Mit Rat, Personal und Geld

Telekom bietet Unternehmen Hilfe bei ISDN-Pilotprojekten

27.09.1991

Seit dem Frühjahr 1989 besteht die Möglichkeit, die Anwendungsförderung für ISDN der Telekom in Anspruch zu nehmen. Unternehmen können sich im Rahmen dieses Förderprogrammes finanziell oder personell unter die Arme greifen lassen. Manfred Zeller* stellt zwei ISDN-Projekte vor, die bei der Datev in Nürnberg und in der Getränkeindustrie realisiert wurden.

Die Datev, das Dienstleistungszentrum der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe, ist eine Genossenschaft, deren Mitglieder die angebotenen Programme für Buchführung, Steuerabrechnung und Wirtschaftsberatung nutzen. Zur Zeit wickeln 1,4 Millionen Betriebe über Steuerberater ihre Finanzbuchführung mit der Datev ab.

1984 wurde das Datev-Verbundsystem eingeführt, in dessen Rahmen Programme zum dezentralen Einsatz auf PCs und intelligenten Terminals in der Kanzlei bereitgestellt werden, die mit dem Rechenzentrum der Datev in Nürnberg per DFÜ kommunizieren.

Pilotprojekt eröffnet neue Perspektiven

Neue Perspektiven wird nun das zwischen der Datev und der Telekom vereinbarte Pilotprojekt eröffnen, bei dem man erstmals die Vorteile des digitalen Fernmeldenetzes ISDN in diesem Anwendungsbereich nutzen will. Die Nürnberger Datenverarbeiter erhoffen sich davon Erkenntnisse für weitere Funktionsverbesserungen des Datev-Verbundsystems DVS.

Die gegenwärtige Technologie der Datenfernübertragung und das Angebot an Anwendungsprogrammen bieten dem Steuerberater schon Serviceleistungen, doch sie sind durch die Übertragungsgeschwindigkeit von derzeit 2400 beziehungsweise 1200 Bit/s eingeschränkt. Hinzu kommt, daß die Einrichtungen zur Datenfernübertragung von den PC-Anbietern in erster Linie für den Datenaustausch in der Kanzlei und dem Großrechner in Nürnberg hergestellt wurden. Zunehmend wichtiger werden jedoch die Kommunikation mit anderen Partnern des Steuerberaters wie Banken, Mandanten oder Finanzverwaltungen.

Hier soll ISDN Abhilfe schaffen. Die Praxistauglichkeit wird nun im ISDN-Pilotprojekt getestet, das seit Oktober 1990 läuft und an dem rund 100 Steuerberater teilnehmen. Datev bietet dafür in Verbindung mit der bereits vorhandenen ISDN-fähigen PC-Software eine Datev-ISDN-Karte an, die sich für AT- und PS/2-Rechner eignet.

Alle Datev-Anwendungen mit neuer System-Software, die sich bei Bedarf automatisch an das Rechenzentrum anschalten und selbständig Daten übertragen, sind also grundsätzlich heute schon ISDN-fähig. Das nahtlose Ineinandergreifen von PC und Rechenzentrums-Verarbeitung bei hoher Übertragungskapazität des ISDN von 64 Kbit/s - also dem 50fachen gegenüber der alten Modem-Version mit 1200 Bit/s - macht das Rechenzentrum damit quasi zum unmittelbaren Bestandteil eines jeden PCs in der Kanzlei.

Welche Anwendungen sind nun in dieser Konstellation möglich? Zum einen kann die neue Kommunikationssoftware für die Datenfernverarbeitung und -übertragung genutzt werden. Zum anderen ist der Zugriff auf die Datev-Datenbanken möglich, und die Lohn- und Gehaltsabrechnung - derzeit für rund 4,5 Millionen Beschäftigte - ist am PC im Zusammenspiel mit dem Nürnberger Rechenzentrum abwickelbar. Eine weitere Anwendung ist die Fernwartung und Aktualisierung von PC-Software, die zur Zeit noch durch den Postversand von Disketten bewerkstelligt wird. Aufgrund der kürzeren Antwortzeiten bei Datenbankabfragen und anderen Dialoganwendungen sowie durch das schnellere Zusammenspiel zwischen Kanzlei und Datev-Rechenzentrum soll mit ISDN eine Verbesserung von Arbeitsabläufen erreicht werden.

"Wir erhoffen uns von dem Pilotprojekt neue Erkenntnisse für weitere Funktionsverbesserungen des Datev-Verbundsystems DVS. Durch ISDN wird unser Rechenzentrum quasi zum unmittelbaren Bestandteil jeder einzelnen Steuerberaterkanzlei. Die zusätzlichen Mehrwertdienste, die das digitale Fernmeldenetz bietet, werden wir ebenfalls in unsere Produktentwicklung integrieren, damit der 'dynamische Verbund', bald Realität wird", meint Peter Tennert, Direktor Produktion, Geschäftsbereich Datenverarbeitung, Drucken und Versand der Datev.

Das Flensburger Spirituosenunternehmen Dethleffsen arbeitet mit einer Vertriebssteuerung, die auf einem gemeinsamen Konzept der Hamburger Svea-Telekommunikationsberatung und der Firma IVM unter Einbeziehung von Bildschirmtext basiert. In der zweiten Generation des Kommunikationssystems wird jetzt das diensteintegrierende ISDN-Netz der Telekom genutzt. Mit ISDN-Btx läßt sich die Geschwindigkeit der Kommunikation wesentlich erhöhen, was die Kosten des Transfers deutlich vermindert.

Dethleffsen hat einen Jahresumsatz von rund 265 Millionen Mark, wobei pro Jahr rund 27 Millionen Flaschen vertrieben werden. Das stellt allein an die Logistik hohe Ansprüche. Insgesamt arbeiten dort 120 Außendienstler in mehr als 30 Handels agenturen. Zwischen 70 000 und 80 000 Bestellungen gehen von den Agenturen pro Jahr in Flensburg ein.

Zum Außendienst der Weltmarken Import GmbH & Co. in Wiesbaden gehören neben Agenturen auch eigene Mitarbeiter. Das Unternehmen setzt ebenfalls eine Vertriebssteuerung über ISDN Btx ein. Pro Jahr werden rund 30 Millionen Flaschen versandt. Bei beiden Unternehmen regelt die Anwendersoftware in den Außenstellen, daß die Agenturmitarbeiter in einer automatisierten Routine Daten für die Zentrale (unter anderem Bestellungen) in das Btx-System überspielen können.

In demselben Vorgang werden Daten aus dem Btx-System herausgelesen, etwa Bestätigung und Kundendaten, die von der Zentrale im Btx-Rechner bereitgestellt wurden. Das entsprechende Anwenderpaket regelt parallel die Anforderung der Agenturdaten. Vorteilhaft ist dabei die zeitliche Unabhängigkeit der Kommunikationspartner und die ständige Verfügbarkeit des Systems. Dethleffsen etwa veranlaßt den Transfer jeweils um 20 Uhr. Bereits gegen 21 Uhr können von der Zentrale die Lieferanweisungen für den Spediteur geschrieben werden.

Während zur Zeit lediglich die Zentrale von der Übertragungsrate des ISDN von 64 Kbit/s profitiert, übertragen die Außenstellen noch analog zum Btx-Rechner. In einer späteren Phase will man beidseitig ISDN-Verbindungen realisieren. Zur Optimierung des Übertragungsvolumens können die Daten vor dem Versand komprimiert und bei Empfang dekomprimiert werden.

Einige Handelsagenturen arbeiten mit mehreren Unternehmen zusammen, die dieses Paket im Einsatz haben. Sie können über ihren PC in einer Versand- und Empfangsroutine gleich mit mehreren Zentralen kommunizieren. Versand der Bestellungen und Abruf von Informationen aus den Zentralen sind dann im Idealfall für den Preis einer Telefoneinheit zu erledigen.

Für die Unternehme ergeben sich folgende Vorteile:

- Die Zentrale übermittelt Daten an Btx-Rechner mit 64 Kbit/s und ruft ebenso schnell Daten von dort ab.

- Die Außenstellen nutzen zur Übermittlung wahlweise analoge oder digitale Verbindung (ISDN).

- Freie zeitliche Disposition beider Kommunikationspartner

- Mehrfachnutzen der eingesetzten PCs in den angeschlossenen Außenstellen.

Die Unternehmen, die ein ISDN-Projekt mit personeller und finanzieller Hilfe der Telekom durchführen wollen, müssen folgende Voraussetzungen mitbringen:

- Das Projekt muß innovativ sein und die ISDN-Leistungsfähigkeit demonstrieren,

- der Nutzen der jeweiligen Anwendung soll auch für andere Marktsegmente erkennbar sein.