Ifo-Studie über Wirkungen neuer Techniken:

Textverarbeitung hält langsam Einzug im Büro

04.06.1982

MÜNCHEN (CW) - Der Markt für Textverarbeitung wird bis 1985 die größten Zuwachsraten im Dienstleistungsbereich und in der öffentlichen Verwaltung verzeichnen können. Das bedeutet allerdings nicht, daß mit einer raschen Verbreitung der Textverarbeitungstechnik zu rechnen ist. Organisations-, Akzeptanz- und Entscheidungsbarrieren stehen dem in der Regel entgegen und bewirken ein eher schrittweises und pragmatisches Innovationsvorgehen.

Zu diesem Ergebnis kommt das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, München, in einer Studie mit dem Thema "Arbeitswirtschaftliche und soziale Folgewirkungen neuerer Technologien im Bereich der Textverarbeitung". Auftraggeber war das Rationalisierungskuratorium der Deutschen Wirtschaft (RWK) in Eschborn.

Das Angebot der Textverarbeitungstechnik ist gegenwärtig von einer Fülle unterschiedlicher Geräte- und Systemtypen geprägt. Nach Ansicht der Ifo-Forscher werden sich aber in Zukunft drei Produktlinien durchsetzen: Speicherschreibmaschinen, Einzel- oder Mehrplatz-Textsysteme mit Bildschirm und computergestützte Textverarbeitungssysteme (CTV).

Voraussetzung für diese integrierten Informationssysteme sind laut Ifo allerdings standardisierte Softwarepakete, die die bestehende mangelnde Kompatibilität zwischen Text-, und Datenverarbeitungssoftware überwinden. Autonome Systeme auf Minicomputerbasis, die beide Funktionen erfüllen können, dürften daher eine schnellere Verbreitung finden als die integrierte Lösung.

Bei den Motiven für die Einführung der Textverarbeitung stehen nach Ansicht der Experten Kostensenkungsziele an erster Stelle. Anhaltende Ertragsschwäche oder ein konjunkturbedingter Absatzrückgang zwinge Industrie und Handel dazu, bei wachsenden Personalkosten gerade im arbeitsintensiven Bürobereich nach Einsparungsmöglichkeiten zu suchen. In der öffentlichen Verwaltung werde die Textverarbeitung vor allem deswegen Einzug halten, um den Bedarf an Schreibkräften zu decken.

Im Hinblick auf mögliche Akzeptanzbarrieren meint das Institut, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht die direkt betroffenen Sekretärinnen und Schreibkräfte den Einsatz der Textverarbeitungstechnik behindern, sondern vielmehr die Führungskräfte und die Sachbearbeiter. Daneben gebe es häufig auch Probleme bei der Entscheidungsfindung der vorgesehenen Maßnahmen oder bei der Implementierung.

Ein weiterer Untersuchungspunkt waren die möglichen erzielbaren Produktivitätseffekte beim Einsatz von Textsystemen. Nach der Ifo-Studie ergeben sich relativ hohe Effekte bei Unternehmen aus schreibintensiven Wirtschaftszweigen wie Banken, Versicherungen und großen Firmen in Handel und Industrie. Vor allem Erstanwender können - in Verbindung mit systematisch umfassenden, organisatorischen Änderungen - einen sehr hohen Zuwachs an Produktivität erzielen.

Schreibintensive Bereiche der öffentlichen Verwaltung und aus dem übrigen Dienstleistungsbereich - das Ifo-Institut charakterisiert sie als "schrittweise pragmatische Anwender" - müssen sich mit niedrigeren Produktivitätseffekten von durchschnittlich sechs bis elf Prozent zufriedengeben.

Kleine und mittlere Firmen des produzierenden Gewerbes und aus dem Handel sowie die weniger schreibintensiven Bereiche der Verwaltung gehören nach den Ergebnissen der Untersuchung häufig zu den Spätanwendern der Textverarbeitung. Die in diesen Bereich erzielten Produktivitätseffekte liegen daher auch im Vergleich zu den beiden anderen Anwendertypen am niedrigsten.

Für die Zukunft rechnet das Ifo-Institut mit einem kontinuierlich wachsenden Verbreitungsgrad der Textverarbeitung. Die Implementierung verlaufe allerdings auf Grund der Organisations-, Akzeptanz- und Entscheidungsbarrieren langsam und sukzessiv, so daß die vorhandenen hohen Produktivitätseffekte der neuen Technik erst mittel- oder langfristig zum Tragen kommen.

Für die Arbeitsmarktsituation insgesamt erwarten die Ifo-Experten keine wesentliche Belastung. Ihrer Ansicht nach werden die Unternehmen auf Entlassungen weitgehend verzichten und Freisetzungen im Rahmen der üblichen Personalfluktuation und mit Hilfe von Umsetzungen bewältigen.

Für den Teilmarkt der Sekretärinnen und Schreibkräfte muß dagegen auf Grund des sinkenden Arbeitsplatzangebotes mit einer tendenziell eher angespannten Lage gerechnet werden. Für die Ebene der Sachbearbeiter kommt die Untersuchung zu dem Schluß, daß es "keine bedeutsame Gefährdung" durch die Textverarbeitungstechnik gebe.

Hinter das zukünftige Verhalten der Gewerkschaften und der Arbeitnehmervertretungen in den Unternehmen setzt das Ifo-Institut ein dickes Fragezeichen. Es gebe Anzeichen dafür, daß man von der bisher verfolgten "Betriebsstrategie" abrücke, die vor allem auf die Sicherung der Arbeitsplätze und die Wahrung des Besitzstandes gerichtet war.

Gegenwärtig versuchten die Gewerkschaften, die Betriebsräte besser als bisher über Einsatzmöglichkeiten und qualitative Folgen der neuen Technik zu informieren. Dadurch solle auf der Basis des Betriebsverfassungsgesetzes und mit Hilfe von betrieblichen Vereinbarungen versucht werden, bereits in der Planungsphase auf technisch-organisatorische Veränderungen im Büro Einfluß zu nehmen.