Telecom 80 aus der Sicht eines Anwenders: Perspektiven der Telekommunikation

28.11.1980

KÖLN - Am Rande der Orgatechnik '80 fand der erste Fachkongreß für organisierte geschäftliche Telekommunikation, veranstaltet von der Deutschen Telecom e.V., einer Vereinigung von Großanwendern, mit über 900 Teilnehmern statt. Es wurde referiert und diskutiert über das Motto "Informations- und Telekommunikations-Systeme der 80er Jahre, eine Herausforderung für Anwender, Hersteller, Deutsche Bundespost und Wissenschaft".

Warum fand dieser Kongreß ein so großes Interesse? Dafür können drei Gründe genannt werden:

- Es gibt keine vergleichbare Veranstaltung in Deutschland.

- Es besteht ein Informationsdefizit sowohl bei den Anwendern als auch bei den Herstellern.

- Die Telekommunikation greift auf die EDV- und Organisationsabteilungen über, wobei Fachleute aus diesen Sparten zunehmend für die Telekommunikation Interesse zeigen.

Am ersten Tag hielten Vertreter der Deutschen Bundespost, der Hersteller und der Wissenschaft Plenumsreferate, die dem Anwender einen Ausblick auf die Entwicklung und deren Auswirkungen der geschäftlichen Telekommunikation in den 80er Jahren geben sollten.

Fernsprechen ist heute aus keinem Unternehmen mehr wegzudenken. Neue Techniken der Hersteller, wie automatischer Rückruf, Rufumleitung, Wahlwiederholung, Kurzwahl sowie künftig geplante Leistungsmerkmale der Deutschen Bundespost, wie automatisierte Konferenzgespräche, "Service 130" (hierbei können Gesprächskosten von der angerufenen Person übernommen werden), gestalten das Fernsprechen auch in den 80er Jahren attraktiv.

Konkurrenz für den Telexdienst

Der Telexdienst wird durch neue Leistungsmerkmale, die die Deutsche Bundespost durch das EDS-System dem Teilnehmer zur Verfügung stellen kann (Rundschreiben, Gebührenzuschreiben, Kurzwahl etc.), auch in den nächsten Jahren noch ein fester Bestandteil der Telekommunikation sein; jedoch von dem im nächsten Jahr beginnenden neuen Dienst "Teletex" Konkurrenz bekommen. Während man beim Telexdienst eine Übertragungsgeschwindigkeit von 50 Band und einen begrenzten Zeichenvorrat zur Verfügung hat, kann Teletex Briefe, Berichte in Korrespondenzqualität,(380 Zeichen) mit einer Geschwindigkeit von 2400 Bit/s übertragen.

Die Teletex-Maschine besteht aus einem lokalen Teil mit Schreibmaschine, Bildschirm und Speicher, hiermit können Briefe erstellt und Textbearbeitungen durchgeführt werden. Mit Hilfe von Kommunikationsteilen, bestehend aus Sende- und Empfangsspeicher sowie des Übertragungsteiles, ist der Teletex-Bürofernschreiber im Datex-L-Netz kommunikationsfähig.

Gilt es grafische Darstellungen oder handgeschriebene Texte zu übermitteln, so empfiehlt sich der Telefax-Dienst der Deutschen Bundespost. Hierbei sind im Moment noch Geräte der Gruppe II mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von drei Minuten pro DIN-A4-Seite Standard. Ins Auge gefaßt ist für 1981/182 die Einführung der Gruppe III als Dienst der Deutschen Bundespost. Das würde bedeuten: eine Minute (Übertragungszeit für eine DIN-A4-Seite.

Ebenfalls ab 1982/83 plant die Deutsche Bundespost nach positivem Ausgang der Feldversuche, Bildschirmtext als neue Dienstleistung anzubieten. Hierbei haben dann Unternehmen die Möglichkeit, über Datenbanken den Verbrauchern Informationen zukommen zu lassen. In Anspruch genommen werden für diese Dienstleistung das Telefon unter Einbeziehung des Fernsehgerätes, Bildschirmtext-Zentralen und externe Rechner, die über das Datex-P-Netz miteinander kommunizieren.

Kaum Zeit für Diskussionen

Die bisher genannten Dienste gibt es bereits oder sie sind schon sehr konkret.

Nicht ganz so nahe der Realisierung sind Dienstleistungen, die unter dem Sammelbegriff "Breitband-Kommunikation" zusammengefaßt werden (Bildfernsprechen, Bewegbildübertragungen, sehr schnelle Datenübertragungen, Fernsehkonferenzen etc.). Der Entwicklungsstand der Glasfaser-Technologie und der digitalen Vermittlungs- und Übertragungstechnik hat einen Reifegrad erreicht, der realistische Überlegungen über solche Dienste der Kommunikation möglich macht

Der zweite Tag stand ganz im Zeichen der Workshops.

Hierbei wurde der Teilnehmer zeitweise überfordert. Parallel laufende Workshops, die alle interessant und informativ waren, brachten den Teilnehmer an den Rand eines Blackouts. Der Veranstalter sollte sich in Zukunft überlegen, ob er nicht weniger Referate ansetzt, dafür aber mehr Diskussionszeit einräumt. Der mündig gewordene Anwender hat damit die Möglichkeit, mit Vertretern der Hersteller und der Deutschen Bundespost über zukünftige Planungen, von neuen Techniken und deren Akzeptanz zu diskutieren.

Weitere Dezentralisierung

In den Workshops wurden Trends und Perspektiven zukünftiger Bürokommunikation verdeutlicht. Das Büro rückt als Ansatzpunkt für neue technische Systeme und Hilfsmittel immer mehr in den Vordergrund des Interesses. In den kommenden Jahren werden elektronische Medien verstärkt in Büros einziehen, die heute noch durch das klassische Büro-Terminal, das Telefon, die Schreibmaschine und auch zentral installierte mechanische Fernschreiber und Kopiergeräte geprägt sind. Folgt man den Prognosen, so wird die Bürowelt des Jahres 1985 in Deutschland vorwiegend durch Terminals bestimmt sein, die im Dienste der Deutschen Bundespost eingebracht sind (Fernsprechnebenstellen-Anlagen, Telefax-Geräte, Telex-Geräte, Textnebenstellen-Anlagen und Teletex-Geräte). Die vergleichsweise höchsten Wachstumsraten werden neben den Textsystemen vor allen Dingen den Daten-Terminals zugerechnet. Die wichtigste Voraussetzung für eine effizientere Informationsverarbeitung im Büros ist die weitere Dezentralisierung und Integration der Techniken und deren Entwicklung mehrfunktionaler Bürosysteme und somit ein wesentlicher Beitrag zur Mehrproduktivität im Büro.

Telekommunikations-Manager fehlen

Ein Punkt, dem bisher wenig Bedeutung beigemessen wurde, ist die Aufgabe eines Telekommunikations-Fachmannes im Unternehmen. Um die neuen Dienste und Techniken optimal zu nutzen und untereinander zu koordinieren, bedarf es Kenntnisse der Nachrichtentechnik, Telekommunikation und eines Einblicks in die Organisation und Datenfernverarbeitung. In der Vergangenheit blieben viele Rationalisierungs- und Kosten - einsparungsmöglichkeiten unberücksichtigt. Der Grund liegt zum Teil darin, daß die Telekommunikation in keiner Gesamtverantwortung liegt. Die Zuständigkeiten sind auf verschiedene Bereiche verteilt. Eine zentrale Koordinierung zwischen den Bereichen Datenfernverarbeitung, Fernmeldewesen, Organisation, Einkauf und Textverarbeitung erfolgt meistens nicht. Mitverantwortlich für diesen Zustand ist das Fehlen eines sogenannten Telekommunikations-Managers, der entsprechend seiner Stellung im Betrieb alle Telekommunikations-Aktivitäten koordiniert.

Der dritte Tag des Telecom-Kongresses stand ganz im Zeichen der Fernmeldepolitik .

Durch das Vordringen der Elektronik in das Gebiet der Nachrichtentechnik entstehen in den 80er Jahren Anwendungen, mit denen man bisher nicht gerechnet hat. Hersteller und Postverwaltungen haben damit jedoch ihre Probleme.

- die Hersteller entwickeln neue Technologien, bieten neue Leistungen an und wecken den Bedarf.

- Die Postverwaltungen lassen mit ihren Verordnungen den Entwicklungen der Hersteller nicht genügend Spielraum zur Realisierung beim Anwender.

Die Deutsche Bundespost ist jedoch dabei, ihre Verordnungen den neuen Technologien und deren Leistungsmerkmalen anzupassen. Ein Lichtblick ist auch, daß die Anwender sich zu organisieren beginnen. Das Problem des einen kann morgen schon bei einem anderen Anwender auftreten. Die Anwender müssen also langsam mündig werden, denn die Arbeitsbedingungen von morgen verlangen diese neuen Technologien. Im Zuge der Energie-Einsparung, den steigenden Rohstoff- und Personalkosten kann der Arbeitsplatz von morgen vielleicht schon zu Hause am Home-Terminal sein.

Es muß erkannt werden, daß diese neuen Techniken nicht Arbeitsplätze vernichten, sondern Arbeitsplätze schaffen helfen. Eine Verlagerung ist natürlich zu erwarten.

Die Anwender der geschäftlichen Telekommunikation wollen diesen Entwicklungsprozeß mit beeinflussen. Dies ist nur möglich in einem Zusammenspiel zwischen Anwendern, Deutscher Bundespost und Herstellern, in dem die Probleme der gesamten Breite diskutiert werden.

Rainer Pliefke ist Gruppenleiter der Nachrichtentechnik im Gerling-Konzern.