Call-Center/Level-I-Support in einem Software-Unternehmen

Technischen Kundendienst mit Call-Center untermauert

25.10.1996

Die Vergangenheit dieses Anbieters - und das ist leider noch Gegenwart in vielen anderen Unternehmen - hat gezeigt, daß Kunden bei Problemen nicht mehr innerhalb des Unternehmens von Ansprechpartner zu Ansprechpartner weitergereicht werden wollen, sondern daß sie direkt mit einem kompetenten Sachbearbeiter reden möchten. Aus diesem Gedanken heraus wurde ein Call-Center aufgebaut, das hohen technischen Ansprüchen genügt.

Das Center ist für den Kunden die zentrale Anlaufstelle, wenn es darum geht, Unterstützung im Zusammenhang mit den Produkten und Dienstleistungen des Hauses zu erhalten.

Das Call-Center, das mit sogenannten Level-I-Support-Mitarbeitern besetzt wurde, ist nach verschiedenen Branchen aufgegliedert: Transportwesen, Banken, Einzelhandel, Gesundheitswesen etc. Jeder dieser Bereiche ist über eine eigene Rufnummer erreichbar. Diese Einteilung ist aus Sicht des Kunden von hohem Wert, da die jeweiligen Mitarbeiter nicht nur Fachleute für die Sterling-Produkte sind, sondern auch über das jeweils erforderliche Hintergrundwissen verfügen.

Es fallen für einen Kunden mit gültigem Wartungsvertrag außer den Kommunikationskosten keine weiteren Gebühren an. Er kann somit die Dienstleitung Call-Center kostenlos in Anspruch nehmen.

Das Call-Center ist technisch so organisiert, daß die Telefonanlage mit einer zentralen Datenbank verbunden ist. Sie enthält alle Kundendaten sowie Informationen über offene oder bereits erledigte geschlossene Problemfälle.

Das Zusammenspiel zwischen Telefonanlage und Datenbank ermöglicht es, den Kunden zu identifizieren, noch bevor ein Mitarbeiter das Gespräch entgegennimmt. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn die Nummer des Anrufers von der Telefongesellschaft übermittelt und anschließend von der Telefonanlage zur Datenbank weitergegeben wird.

Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, einem Großkunden einen bestimmten Key-Account-Berater plus einen Stellvertreter fest zuzuordnen.

Der Kunde verfügt damit in der Regel über einen oder auch mehrere kompetenter Ansprechpartner, die ausführlich über seine Situation und seine Bedürfnisse informiert sind.

Sterling, derzeit im Electronic-Data-Interchange-Konverter-Bereich angagiert, bietet neben Softwarelösungen, auch ein weltweites Mehrwertdienst-Netzwerk an. Das Call-Center kommt hauptsächlich im Zusammenhang mit der Unterstützung dieses Netzwerks zum Einsatz.

Im Rahmen des sogenannten Post-Sales-Supports werden somit sämtliche technischen Fragen und Probleme von den Mitarbeitern des Kundendienst-Call-Centers entgegengenommen und weiterbearbeitet.

Es gehört zur Unternehmensphilosophie, daß ein externer Anrufer nach Möglichkeit immer mit einer Person und nicht mit einem Anrufbeantworter oder sonstigen technischen Einrichtungen "spricht".

Bei einem eingehenden Anruf läuft folgende Prozedur ab: Nachdem der Anruf mittels der Rufnummer identifiziert werden konnte, wird diese an die Datenbankanwendung weitergeleitet. Sie prüft zuerst, ob die Nummer bereits in der Datenbank erfaßt ist und daran anschließend, ob es sich um einen Key-Account-Kunden handelt.

Ist das der Fall, wird gecheckt, ob der zuständige Berater oder dessen Stellvertreter verfügbar ist, und der Anruf an den Apparat dieses Mitarbeiters weitergeleitet. Sind jedoch weder der Key-Account-Berater noch sein Stellvertreter zu sprechen, sucht das System nach einem freien Mitarbeiter in deren unmittelbaren Umgebung. Er nimmt das Gespräch vertretungsweise an und versucht, das Problem des Kunden zu lösen. Er hat zudem die Möglichkeit, den Kunden mit dem Anrufbeantworter des Key-Account-Beraters zu verbinden oder diesem - sofern er anwesend ist - mitzuteilen, wen er in der Leitung hat, und sich über die weitere Vorgehensweise abzustimmen.

Handelt es sich bei dem Anrufer nicht um einen Key-Account-Kunden, ermittelt die Datenbank, ob für den Kunden noch ungelöste Fälle existieren. Wenn ja, wird versucht, das Gespräch an den Berater weiterzugeben, der diesen Fall bearbeitet hat.

Wenn nein, wird das Gespräch an das für den Kunden zuständige Branchenteam weitergeleitet. Sollte es vorkommen, daß kein Berater dieser Branche in der Lage ist, das Gespräch innerhalb eines definierten Zeitraums anzunehmen, wird der nächste freie Mitarbeiter - dann aus einer anderen Sparte - gesucht und das Gespräch an diesen weitergeleitet.

Bevor das Telefon schließlich am Arbeitsplatz klingelt, erscheint auf dem PC-Bildschirm des Beraters das sogenannte Kundenstammblatt mit aktuellen Informationen. Es wird sodann automatisch ein neuer Fall generiert. Per Mausklick lassen sich weitere Informationen über den Kunden abrufen, so zum Beispiel darüber, welche Produkte oder welche Hardwarekonfiguration sich bei ihm finden. Zudem läßt sich anhand von History-Records nachvollziehen, welcher Mitarbeiter den Kunden in der Vergangenheit betreut hat.

Über Fernsehmonitore, die überall im Bereich des Call-Centers installiert sind, kann sich der Berater laufend darüber informieren, ob und wie viele Kunden sich noch in der Warteschlange eingereiht haben und in welchem Systemzustand sich die Kollegen innerhalb seiner Branche befinden. Dabei sind folgende Zustände möglich:

-abgemeldet,

-im Gespräch,

-am Arbeitsplatz - beschäftigt,

-Warten auf einen Anruf.

Zur Zeit wird bei Sterling Commerce eine Telefonanlage des Typs Aspect-Call-Center 200R eingesetzt, die für 200 Teilnehmer ausgelegt ist. Sie gestattet es auch einer Reihe von Mitarbeitern, die über ISDN an das System angeschlossen werden, ihre Tätigkeit zu Hause auszuüben.

Das Problem-Tracking basiert auf einer Software namens "Vantive" der Firma Vantive. Das Server-Programm läuft bei Sterling Commerce auf der Datenbank Sybase System 10, aber auch unter Oracle. Die Server-Hardware ist eine Sun 1000E mit Solaris 2.3. Das Projekt, die spezifische Anpassung der PC-Oberflächen für den Customer-Service durchzuführen, nahm zirka drei Mann-Monate in Anspruch.

Für die Integration von Datenbank und Telefonanlage wurde ein weiterer Mann-Monat benötigt. Untersuchungen haben ergeben, daß die Gesprächsdauer durch das Zusammenspiel von Datenbank und Telefonsystem um etwa 30 Sekunden verringert werden konnte, da der Berater zu Beginn des Gesprächs nun nicht mehr erst die Kundennummer erfragen und dann den Suchvorgang in der Datenbank starten muß. Das kommt sowohl dem Kunden am Telefon als auch den Anrufern, die sich gerade in der Warteschleife befinden, zugute.

Der Arbeitsplatz jedes Beraters ist mit einem PC mit Pentium-Prozessor und mindestens 16 MB Hauptspeicher ausgestattet. Ein 21-Zoll-Bildschirm erleichtert ihm das gleichzeitige Arbeiten mit mehreren Programmen und geöffneten Fenstern. Über Commerce-Mail, eine eigene E-Mail-Software, wird er in die Lage versetzt, elektronische Nachrichten mit anderen Internet- oder X.400-Teilnehmern auszutauschen. Auf der Grundlage von Lotus Notes wurde eine gemeinsame und allen Support-Mitarbeitern zugängliche Wissensbasis erstellt.

Bei der Konfiguration und Implementierung wurden bisherige Erfahrungswerte der Serviceberater erfaßt und entsprechend umgesetzt, um ihnen die tägliche Arbeit zu erleichtern. So wurde zum Beispiel eine Rückruffunktion entwickelt, die es dem Mitarbeiter gestattet, den Kunden nach Abhören einer entsprechenden Nachricht mittels eines Tastendrucks am Telefon zurückzurufen. Dazu wird die Rufnummer des Kunden zusammen mit seiner hinterlassenen Nachricht abgespeichert. So läßt sich, da einerseits nicht erst lang die Rufnummer ermittelt werden muß und andererseits das manuelle Wählen entfällt, viel Zeit sparen.

Es ist keine Frage, daß sich das Arbeiten mit einem solchen System als sehr angenehm erweist. Noch bevor das Telefon klingelt, weiß der Berater welcher Kunde gerade in der Leitung ist - und dem Anrufer bleibt in der Regel ein wiederholtes Schildern der Situation erspart. Selbstverständlich tragen Maßnahmen wie diese erheblich zur Kundenzufriedenheit bei - was natürlich auch dem Support-Mitarbeiter zugute kommt.

Dieses komplexe System bedarf einer intensiven Ausbildung. Jeder neue Mitarbeiter im Center durchläuft ein zweimonatiges Training, das neben der intensiven Produktschulung auch eine Einweisung in die Arbeit mit dem Telefon und der Anwendung Vantive beinhaltet. Nach Abschluß der Ausbildung wird er dann über einen längeren Zeitraum von einem erfahrenen Kollegen begleitet. Nach jedem Kundengespräch erfolgt eine Analyse des soeben geführten Telefonats.

Umfragen, die das Unternehmen bei seinen Kunden durchgeführt hat, um deren Anforderungen an ein Call-Center zu ermitteln, haben sehr interessante Ergebnisse zutage gefördert. Einige Resultate waren zum Beispiel:

-daß ein Anrufer nicht länger als eine Minute in der Warteschleife verbringen möchte

-daß bei relativ einfachen Problemen innerhalb von sechs Minuten eine Lösung gefunden sein sollte.

-daß ein gemeldetes Problem in mindestens acht von zehn Fällen bereits während des ersten Anrufs gelöst werden sollte und

-daß ein Kunde, der eine Nachricht hinterlassen hat, einen Rückruf innerhalb von 15 bis 20 Minuten erwartet.

Ein Telefonat dauert zwischen 4 und 7 Minuten

Die Services Group des Software-Anbieters hat weltweit über 23000 Kunden. Pro Monat werden vom Call-Center zwischen 40000 und 50000 Telefongespräche entgegengenommen, und es werden zwischen 30000 und 35000 ausgehende Gespräche geführt.

Die durchschnittliche Dauer eines Telefonats beträgt je nach Branche zwischen vier und sieben Minuten. Im Mittel wird ein Gespräch nach 30 bis 50 Sekunden entgegengenommen.

Es ist geplant, zum Ende dieses Jahres ein intelligentes Expertensystem auf Basis von Case-Base-Reasoning einzuführen. Anhand der gespeicherten Wissensbasis werden dynamisch Bildschirmmasken mit diversen Fragen generiert, die zur Eingrenzung des Problems dienlich sind. Dies ist besonders für neue Mitarbeiter eine willkommene Hilfe, um in noch kürzerer Zeit noch effektiver zu arbeiten. Aber auch erfahrene Mitarbeiter können bei schwierigen Fragen davon profitieren. Zusätzlich dazu plant das Unternehmen, ein Programm einzusetzen, das die Frequenz der eingehenden Gespräche mit einer minimalen Abweichung prognostiziert. Diese Software soll im wesentlichen dazu genutzt werden, das Wachstum kalkulierbar zu machen und somit Neueinstellungen frühzeitig angehen zu können.

Der Anbieter

Sterling Commerce (Nyse-SE) ist ein Anbieter von Lösungen für Electronic Commerce (EC). Das Unternehmen ist eine Tochter der Sterling Software (Nyse-SSW) und hat seinen Hauptsitz in Dallas, Texas. Das Unternehmen hat 3600 Angestellte, verfügt weltweit über 75 Niederlassungen und besitzt eine Kundenbasis von annähernd 40000 Kunden in über 60 Ländern.

Angeklickt

Kundendienst und gleichzeitig Unterstützung für die Mitarbeiter am Ende der Hotline bringen Call-Center bei immer mehr Software-Unternehmen. Angenehmer und effizienter wird die tägliche Arbeit für die fachlich und kommunikativ stark geforderten Serviceleister, auf deren Einsatz Image und Produktakzeptanz der Anbieter zu einem nicht zu unterschätzenden Teil beruhen.

*Stefan Rakebrandt ist Systemberater bei Sterling Commerce in Düsseldorf.