhalten

Eine besondere Schwierigkeit für die Vertriebsabwicklung und Fertigungsüberwachung stellen die beiden Produktionszweige Schlaf- beziehungsweise Heimdecken und Stoffe dar. Hier muß mit verschiedenen Maßgrößen gearbeitet werden: Die Decken werden in Einzelstücken abgerechnet und die Stoffe nach Metern. Jeder Stoffballen hat rund 50 Meter mit Toleranzen von plus/minus fünf Metern. Das bedeutet, daß jeder einzelne Ballen wegen der unterschiedlichen Längen separat gespeichert werden muß.

Eine DV-mäßige Fertigungssteuerung ist nicht vorgesehen, weil dann der Produktionsablauf zu sehr festgeschrieben würde. Wolfgang Kesten, Technischer Betriebsleiter, hat sich mit den Vor- und Nachteilen der Fertigungssteuerung auseinandergesetzt: "Die Stärke eines Mittelbetriebes, wie wir es sind, besteht darin, daß er beweglicher ist. Wir können schnell umdisponieren, wenn dringende Aufträge kommen."

Freie Kapazität abrufbar

Im nächsten Schritt sollen die freien Produktionskapazitäten jederzeit abrufbereit sein, so daß einem Kunden schon bei der Auftragserteilung mitgeteilt werden kann, ob der gewünschte Liefertermin technisch möglich ist. Und wenn dieser nicht einzuhalten ist, zu welchem nächstmöglichen Zeitpunkt die Lieferung ausgeführt werden kann. Weitere Zukunftspläne erläutert Edgar Kaiser, Leiter des Rechnungswesens: "Später wollen wir auch Textverarbeitung machen, haben aber absichtlich noch nicht damit begonnen, weil wir die anderen Programme erst richtig im Griff haben wollen." Sowohl für die Hardware als auch für die Software ist der Hardwarelieferant der alleinige juristische Ansprechpartner. Eine solche vertragliche Regelung ist gerade für den Anwender im mittelständischen Bereich außerordentlich attraktiv. Denn damit ist, besonders bei externen Entwicklungen von Individualprogrammen, ein hohes Maß an Sicherheit gegeben.