Tests von Big Blue: Rechenfehler kann alle 24 Tage auftreten IBM stoppt alle Lieferungen von PCs mit Pentium-Prozessoren

16.12.1994

MUENCHEN (CW) - Der kalifornische Chipgigant Intel wurde mit ersten Konsequenzen aufgrund des bekanntgewordenen Pentium-Rechenfehlers konfrontiert. Grossabnehmer IBM hat - trotz des lukrativen Weihnachtsgeschaefts - die Lieferung saemtlicher Pentium-basierter PCs eingefroren. Der Rechenfehler macht sich laut IBM "haeufiger als zuvor angenommen" bemerkbar.

Intel hat die Wahrscheinlichkeit, nach der der Pentium-Koprozessor falsche Rechenergebnisse erzielt, "signifikant" heruntergespielt, lautet IBMs Begruendung gegenueber dem "Wall Street Journal". Big Blue ist nach umfangreichen Tests zu dem Ergebnis gekommen, dass "bei einem herkoemmlichen Tabellenkalkulationsprogramm, das sich nur 15 Minuten taeglich im Einsatz befindet, der Fehler statistisch alle 24 Tage einmal auftritt", konkretisiert die US-Agentur Dow Jones IBMs Erfahrungen.

Unternehmen mit 500 Pentium-Rechnern muessten gar von bis zu 20 falschen Berechnungen am Tag ausgehen. IBM-Wissenschaftler haben ausserdem herausgefunden, dass Subtraktionen und Additionen mit manchen zweistelligen Nachkommazahlen wie etwa 5,79 einen Nenner erzeugen koennen, der in anschliessenden Divisionen fuer falsche Ergebnisse sorgen kann.

Die Grove-Company hatte den Fehler urspruenglich als Lappalie abgetan und erklaert, eine inkorrekte Berechnung sei nur alle

27 000 Jahre wahrscheinlich - ein Wert, den Intel nach der ersten heftigen oeffentlichen Auseinandersetzung auf 270 Jahre reduziert hatte (siehe CW Nr. 49 vom 9. Dezember 1994, Seite 1).

Firmenchef Andy Grove haelt an der Produktpolitik fest: Kunden, bei deren Applikationen ein Fehler aufgrund der Pentium-CPU auftritt, bekommen ein Austauschprodukt. IBMs Entscheidung, die PC-Lieferung auf Eis zu legen, sei ungerechtfertigt.

Aeusserst veraergert zeigen sich unterdessen jedoch Kunden ueber Intels Strategie, einen Austausch des defekten Bausteins nur bei einem Nachweis ueber die tatsaechlich benoetigte Rechengenauigkeit vorzunehmen. James Meketa etwa, Topmanager im US-Kapitalgeschaeft bei der Meketa Investment Group, will ab sofort nichts mehr mit seinen zwei Pentium-PCs zu tun haben. Eigene Tests ergaben auch bei ihm eine weitaus hoehere Fehlerrate, als es Intel anfangs prophezeit hatte. Fehler "wuerden meinem Geschaeft den Garaus bereiten", erklaerte Meketa. Auch die Boerse reagierte: Intels Aktien sind nach Bekanntgabe des IBM-Beschlusses um 6,8 Prozent auf 58,5 Dollar gesunken.