Kommentar

Technisch in, praktisch out

21.08.1998

Als wenn's so einfach wäre. Man nehme ein CASE-Tool, ergänze es durch eine OO-Methode, und schon blühen objektorientierte und zugleich ingenieursmäßig planbare Programmierlandschaften. Derartiges Marketing-Gerede hat jedoch sehr wenig mit heutiger Entwicklungspraxis zu tun. Obwohl man auch in der Unternehmens-DV verstanden hat, daß Objektorientierung verbesserte Analyse- und Modellierungsmöglichkeiten bietet, bleiben dort herkömmliche strukturierte Programmiermethoden weiterhin Stand der Technik. Daran hat auch die standardisierte Unified Modelling Language (UML) wenig ändern können. Selbst gutwillige Anwender verwechseln oft die Migration von C nach C++ mit einem behutsamen Eintritt ins OO-Zeitalter.

Es gibt aber auch ernstzunehmende Gründe, warum viele Unternehmen derzeit mit dem Einsatz von OO-Entwicklungswerkzeugen zögern: Es fehlt das nötige Know-how, Zeit und Geld für den Umstieg. Gerade jetzt, da Jahr-2000-Projekte und die Euro-Einführungen einen Großteil des DV-Personals binden, besteht wenig Lust, sich mit einem objektorientierten Neubeginn das Leben zusätzlich zu erschweren. Und das wird trotz allen Werbetrommelns und des versprochenen Return on Investment für OO-CASE-Tools auch in den nächsten zwei Jahren so bleiben. Die Werkzeughersteller müssen deshalb einen langen Atem haben.