Telekom rechnet nun mit dem Vollzug der Postreform II Das Karussel der TK-Planspiele und Allianzen dreht sich weiter

03.12.1993

MUENCHEN (gh) - Nicht 1998, sondern bereits 1994 ist fuer die Telekom das Jahr entscheidender Weichenstellungen. Aufgrund der Beratungsergebnisse der interfraktionellen Verhandlungskommission geht man beim Bonner Carrier nun von einem baldigen Vollzug der Postreform II aus. Volle Kraft voraus heisst denn auch die Devise in Sachen internationaler Kooperationen - vor allem mit France Telecom; waehrend sich gleichzeitig vor der eigenen Haustuer ein weiterer Wettbewerber in die Startloecher begibt.

Lange genug wurde in der Branche darueber spekuliert - ueberrascht hat es daher niemanden, was nun amtlich ist: Die Deutsche Bundespost Telekom bekommt, noch vor der fuer 1998 vorgesehenen EG- weiten Aufhebung des Telefondienstmonopols, in ihrem Heimatmarkt erstmals Konkurrenz vergleichbaren Kalibers. So jedenfalls lassen sich die jetzt bekanntgewordenen Plaene der drei Giganten Mannesmann, RWE Energie und Deutsche Bank interpretieren, nach Moeglichkeit schon Ende naechsten Jahres grossen Firmenkunden in eigener Regie Corporate-Network-Loesungen anzubieten.

Zu diesem Zweck wollen die drei Unternehmen bereits zum 1. Januar 1994 eine eigene TK-Company aus der Taufe heben (siehe CW Nr.48 vom 26. November 1993, Seite 4: "Ein Triumvirat will kuenftig die klassischen Carrier schrecken") um, wie ein RWE-Sprecher gegenueber der COMPUTERWOCHE erklaerte, in erster Linie "die im Genehmigungskonzept des Postministeriums definierten geschlossenen Benutzergruppen zu bedienen". Bei ihrer TK-Offensive haben die branchenfremden Neulinge gleich alles im Visier, was kuenftig im Multimedia-Zeitalter gang und gebe sein wird - naemlich die Daten-, Sprach- und Bilduebertragung im Festnetzbereich sowie die Bereitstellung von Mehrwertdiensten. Bis es allerdings soweit ist, muessen die drei Partner erst noch ihre jeweiligen Netzinfrastrukturen buendeln beziehungsweise in die neue Gesellschaft einbringen. Dies betrifft, wie es in einer Erklaerung der drei Unternehmen heisst, alle TK-Einrichtungen, sofern sie nicht Zwecken wie dem Mobilfunk oder der Stromversorgung dienen. Ausserdem sollen nach Angaben des RWE-Sprechers die Netze in grossem Stil auf Glasfaser umgeruestet werden.

Besonders knausrig ist man dabei nicht - allein fuer die Startphase ihres Joint-ventures inklusive Kundenaquisition wollen die drei Gesellschafter mehrere hundert Millionen Mark locker machen, um, wie Mannesmann-Sprecher Peter Soehnlein formulierte, "spaetestens 1995 fuer das europaeische Business geruestet zu sein".

Telekom nimmt die neue Konkurrenz ernst

Darueber hinaus will sich ein von RWE angefuehrtes Konsortium, dem die Mannesmann Eurokom GmbH, die Deutsche Bank AG, die Energieversorgung Schwaben AG, die schwedische Telia International AB sowie die franzoesische Cofira S.A. angehoeren, um die vom Bundesministerium fuer Post und Telekommunikation ausgeschriebene zweite Datenfunklizenz bewerben.

Der bundesdeutsche beziehungsweise europaeische TK-Markt wird sich also aller Voraussicht nach auf einen weiteren potenten Wettbewerber einstellen muessen - einen, den man, wie Telekom- Sprecher Juergen Kindervater betont, "ernst nimmt". Das Telekom- Management sei jedoch, so Kindervater, von der neuen Allianz nicht ueberrascht worden. Sie verdeutliche vielmehr, dass der Wettbewerb in der Telekommunikation laengst vor der fuer 1998 angekuendigten europaeischen Liberalisierung begonnen habe.

Vor diesem Hintergrund sieht man beim Bonner Carrier aufgrund des in der interfraktionellen Verhandlungskommission erzielten Parteienkompromisses nun die Moeglichkeit, endlich an das Werk der Postreform II zu gehen - auch wenn die allmaechti- ge Deutsche Postgewerkschaft (DPG) in der Zwischenzeit das Papier der politisch verantwortlichen TK-Experten bereits wieder als voellig unzureichend abgelehnt hat. "Gott sei Dank stellt die DPG keine Fraktion im Deutschen Bundestag", blickt Kindervater fuer seinen Broetchengeber optimistisch in die Zukunft; jedenfalls rechnet man in der Telekom-Chefetage nun fest damit, dass die Bonner Gesetzgebungsmaschinerie in Sachen Postreform II Anfang naechsten Jahres endlich in Gang kommt.

In Gang kommen muss allerdings auch noch die vor kurzem bekanntgewordene weitere Intensivierung der Zusammenarbeit mit France Telecom. Nach anfaenglichen Dementis haben beide Carrier nun bestaetigt, dass man umgehend an die Realisierung eines gemeinsamen paneuropaeischen intelligenten Telefonnetzes fuer Grosskunden sowie der Verschmelzung der jeweiligen X.25-Datennetze gehen werde. Gleichzeitig wollen beide Partner, die bis dato vor allem eines verband - naemlich die Furcht, im internationalen Wettbewerb den Anschluss zu verlieren - versuchen, ihre gemeinsame Outsourcing- Tochter Eunetcom soweit hoffaehig zu machen, dass der Wunschpartner AT&T doch noch mit ins Boot steigt. Ein entsprechendes Memorandum of Understanding haben die beiden kontinentalen PTTs jedenfalls der Bruesseler EG-Kommission vorgelegt. Ob und wann von dort aus gruenes Licht erteilt wird, ist Kindervater zufolge noch nicht mit Sicherheit zu sagen. Man hoffe aber, so der Telekom-Sprecher, "noch im Dezember dazu etwas verlautbaren zu koennen".